laut.de-Kritik

"Easy Rider" trifft auf Nancy Sinatra.

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Gegen Ende des Films "Easy Rider" aus dem Jahr 1969 begeben sich die Hauptdarsteller in ein Bordell. Dennis Hopper fläzt sich aufs Sofa in Begleitung einer Dame des Hauses, Peter Fonda hat jedoch anderes im Sinne. Und so finden sich die Männer und die Prostituierte, Karen Black, auf einem wüsten LSD-Trip in New Orleans wieder.

Sie habe keine guten Erinnerungen an den Dreh, erinnerte sich Black Jahrzehnte später in einer Dokumentation, alles sei chaotisch und improvisiert gewesen. Lange habe sie sogar verschwiegen, in dem Kultstreifen aufgetreten zu sein. Und doch verdankt sie ihm in gewisser Hinsicht ihre Karriere, die erst danach richtig an Fahrt aufnahm: 1970 ist sie in "Five Easy Pieces" mit Jack Nicholson zu sehen, der seinen Erfolg ebenfalls "Easy Rider" verdankt. 1975 spielt sie in Robert Altmans Klassiker "Nashville". In beiden Filmen singt sie auch, und das nicht schlecht.

Ihr Stern ist schon längst gesunken, als sie im neuen Jahrtausend den Singer/Songwriter Cass McCombs kennenlernt, der sie bittet, auf seinem Song "Dreams-Come-True-Girl" (2008) zu singen. Daraus entsteht eine Freundschaft und die Idee, ein gemeinsames Album aufzunehmen. Black übergibt McCombs einen Stapel an Texten und Gedichten, zu der er die Musik schreiben soll. Sie nehmen zwei Stücke auf, bevor Black 2013 an Krebs stirbt.

In der Garage entdeckt ihr Ehemann irgendwann einen Kiste mit verstaubten und vermoderten Tonbändern. Mit dem Tontechniker Tardon Feathered versucht McCombs sein Glück. "Wir machten uns auf die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen, stattdessen fanden wir ein Haufen Nadeln", fasst es der Kalifornier einprägsam zusammen. Drei Jahre verbringen sie damit, das Material so gut wie möglich zu restaurieren.

Das Ergebnis ist auf diesem Album zu hören. Auch wenn der Titel vermuten lässt, dass es sich um eine Best-Of handelt, ist es tatsächlich Blacks erste musikalische Veröffentlichung. Die Jahresangaben dürften eher geschätzt sein, denn die Informationen zu den Bändern sind entsprechend spärlich ausgefallen. 1972 trug Black eigene Songs in Fernsehen vor, wie auch 1977 bei einer Show von Dolly Parton, doch davon ist hier ebenso wenig zu hören wie von einem Auftritt mit Carly Simon 1978, von dem es ein Foto gibt.

Sicherlich sind die Stücke im Studio aufgenommen worden. Meistens ist als Begleitung nur eine Gitarre zu hören, doch in "Sunshine Of Our Days" singt Black auf mehreren Spuren Harmonie mit sich selbst. Bei "Babe Oh Babe" sind dagegen mehrere Musiker zugange, was zu den Angaben passt, dass Black mit Bones Howe gearbeitet habe, der unter anderem "California Dreamin'" von The Mamas & The Papas produzierte und später die ersten Alben von Tom Waits. Und Elliott Mazer, der in jenen Jahren der Stammproduzent Neil Youngs war.

Stimmlich passt Black gut in die Folk-Szene der frühen 1970er Jahre, immer wieder erinnert sie an Joni Mitchell oder Judy Collins, mit einer Prise Nancy Sinatra. Es fällt auf jeden Fall leicht, ihrer ausdrucksvollen Stimme zu lauschen, die von dunklen Tiefen mühelos zu kräftigen Höhen reicht.

"Dreaming Of You" ist ein faszinierendes Zeitdokument, das mit den zwei Stücken endet, die Black und McCombs 2012 noch aufnehmen konnten. "I Wish I Knew The Man I Thought You Were" handelt von einer Lehrkraft am College, mit der sie in den 1960er Jahren zu tun hatte. "Ich wünschte, du wärst der Mann, für den ich dich hielt / Er würde mir sagen, dass ich dem Mann, der du bist, nicht trauen soll", beschreibt sie ihre #metoo-Erfahrung in jungen Jahren.

"Royal Jelly" schließt den Kreis zum ersten Stück, denn erneut singt Black auf mehreren Spuren. Dass zwischen dem Großteil des Materials und den letzten Liedern mehrere Jahrzehnte liegen, ist ihrer Stimme anzuhören, doch klingt sie immer noch nach sich selbst. Der schöne Abschluss eines gelungenen Albums, das ein weinendes und ein lachendes Auge hinterlässt. Weinend, weil seine Geschichte im Grunde tieftraurig ist. Lachend, weil sich ein gutes Herz gefunden hat, das keinen Aufwand scheute, sie zu erzählen.

Trackliste

  1. 1. Sunshine Of Our Days
  2. 2. You're Not In My Plans
  3. 3. It All Turned Out The Way I Planned It
  4. 4. Dreamland
  5. 5. Dreaming Of You
  6. 6. Headache
  7. 7. The Wind Doesn't Speak To Me Anymore
  8. 8. Well I Know You're Lonely Now
  9. 9. Love Peddler
  10. 10. Babe Oh Babe
  11. 11. That's Me
  12. 12. Question
  13. 13. Thank God You're Mine
  14. 14. If I Thought You'd Ever Change Your Mind
  15. 15. Passing Through
  16. 16. I Wish I Knew The Man I Thought You Were
  17. 17. Royal Jelly

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