10. Oktober 2014
"Meine Unterwäsche geht keinen etwas an"
Interview geführt von Kai ButterweckZehn Jahre nach ihrem Über-Hit "Perfekte Welle" und vier Jahre nach ihrem letzten Studio-Lebenszeichen namens "In Love" bringen Juli dieser Tage ihr viertes Album "Insel" an den Start.
Das formelle Hin und Her zwischen einer Anfrage seitens der Promo-Firma und dem Interview selbst läuft meist nach demselben Schema ab: Band XY bringt ein neues Album raus, was die zuständige Promo-Abteilung dazu veranlasst, Interviewanfragen rauszuschicken. Man einigt sich dann schnell auf die Location und den Zeitpunkt des Interviews, hört vorher noch ins freundlicherweise schon vorab zur Verfügung gestellte neue Album rein, und trifft sich dann irgendwie, irgendwo, irgendwann mit besagter Band zum Plausch.
Nur selten gibt es, wie im Fall der Interviewanfrage von Seiten der Juli-Promoabteilung, einen Grund, sich kurz fragend den Kopf zu kratzen. Alles ging seinen gewohnten Gang, bis kurz vor der finalen Bestätigung noch die Frage nach dem Inhalt des Interviews gestellt wurde. Äh, wie jetzt? Der Inhalt des Interviews? Natürlich würden wir mit der Band gerne über den Bundesliga-Start und das bevorstehende Paderborner Kleingartenschützenfest reden. Hallo? Die Band steht kurz vor der Veröffentlichung eines neuen Albums! Etwa in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht? Wir trafen uns in Berlin mit Juli-Frontfrau Eva Briegel und Gitarrist Jonas Pfeting und fragten nach.
Hi ihr zwei, was war die dümmste Frage, die euch in einem Interview bisher gestellt wurde?
Eva: Das ist ja mal ein Anfang (lacht). Wie kommst du darauf?
Naja, ich wurde im Zuge der Interviewanfrage darum gebeten, vorab den Inhalt des Interviews preiszugeben. Da frage ich mich natürlich, mit welch unanständigen Fragen ihr euch in der Vergangenheit schon rumplagen musstet?
Eva: Die Antwort auf die Frage nach der Farbe meiner Unterwäsche geht nun wirklich niemanden etwas an.
Wer fragt denn sowas?
Eva: Nun, es gibt Kollegen von dir, die der Meinung sind, dass eben genau das die Menschen da draußen interessiert.
Passiert euch sowas öfter?
Jonas: Kam vor, ja.
Eva: Das mit den Fragen zu meiner Unterwäsche ist aber eigentlich nur zweitrangig. Im Grunde geht es uns vielmehr darum, uns schon vorher ein Bild davon zu machen, was bei welchem Gespräch auf uns zukommt. Ich persönlich finde es immer schade, wenn ich während eines Interviews eine spannende Frage gestellt bekomme, aber nicht so richtig drauf eingehen kann, weil es die Zeit nicht erlaubt. Daher bin ich immer ganz froh, wenn ich schon vorher weiß, um was es ungefähr gehen wird. Dann kann ich mir schon vorher über das eine oder andere spannende Thema Gedanken machen. Das ist, wie ich finde, eine gute Methode, um auch unter Zeitdruck was Durchdachtes von sich zu geben. Da freut sich am Ende vor allem der Leser drüber. Statt Ja-, Nein- und Vielleicht-Antworten, gibt's komplette und vor allem wissenswerte Sätze zu lesen.
"Das Gelaber von anderen interessiert mich nicht mehr"
Klingt gut durchdacht. Um so erstaunter bin ich, dass ich heute überhaupt hier sitzen darf.
Jonas: Warum erstaunt?
Naja, ich hätte jetzt nicht gedacht, dass ihr gerne über den Bundesliga-Start und das von mir natürlich erfundene bevorstehende Paderborner Kleingarten-Schützenfest plaudern wollt.
Jonas: Nicht? (lacht)
Eva: Da ist dann wohl eine "Inhaltsangabe" an uns vorbei gegangen (lacht).
Scheinbar. Seis drum, ich will euch jetzt nicht ins kalte Wasser werfen. Was haltet ihr also davon, wenn wir statt über die Bundesliga über euer neues Album sprechen?
Eva: Großartige Idee.
Jonas: Fantastisch.
Ihr habt jetzt zum zweiten Mal vier Jahre zwischen zwei Alben ins Land streichen lassen. Ist das mittlerweile der Zeitraum, den ihr benötigt, um von Alt auf Neu umzuschalten?
Eva: Da steckt eigentlich nichts Abgesprochenes oder Gewolltes dahinter. Im Grunde haben wir direkt nach dem letzten Album damit angefangen, neue Ideen festzuhalten. Das lief aber auch alles ganz locker, ohne Druck. So wurde zwar einerseits viel geschrieben und komponiert, auf der anderen Seite aber auch jede Menge wieder verworfen. Das hat sich dann halt so ein bisschen hingezogen.
Außerdem hatten wir nach dem letzten Album abgemacht, dass sich jeder erstmal ein bisschen mit sich selbst beschäftigen soll, ehe wir wieder als richtige Band zusammenkommen. Das haben wir zwischen dem Festhalten von neuen Ideen dann auch gemacht. Ich bin ja Mama geworden, und habe dementsprechend erstmal Urlaub gemacht und Erdbeeren angepflanzt (grinst). Ich habe auch noch damit angefangen Ukulele zu spielen.
Soso ... und die Jungs?
