1. April 2016

"Das erste Konzert war heftig"

Interview geführt von

Neuer Sänger, neues Album, alter Sound: Die Jungs von Jupiter Jones kehren mit ihrem neuen Studiowerk "Brüllende Fahnen" wieder zu ihren musikalischen Ursprüngen zurück.

Mit der Veröffentlichung ihres fünften Albums "Das Gegenteil Von Allem" wollten Jupiter Jones flächendeckend Türen und Tore einreißen. Und es sah zunächst auch nach einem Spaziergang aus. Das Album knackte die Top 5 der deutschen Charts und die geplante Tour wurde von allen Seiten herbei gesehnt.

Doch Anfang März 2014 wurde alle Konzerttermine abgesagt. Vier Wochen später verkündete die Band via Facebook den Ausstieg von Sänger Nicholas Müller. Der Grund: Der Frontmann leide schon länger unter Angstzuständen, so die Band. Statt des erhofften Durchmarschs in den nationalen Rock-Olymp sah sich die Band plötzlich und unerwartet mit Grundsätzlichem konfrontiert.

War's das jetzt? Oder versucht man es mit einem neuen Sänger? Die Band entschied sich für Letzteres. Zwei Jahre später melden sich Jupiter Jones nun zurück. Mit im Gepäck: ein neues Album mit dem Titel "Brüllende Fahnen" und ein neuer Mann am Mikrofon namens Sven Lauer. Im Zuge der Promo-Tour für das neue Album trafen wir uns in Berlin mit Bandgründer Sascha Eigner und Neueinkauf Sven Lauer zum Gespräch.

Ich weiß, ihr brennt darauf, über euer neues Album zu sprechen. Aber wir müssen natürlich erst einmal kurz zurückblicken. Stichwort: Nicholas Müller.

Sascha Eigner: Kein Ding. Was willst du wissen?

Nun, Nicholas Ausstieg ist ja jetzt schon zwei Jahre her. Erinnerst du dich noch an den Moment, als die Karten auf den Tisch gelegt wurden? War das ein Augenblick? Oder hat sich da vorher schon was angekündigt?

Sacha Eigner: Nun, die "vollendeten Tatsachen" kamen für uns alle schon sehr überraschend. Ich weiß noch, wie wir damals alle nach Münster gefahren sind. Dort fand das Treffen statt. Das war schon ziemlich heftig. Es war ja keine Diskussionsrunde. Wir wurden darüber informiert, was Sache war. Das muss man dann erst mal schlucken.

Ihr hattet also überhaupt keine Ahnung?

Sascha Eigner: Naja, es lief schon vorher nicht mehr alles so rund wie noch zu Anfangstagen. Die Angstzustände von Nicholas waren schon länger Thema in der Band. Wir haben zwar immer versucht, für ihn da zu sein, ihn aufzufangen und das große Ganze in den Vordergrund zu rücken. Aber irgendwann kommt man dann an einen Punkt, an dem es so nicht mehr weitergeht. Keine Ahnung, was heute wäre, hätte Nicholas damals nicht die Reißleine gezogen.

Kurz nach der Bekanntgabe wurden viele Gerüchte gestreut. Es hieß beispielsweise, dass von Seiten des Labels ein bisschen nachgeholfen wurde. Man wollte euch wohl in eine poppigere Richtung drängen. Und Nicholas Stimme passte da irgendwie nicht mehr so richtig. Nur Gerüchte?

Sascha Eigner: Das ist totaler Schwachsinn. Unser Label hat uns noch nie irgendwo reingeredet. Ich meine, wir sind ja keine Casting-Band oder irgendeine Truppe, die noch nicht so richtig weiß, wie sie eigentlich klingen möchte. Wir sind eine gestandene Rockband, die ihre Instrumente beherrscht, alle Texte selber schreibt und die genau weiß, wie der Business-Hase läuft. Nicholas fühlte sich einfach nicht mehr imstande, ein Teil der Band zu sein. Das war's. Es war seine Entscheidung. Da haben weder wir noch irgendwer in unserem Umfeld nachgeholfen.

"Wir standen immer alle auf einer Stufe"

Sven wurde dann relativ schnell als Nachfolger vorgestellt. Ihr habt demnach keine Gedanken an ein Ende der Band verschwendet, richtig?

Sascha Eigner: Es gab schon Zweifel. Als wir nach dem Treffen wieder alle im Auto saßen, war da schon eine gewisse Leere zu spüren. Das war ein beschissenes Gefühl. Ich habe erst neulich mit unserem Bassisten noch einmal über die Situation damals geredet. Letztlich war es so, dass wir uns trotz des ersten Schocks, der wirklich tief saß, uns relativ schnell wieder gefangen haben. Nach ein paar Tagen wurde uns einfach bewusst, dass wir uns ja nie als eine Art Sänger-mit-Band-Projekt definiert haben. Nicholas war ja nicht der Chef des Ganzen. Wir zogen immer alle am selben Strang. Wir standen immer alle auf einer Stufe. Also setzten wir uns zusammen und überlegten uns, was man machen könnte.

Der Moment, in dem Sven ins Spiel kam.

Sascha Eigner: Genau.

Sven, du wolltest aber zunächst gar nicht. Was war da los?

