7. Oktober 2013

"Hannover ist großartig!"

Interview geführt von

Eher Geschichte sind die Zeiten, in denen man das Wort Korn weniger mit Schnaps als mit einer der erfolgreichsten Rockbands des Planeten in Verbindung brachte. Immerhin: Das Warten auf den verlorenen Sohn und Gitarristen Brian 'Head' Welch hatte für die treu gebliebenen Fans im vergangenen Sommer ein Ende. Das Reunion-Album steht nun in den Läden.

Köln, Paris, Holland und China in vier Tagen: Anfang August jettet Sänger Jonathan Davis mit Munky und Head um den Globus, um das neue Album zu promoten. Im noblen Hyatt Hotel am Kölner Rheinufer empfängt uns der 42-jährige Korn-Frontmann an einem Montagvormittag.

Und trotz des bevorstehenden Interviewmarathons gibt sich JD gelassen. Beste Bedingungen also, um ein wenig über Heads Rückkehr, "The Paradigm Shift", Soloprojekte und sonstige Zukunftspläne zu plaudern.

Als ich eure neue Platte zum ersten Mal durchhörte, dachte ich immer wieder an "Take A Look In The Mirror", gerade was den Gitarrensound betrifft. Siehst du diese Verbindung auch?

Es ist witzig: Hier in Europa fallen den Leuten immer die Rock-Einflüsse auf. In Amerika spricht man dagegen vor allem über die elektronischen Elemente. Es kommt immer darauf an, wie du es betrachtest. Das finde ich cool. Für uns war "The Paradigm Shift" zumindest wieder was ganz Neues. Wir haben die elektronischen Sachen übernommen, die wir mit "The Path Of Totality" ausprobiert haben.

Doch diesmal haben wir mit der Musik angefangen und das Elektronische anschließend hinzugefügt. Das war der Unterschied. Das Album ist großartig, ich liebe es. Aber insgesamt sind es sogar mehr elektronische Elemente als Gitarren. Das hören nur viele Leute nicht, weil die Riffs aus so vielen Layers zusammengestapelt wurden.

Dann lag ich also falsch, als ich mich über den mächtigen Gitarrensound gefreut habe.

Das sind alles Electronics. (lacht)

Muss wohl an der mäßigen Qualität des Vorabstreams gelegen haben. Ich hatte sogar die Idee, dass die Gitarren bewusst fetter klingen, um Heads Comeback zu unterstreichen.

Ja, das denkt jeder. Aber wie gesagt, in Wirklichkeit sind das Tonnen elektronischer Elemente.

Von außen hatte man durchaus den Eindruck, dass die Platte recht flott entstand - wann habt ihr die Arbeit an "The Paradigm Shift" denn aufgenommen?

Die Band, inklusive Head, hat schon im August 2012 angefangen zu schreiben. Ich bin dann ungefähr im März dieses Jahres dazugestoßen. Die Dinge fügten sich schnell zusammen, in zwei bis drei Monaten waren wir dann durch.

Hat sich die Art zu schreiben mit Heads Rückkehr verändert?

Im Vergleich zu "The Path Of Totality" schon, wie gesagt. Die Band hatte die Musik bereits fertig geschrieben, als ich im März anfing. Bei der letzten Platte saß ich mit den DJs zusammen, und wir haben gemeinsam die elektronischen Tracks geschrieben - und den Rest anschließend hinzugefügt. Bei "The Paradigm Shift" hatten wir Gitarren, Bass und Drums bereits eingespielt, als sich meine DJ-Buddys dransetzten.

War Skrillex wieder am Start?

Nein, mit Skrillex haben wir diesmal nicht zusammengearbeitet.

Hat Head nach seiner Rückkehr generell wieder viele Riffs beigesteuert?

Ich war ja nicht dabei, aber bestimmt. Wobei die Melodien darüber eigentlich eher sein Ding sind. Aber ich liebe die Riffs auf der Platte, Head und Munky haben einfach eine tolle Art zu schreiben. Heads Rückkehr hat definitiv eine gewisse Dynamik zurückgebracht.

Gerade der "Love And Meth"-Hauptriff hat mich schon sehr an die Tage erinnert, als Head noch dabei war.

Oh, ja. Stimmt. Der Riff ist sogar von ihm.

Wie genau lief die Entscheidung in Sachen Heads Rückkehr denn ab? Und ging es anschließend direkt los?