Jonas: Wir haben unsere Computer wieder auf Vordermann gebracht und so ein bisschen rumgedaddelt. Zwischendurch habe ich noch ein paar Songs geschrieben. Marcel (Marcel Römer) hat nebenbei bei Boy Schlagzeug gespielt. Irgendwie hatte jeder so sein Ding zu laufen. Ganz entspannt.
Irgendwann seid ihr dann wieder zusammengerückt und habt die Produktion des neuen Albums in den Fokus gerückt. Das Album heißt "Insel". Laut Pressezettel handelt es sich dabei um eine ganz bestimmte Insel, nämlich um eure eigene. Wenn ich mir also die Band Juli als Insel vorstellen soll: Welches Eiland habt ihr da im Sinn? Ibiza? Oder eher Amrum?
Jonas: (lacht) Uns geht's da mehr um das Gefühl, das wir haben, wenn wir nach langer Zeit wieder als Band zusammenfinden. Das ist dann für uns wie auf einer Insel. Da gibt's halt nur uns. Das hat ganz viel mit Vertrauen, Innigkeit und Spaß zu tun. Diese Gefühle erleben wir am intensivsten, wenn wir als Band zusammen sind.
Eva: Das hat mittlerweile schon was extrem Familiäres. Ich meine, wir kennen jetzt alle schon ewig. Es gibt auf der Welt niemanden, dem ich mehr vertraue. Ich meine, ich weiß nicht, wie oft mir in der Vergangenheit schon übelste Kritik von außen zugetragen wurde. Egal ob ein einzelner Song, ein ganzes Album oder ein Konzert: Immer gibt es Leute, die irgendwas kacke finden. Das ist auch völlig ok. Ich guck dann aber meine Jungs an, frage nach, und wenn dann ein Satz kommt, wie: Wir finden den Song aber geil, dann interessiert mich das Gelaber von anderen nicht mehr. Das ist schon ein schönes Gefühl.
"Wir hatten damals einen ziemlich kranken Ego-Film zu laufen"
Hat sich dieses Wir-Gefühl erst entwickeln müssen, oder geht ihr schon seit den Anfangstagen durch dick und dünn?
Eva: Wir mussten uns natürlich auch erstmal kennenlernen. Marcel und ich, wir sind ja erst später zur Band gestoßen. Das hat schon ein bisschen gedauert.
Jonas: Gerade zu Beginn war's nicht immer einfach. Ich kann mich beispielsweise an einen jahrelangen Revierkampf zwischen Simon (Simon Triebel) und mir erinnern. Das war extrem anstrengend. Heute lachen wir beide darüber. Aber damals hatten wir irgendwie so einen ziemlich kranken Ego-Film zu laufen.
In punkto Songwriting?
Jonas: Ja, auch. Es ging irgendwie um alles, glaube ich. Das haben wir aber nie so sehr nach außen getragen. Aber intern war es teilweise schon echt richtig heftig.
Eva: Aha?
Jonas: Du hast da nichts von mitbekommen?
Eva: Nicht wirklich (lacht).
Jonas: Na dann ist ja gut (lacht).
Eva: Es gab aber natürlich auch Zeiten, in denen Allgemeines an unseren Nerven und Kräften zerrte. Direkt nach dem zweiten Album sind wir in ein ziemliches Loch gefallen. Das war irgendwie alles zu viel für uns. Jeder wollte was von uns. Wir hatten überhaupt keine Freiräume mehr. Ich denke, dass diese Phase bisher mit die Schwierigste war. Glücklicherweise haben wir sie aber überstanden.
Jonas: Seitdem lassen wir auch nicht mehr so viel an uns ran. Wir nehmen uns die Zeit, die wir brauchen. Dabei spielt es keine Rolle, was gerade ansteht.
So entstand dann die "Insel"?
Jonas: Genau. Ich glaube, dass ich heute gar keine Lust mehr darauf hätte, eine Band zu gründen. Wenn ich mir vor Augen führe, was das letztlich für einen Rattenschwanz an Arbeit nach sich zieht… Nö, da hätte ich keinen Bock mehr drauf. Mit Juli nehme ich den ganzen Ballast aber gerne in Kauf. Da sind wir alle reingewachsen. Und mittlerweile nehmen wir das auch gar nicht mehr so wahr. Es ist halt ein Teil dessen, was wir auf unserer Insel gut kontrollieren können. Dieses Vertrauen und diese Gelassenheit, sich nicht mehr wegen jedem Alarmsignal verrückt zu machen, entstehen erst mit der Zeit. Wenn dann aber alles passt, dann juckt dich nichts mehr. Man ist nur noch bei sich und natürlich bei der Band. Das ist ein tolles Gefühl.
Auf dieser "Insel" geht es, laut Presseinfo, mittlerweile demokratischer denn je zu. Hatte Eva in der Vergangenheit die Hosen an?
Eva: Das wurde ein bisschen unglücklich beschrieben, wie ich finde. Bei uns durfte schon immer jeder seinen Standpunkt klarmachen. Diesmal lief es halt nur eine Spur intensiver. Am Ende waren alle involviert. Jeder hat Texte geschrieben und jeder hat sich um Songaufbauten gekümmert. Das hat auch super funktioniert.
Jonas: Da wären wir auch wieder bei dem Thema "Insel". Wir haben alle keine Probleme mehr damit, wenn es um unsere Meinungen geht. Wenn dem einen etwas nicht gefällt, dann wird nicht um den heißen Brei herum geredet. Das kommt dann auf den Tisch. Punkt. Nur so hat man am Ende aber auch ein Ergebnis, mit dem wirklich jeder Einzelne von vorne bis hinten zufrieden ist. Jetzt sind wir nur noch darauf gespannt, was all die Leute vom "Festland" von unserem neuen Album halten.
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