Sven Lauer: Ich kenne die Jungs ja jetzt schon seit Kindheitstagen. Ich habe sie in all den Jahren als Freund begleitet. Wenn ein neues Album am Start war, durfte ich immer schon mal vorher reinhören und meinen Senf dazugeben. Wir sind also ziemlich dicke. Man sollte vielleicht auch noch erwähnen, dass ich auch sieben Jahre in einer Band gespielt habe (Karacho). Ich kenne die ganzen Mechanismen. Der Punkt war einfach: Ich hatte mich gerade von meiner alten Band verabschiedet, da klingelte das Telefon bei mir zu Hause. Sascha war dran und fragte mich, ob wir nicht mal quatschen könnten. Als er dann auf den Punkt kam, gingen bei mir sofort die Rollläden runter.

Das war mir in der Situation einfach too much. Ich hatte ja zwei Tage vorher erst eine siebenjährige Zusammenarbeit beendet. Ich steckte also voll im Verarbeitungsprozess. Dann kommt auf einmal Sascha um die Ecke und fragt mich, ob ich nicht Lust hätte, bei Jupiter Jones einzusteigen. Das ging erstmal gar nicht. Ich hab mich dann aufs Fahrrad gesetzt und bin schreiend durch die Gegend geradelt. Irgendwann landete ich dann bei meiner Frau an der Arbeit. Da hab ich erstmal losgeheult und ihr erzählt, was Phase ist. Sie nahm mich dann in die Arme und sagte nur, ich solle einfach eine Nacht drüber schlafen.

Aus der einen Nacht wurden letztlich wie viele?

Sven Lauer: Naja, zwei oder drei (lacht). Dann war ich zumindest für eine unverbindliche Probe mit den Jungs bereit.

Der eigentliche Startschuss?

Sven Lauer: Genau. Nach zwei Songs grinsten wir uns alle nur an. Da war klar: das passt. Das könnte klappen. Und seitdem stecke ich mittendrin. (lacht)

Sascha Eigner: So etwas lässt sich natürlich nicht planen. Entweder die Magie ist da, oder eben nicht.

"Ich habe schon Pferde kotzen sehen"

Die erste Probe ist ja die eine Sache. Live ist noch einmal eine andere Baustelle. Stichwort: Wolfhagen im Juni 2014. Erzählt doch mal.

Sven Lauer: Also ich möchte so einen Abend nicht noch einmal erleben (lacht).

Oh! Ging in die Hose?

Sven Lauer: Gefühlstechnisch und emotional war das mit der schlimmste Tag meines bisherigen Lebens. Ich meine, ich weiß ja eigentlich Bescheid. Die Bühne ist für mich kein fremdes Territorium. Aber die Minuten vor diesem Gig waren die Hölle für mich.

Sascha Eigner: Man hat ja auch eine Verantwortung. Für uns war es die perfekte Lösung. Aber wir wussten natürlich nicht, wie die Leute reagieren. Da hätte alles passieren können: von Jubel bis Krawalle. Glücklicherweise wurden wir aber von allen Seiten mit offenen Armen empfangen.

Sven Lauer: Heftiger Abend. Ganz heftiger Abend.

Danach griff ein Rädchen ins andere.

Sven Lauer: Absolut. Die Shows liefen danach alle super. Irgendwann fühlte es sich an, als hätte man nie etwas anderes gemacht.

Sascha Eigner: Der erste Festival-Sommer war unglaublich. Da war plötzlich ein ganz neues Wir-Gefühl innerhalb der Band. Es hat auf einmal auch freundschaftlich wieder gepasst. Und das hat sich dann auch schnell aufs Publikum übertragen. Und mit dieser Euphorie sind wir dann an die neuen Songs rangegangen.

"Brüllende Fahnen" hat auch was von nem Debütalbum. Ich hör da ganz viel Aufbruchsstimmung heraus.

Sascha Eigner: Schön, dass du das sagst. Genauso wollten wir die Produktion auch angehen. Wir wollten wieder weg vom überproduzierten Pop der letzten Alben. Das war uns wichtig. Ich steh zwar noch voll und ganz hinter jedem einzelnen Album. Aber diesmal wollten wir wieder zurück zu den Anfängen. Wir sind ja schließlich eine Rock-Band.

Hat euch da irgendwer von außen dabei geholfen?

Sascha Eigner: Ich habe während dieser Zeit unheimlich viel Musik gehört, die ich sonst nicht so auf dem Schirm hatte. Artic Monkeys, Bloc Party, The Black Keys: Das sind alles Bands, die aus wenig unheimlich viel machen.

Sven Lauer: Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, als die ersten Demos bei mir reinkamen. Da war zunächst viel dabei, mit dem ich gerechnet habe. Dann kam aber auf einmal Zeugs rein, da dachte ich nur: Wow! Das geht jetzt für mich in die richtige Richtung. (lacht) Da waren dann plötzlich ganz andere Grooves am Start. Ich meine, hör dir nur den Titeltrack an. Das ist der untypischste Jupiter Jones-Song überhaupt. Da hat man dann gemerkt, dass sich auch in punkto neuer Musik etwas geändert hat.

Nicholas hat auch wieder ein neues Projekt am Start.Überrascht?

Sascha Eigner: Nein, nicht wirklich.

Habt ihr noch Kontakt?

Sacha Eigner: Nein.

Demnach erübrigt sich die Frage nach einer möglichen Reunion in ferner Zukunft?

Sascha Eigner: Puh ...

Sven Lauer: Also ich bin da ganz entspannt. Ich meine, wer hätte gedacht, dass sich Guns N Roses noch mal auf die Bühne trauen? Ich hab dahingehend echt schon Pferde kotzen sehen. Insofern ... (lacht)

Sascha Eigner: Also ich bin da momentan eigentlich ziemlich klar. Die Band funktioniert gerade auf einem so hohen Level. Da wären wir schön blöd, über irgendwas nachzudenken, das sich gerade irgendwie so gar keiner vorstellen kann.

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