laut.de-Kritik

Munterer Eigenzitatreigen, frisch und spannend.

Review von

Sapperlot, welche Verjüngungssubstanzen werden im Hause Korn denn neuerdings gereicht? Die Tendenz geht seit dem experimentellen, aber weitgehend missratenen Dubstep-Abenteuer "The Path Of Totality" steil nach oben. Das mittlerweile dreizehnte Album der Burschen aus Bakersfield setzt diesen Trend nahtlos fort. Korn waren stets eine selbstreferentielle Band, aber mit ihrem neuen Werk bescheren sie den Fans quasi ein Best-Of-Album voll neuer Songs.

Möge der muntere Eigenzitat-Reigen beginnen, denkt sich der kalifornische Fünfer, und beginnt mit einem Intro voller Dudelsackmelodien und verzweifeltem Geheule. Letzteres erinnert natürlich an den Schluss von "Daddy". Derlei psychotische Episoden nimmt man Mikrofonschieber Jonathan Davis heute zwar nicht mehr ab, als nette Reminiszenz an das fabelhafte Debüt funktioniert das aber recht gut.

Die vorab schon bekannte Single "Cold" übernimmt den Staffelstab und rödelt auch gleich gut los. Korn tischen alles auf, das den Rest des Albums bestimmen wird: harte Riffs, melodische Refrains, unterschiedliche Vocals von Davis. Von growligem Gerappe bis zu klarem Gesang besitzt der Mann inzwischen eine beachtliche Bandbreite und scheint auch nicht zu altern.

Die Musiker vollbringen dazu das Kunststück, neue Songs bekannt und gleichzeitig frisch klingen zu lassen. Die Anspielungen häufen sich: "You'll Never Find Me" nickt mit einem prägnanten Gitarreneffekt in Richtung "Freak On A Leash", "The Darkness Is Revealing" zitiert den unverkennbaren Beckenschlag aus "Blind". "Can You Hear Me" nimmt mit gekonnt platzierten Synthie-Elementen neben einigen Songs aus der "Untouchables"-Ära Platz.

Sogar die Phase rund um ihr umstrittenes, wenig geliebtes Album "Untitled" streifen die Nu Metal-Pioniere. Sowohl das Interlude "The Seduction Of Indulgence" als auch der Rausschmeißer "Surrender To Failure" hätten auf besagter Platte eine gute Figur abgegeben. Diese Stücke arbeiten mehr mit Atmosphäre und weniger mit Gitarrengeschredder.

Die Hitdichte ist enorm, einprägsame Refrains und griffige Riffs prasseln nur so hernieder. Den Chorus von "Idiosyncrasy" bekomme ich nicht mehr aus dem Kopf, seit das Album zum ersten Mal lief. In diesem Song bringt Jonathan Davis auch folgende schöne Textzeile unter: "God is making fun of me / he's laughing up there, I can see." Wenn sich irgendetwas bei Korn niemals ändern wird, dann die "Mir geht's schlecht und ich bin psychisch vollkommen am Ende"-Lyrik. Davis füllt nun schon Lieder von 13 Alben mit demselben Thema: eine beachtliche Leistung.

Gesanglich probiert er durchaus neue Dinge aus. Die Gesangsmelodie in der zweiten Hälfte von "This Loss" war so noch nie aus Bakersfield zu hören und klingt ungewohnt für Korn-Verhältnisse. Griffe man nur diesen Teil heraus, würde man rätseln, welche Band hier gerade werkelt. Kleinigkeiten wie diese machen Korn auch im 27. Jahr ihres Bestehens interessant und spannend.

Soundtechnisch übernimmt wieder Nick Raskulinecz die Regler, der auch beim letzten Album an Bord war. Das führt zum selben Ergebnis: Die Platte klingt sehr fett, aber das Bass-Geschlabber von Viersaiten-Fraggle Fieldy findet für meinen Geschmack zu oft nur im Hintergrund statt. Das tut diesem frisch klingenden, hörenswerten Potpourri neuer Lieder keinen Abbruch, aber etwas Luft nach oben verbleibt.

