laut.de-Kritik
Alles kann, nichts geht.
Review von Yannik GölzMan möchte den Eindruck gewinnen, Kid Cudi weiß nicht so recht, wohin mit sich selbst. Eigentlich mag man ihn in der Szene und das Business mag ihn auch. Trotzdem ist es nicht so, als säße man für ein neues Cudi-Album auf glühenden Kohlen. "Insano" erklärt ein bisschen, warum das so ist. Kontinuierlich durch das Album darf DJ Drama dessen Titel brüllen, als wäre das eine Marke, die für eine Vision oder ein Konzept stünde. Aber "Insano" macht keine Anstalten zu erklären, was ein "Insano" ist. Erst gibt es eine zähe Hälfte sehr bemühter Party-Banger, danach franst das Album vollkommen aus. Gott sei Dank tut es das, denn Playboi Cudi auf Rage-Beats war nicht das, worauf seine Karriere gewartet hat. Auf der zweiten Hälfte geht es dann zwar auch wie Kraut und Rüben durcheinander, aber immerhin finden sich dort doch noch ein paar gute Songs.
Fangen wir aber von vorne an. Hier möchte Cudi bei verschiedenen Songs, dass wir bouncen und loslegen und bouncen und moschen. Cudi war nie der Typ, der für seine tanzbaren Tracks bekannt gewesen wäre. DotDaGenius und Honorable C-Note zimmern zwar ein paar Rage-inspirierte Beats zusammen, die viel Cudi-Farbe behalten und nicht wie Rip-Offs wirken. Aber gleichzeitig weiß man nicht zu 100%, was man mit diesen Sachen machen soll. Cudi wirkt in seiner Funktion als Party-MC immer ein klein bisschen aufgesetzt. Sein Ding war es immer, introvertiert und verstrahlt zu sein. Entsprechend wird man das Gefühl nicht los, dass er sich selbst zwingen muss, diese Rolle zu spielen. Eine Aufforderung zum Bootyshaken, die nicht 100% natürlich klingt, bringt keine Bootys zum shaken.
Nehmen wir als Beispiel einmal "Story Of A Knight". Nach ein paar richtigen Patzern am Anfang dachte ich hier nämlich, jetzt käme etwas Verrücktes. Tafelrunden-Swag, das Leben eines Ritters. Get 'em, Cudi! Leider gettete er sie nicht. Die Verbindung mit den Rittern erschließt sich überhaupt nicht, wenn er Sachen rappt wie: "See him, we see him, we Gucci, take off on a flight / We in Omega, we dimmin' the lights / Stewardess pourin' the liquor we lit, just bossin' the shit / I tell 'em I'm just a young n*gga that's stuck in the life". Er möge sich gut finden, er möge flexen, er möge seinen Shit talken. Aber es kommt nichts Spannendes dabei heraus. Die Hälfte dieses eh schon sehr langen Albums kommt repetitiv, anstrengend und fake rüber. Travis kommt gleich zweimal als Feature vorbei und gibt ebenfalls nur generisches Zeug von sich. Aber im Gegensatz zu Cudi weiß er, wie man einem fetten Beat aus dem Weg geht. Cudi klingt nie, als wolle er einfach die Beats sein Ding machen lassen. Dafür ist er zu viel Persönlichkeit. Man will ihm zuhören und ist dann doppelt frustriert, wenn er nichts sagt.
Ein Detail, das diesem Bild nicht hilft, ist DJ Drama. Eigentlich ein geiler Typ. Aber seit Tyler The Creator ihn "Call Me If You Get Lost" hat moderieren lassen, war er auf einer Menge Tapes zu Gast. Irgendwann war's dann halt auch mal gut. Seine nicht gerade überzeugende Chemie mit Cudi lässt das erste Mal erahnen, dass er sich gerade abnutzt. Ich habe diesen Mann jetzt schon NBA Youngboy, Moneybagg Yo und Doe Boy jeweils Goats nennen hören, aber auf diesem Album ist sein kontinuierlicher Größenwahn erstmals aktiv kontraproduktiv. Er akzentuiert Cudis Unsicherheit, die in all seinen rezitierten Rap-Klischees mitschwingt. War der Kerl nicht einmal der Champion der losten und eigenwilligen Weirdos? Wo ist der Lonely Stoner und warum ist da dieser Typ, der unüberzeugend Party macht, während ein eingekaufter Cheerleader nach jedem Track auf mich einbrüllt, wie cool und überhaupt nicht erzwungen das gerade war?