Trackliste

  1. 1. The End Begins
  2. 2. Cold
  3. 3. You'll Never Find Me
  4. 4. The Darkness Is Revealing
  5. 5. Idiosyncracy
  6. 6. The Seduction Of Indulgence
  7. 7. Finally Free
  8. 8. Can You Hear Me
  9. 9. The Ringmaster
  10. 10. Gravity Of Discomfort
  11. 11. H@rd3r
  12. 12. This Loss
  13. 13. Surrender To Failure

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12 Kommentare mit 9 Antworten

  • Vor 4 Jahren

    Gute Rezi - aber leider hat Olaf seine Hausaufgaben schlampig bzw. gar nicht gemacht: Jonathan Davis verarbeitet lyrisch den Tod seiner vor Kurzem verstorbenen Frau auf diesem Album - demnach ist’s schon ansatzweise dilettantisch, herzlos und heftig, dem Sänger seine Emotionen bei einem so heiklen Thema „nicht abzunehmen“...

    • Vor 4 Jahren

      Das ist mir alles bekannt und trotzdem finde ich das gespielte, unechte Geheule im Intro aufgesetzt.

    • Vor 4 Jahren

      Also lügt JD Deiner Meinung nach?

      https://loudwire.com/interview-korn-the-no… :

      "On the intro track, “The End Begins,” and at other points throughout the record, Davis can be heard crying, pleading, wailing and screaming in despair and frustration. And it’s not done purposefully for the aesthetic of the album—it’s 100 percent real.

      “I didn’t know that was gonna happen,” he reflects. “I don’t try to fake emotion. That was the first time performing [those lyrics]. I get overemotional sometimes. I don’t try to do that. I don’t wanna fuckin’ cry. It just overtook me. It happens to me live. Do you know how many times I’ve cried on this tour? I’m not Mister Macho. If I have to cry, I cry. I let it out. If you don’t, you build up and get all kinds of other problems. It’d be a better fuckin’ place [if people understood that].”

      Listening to him endure real agony on record is an extremely visceral experience, especially for Davis’s bandmates."

    • Vor 4 Jahren

      Was soll ich dazu sagen? Wenn er das so zu Protokoll gibt, wird es wohl stimmen.

    • Vor 4 Jahren

      Thumbs up! Wahrscheinlich kanntest Du das Interview nicht - versteh' mich nicht falsch - ich finde die Rezension ansonsten gut.

      Schönes WE!

    • Vor 4 Jahren

      "Mikrofonschieber"

      @bIFF ich sags mal so, ähnlich wie Olaf mag ich Jonathan seine Stimme bei Korn nicht immer. 13 Alben und dann sich quasi selbst zitieren mit dem schwierigen Thema, geht für mich auch nicht zu 100 % auf. Ansonsten ist das Album gut und hat seine Momente.

    • Vor 4 Jahren

      Ich verstehe die Aufregung nicht so ganz, denn JD kann das durchaus ernst meinen und den Hörer kann es trotzdem kalt lassen.

  • Vor 4 Jahren

    "Derlei psychotische Episoden nimmt man Mikrofonschieber Jonathan Davis heute zwar nicht mehr ab, als nette Reminiszenz an das fabelhafte Debüt funktioniert das aber recht gut."

    In Anbetracht des Todes seiner Frau kann man ihm das auch jetzt noch abnehmen.
    Ansonsten schöne Review, sehe das alles sehr ähnlich und bin höchst zufrieden mit dem neuesten Output, bestes KoRn Album seit vielen, vielen Jahren.

  • Vor 4 Jahren

    Ich finds ja leider nicht so super. Mir gefällt der Gesang von Davis an vielen Stellen einfach nicht. Nur Cold und Idiosyncracy konnten mich abholen. Aber trotzdem schön, dass es anderen gefällt.