Je mehr Cudi wirkt, als dürfte er eine Weile mit dem Beat alleine sein, desto besser fällt das Ergebnis aus. Das bekommen wir dann auf der zweiten Hälfte zu hören, wo sich ein paar Highlights verstecken. "Funky Wizard Smoke" zum Beispiel spittet Cudi mit einem fast schon nach Three 6 Mafia klingenden Flow über einen organischen Beat. Das klingt auf die beste Art und Weise nach MySpace-Rap von 2010. Das Closer-Doppel aus "Blue Sky" und "Hit The City In My Nikes" fühlt sich super-stimmungsvoll an. Die Atmosphäre wirkt wieder nach Outsider-Party, nach das-Beste-aus-Etwas-machen, nach sad-aber-down-für-alles. Ausgerechnet XXXTentacion und seine überraschend starke Hook machen übrigens auf "X & Cud" die beste Hook her.
Aber diese Tracks sind Ausreißer nach oben. Schlussendlich liefert "Insano" nichts, das den Cudi-Katalog nachhaltig prägen oder beschädigen wird. Ein bisschen wie viele seiner 2010er-Alben, wie "Passion, Pain & Demon Slayin". Es wird ein paar Kids finden, die es verteidigen und das ist auch ok, denn die Highlights klingen wirklich gut und der Rest ist nach einer Weile schnell vergessen. Cudi scheint vor allem kreativ darunter zu leiden, dass ihm inzwischen alle Türen offen stehen und er theoretisch machen könnte und featuren könnte, was und wen er will. So entstehen diese unebenen Alben, die mal hierhin und mal dahin greifen. Aber was ist die Idee dahinter? Was ist dieses "Insano"? Ein Ort? Ein Typ? Ein Zustand? Ein Sound ist es auf alle Fälle nicht.
3 Kommentare mit 4 Antworten
Nicht sein bestes Tape, aber gab auch viel schlechtere…. Für mich sind hier auch mehr als nur zwei, drei Songs replaybar… Mindestens 9+. DJ Drama & Cudi passt aber wirklich nicht zusammen. Get Off Me mit Travis ist mein Favorit auf den Album. 3/5
Nicht mehr als 2-3 Songs replaybar sind schon 3/5 für dich?
Mindestens 9+ Songs sind replaybar. Ja finde schon das 3 gut als Bewertung hinkommt.
Ich habe es bekifft gehört, wie es sich für einen echten Cudi-Fan gehört und aus der Perspektive muss ich leider das sehr uninspirierte und langweilige Mixing erwähnen. Wenn ich z. B. ein Travis Scott-Album höre oder sogar eins von Lil Uzi Vert, flashen viele der Songs nicht weniger durch das Sound-Design und gut gesetzte Effekte. Auch wenn die Texte sinnlos sind und die Beats manchmal monoton sind, es erzeugt einen gewissen Vibe. Cudi ist als Vocalist genauso einzigartig und ein guter Texter, aber auf diesem Album sind 70% der Songs nur er am schnell rappen mit einer Hauptspur in den Strophen und dann wird in den Hooks ein komischer Distortion/Filter-Effekt verwendet, der das Ganze ziemlich billig und schnell voneinander abgrenzen soll.
Man hätte so viel mehr mit diesen Beats und seiner Stimme machen können, und wenn ich Porsche Topless höre, waren die Ideen ja anscheinend zwischendurch da. Wenn er mal jemanden finden sollte, der wirklich gut mixt und mehr Atmosphäre in seine Songs reinbringt, dann kann er wirklich wieder sein volles Potenzial entfalten. Aber das ist bei Kid Cudi immer so ein Gefühl gewesen, jedes Mal dieses Ding, dass es eigentlich besser sein könnte.
Sehe ich auch so. Gerade bei psychdelischen Alben ist das Sounddesign extrem wichtig. Alben wie Astroworld oder Luv is Rage 2 sind einfach die Definition von ear candy. Klar wenn man mit autotune und trap nichts anfangen kann vllt nicht. Aber trotzdem bei LiR2 gibt es einige wenige Songs die mir von der Melodie, flows oder beat nicht mal übertrieben zusagen aber das interessante Sounddesign macht diese halt trotzdem zu einem Hörgenuss.
Manches taugt dann auch gut als Hintergrundmusik. Wird zwar oft negativ konnotiert, kann aber auch eine Qualität für sich sein.
Asap Song ist nice, den Rest höre ich mir mal evtl an.