Im Sommer vergangenen Jahres spielte er auf dem Carolina Rebellion Festival diesen einen Song mit uns. Als wir die "Path Of Totality"-Tour dann abgeschlossen hatten, redete Munky noch mal mit ihm. Alles war cool - und im August haben sie direkt angefangen zu schreiben.

"Damals waren wir alle völlig neben der Spur"

Wie siehts denn mit den Lyrics aus - hast du die wie immer komplett alleine geschrieben? Gerade "Love And Meth" deutet ja eher auf Einflüsse aus Heads Geschichte hin.

Ja, er hat den Song so genannt, das war allerdings nur der Arbeitstitel. Aber den habe ich dann so sehr geliebt, dass ich ihn einfach behalten habe. Er hat mich gebeten, den Titel zu ändern, weil dieser so sehr an seine Band Love And Death erinnert. Aber das war einfach ein Geniestreich.

Mit seiner Band hat der Song also nichts zu tun?

Nein, nein.

Wie steht er denn dazu, die Songs aus den Jahren seiner Abstinenz, etwa von "Untitled" oder "See You On The Other Side" live zu spielen? Macht ihm das Spaß?

Ja, ich denke schon. Wir haben allerdings noch keinen Song von "Untitled" gespielt, die Setlists der letzten Tour bestimmten eher unsere Oldschool-Songs. Auf der nächsten werden wir dann natürlich die neuen Songs spielen und insgesamt eher mischen. Mal schauen. Generell gefallen ihm auf jeden Fall auch unsere jüngeren Sachen.

Wenn ihr euer heutiges Tourleben mit dem vor zehn Jahren vergleicht: Wo liegen die größten Unterschiede?

Es ist komplett anders. Niemand ist mehr abgefuckt (lacht). Wir reden miteinander und kommen klar. Diese ganze dumme Drogenscheiße, in der wir damals drinsteckten, ist einfach vorbei. Damals waren wir alle völlig neben der Spur. Aus heutiger Sicht fand da auf jeden Fall eine tolle Entwicklung statt.

Zwischen euch Korn-Mitgliedern bestehen also auch wieder gesündere Freundschaften?

Definitiv. Dank der Tatsache, dass wir nicht mehr alle besoffen und blöd sind.

Du selbst trinkst gar nichts mehr?

Ja, am 22. August sind es 15 Jahre. Ich habe 1998 aufgehört - und danach noch eine ganze Weile zugesehen, wie die anderen sich selbst zerstören. Total verrückt (lacht).

Nehmt ihr manchmal mittlerweile auch die Familie mit?

Ab und zu, aber eher selten. Die Jungs müssen in die Schule und so weiter, daher bietet sich das nicht unbedingt an.

Ihr habt innerhalb der letzten sechs Jahre vier Alben geschrieben. Recht viel, für eine Band in eurem Alter. Denkt ihr nie darüber danach, das Tempo mal ein wenig herauszunehmen?

Nein. Weil wir einfach gerne schreiben. Für viele Bands scheint es gut zu sein, sich mal eine Pause zu gönnen. Aber wir wollen einfach unser Ding machen und spielen. Das ist ein große Sache. Und es macht immer Spaß.

Aber irgendwann muss man doch mal abschalten.

Wir machen ja auch immer wieder Pausen. Aber während dieser Pausen schreiben wir dann eben unsere Platten. Es geht immer weiter.

Ihr habt also noch nie an ein mögliches Ende der Band gedacht?

Nein.

"Eine Reunion mit David wird es nicht geben"

Wie laufen eigentlich deine Soloprojekte nebenher?

In die Richtung mache ich auch noch etwas. Ein Album habe ich fertig, weiß aber noch nicht, wann das rauskommt. Und meine JDevil-Sachen treibe ich auch immer weiter voran. Im Moment muss ich mich aber natürlich wieder für eine Weile auf Korn und die neue Platte konzentrieren.

Head (betritt den Raum und zeigt Jonathan ein Foto auf seinem iPhone): Sorry, aber das muss ich dir einfach zeigen.

(Gelächter)

Jonathan: Fattys und Skinnys!

Head: Das ist zehn Jahre her!

Jonathan: Haha, ich liebe es.

(Head verabschiedet sich wieder)

Er hat mir gerade ein zehn Jahre altes Foto von mir gezeigt - verglichen mit einem neuen. Da sah ich noch etwas anders aus. (lacht) Wenn ich zunehme, sieht man das bei mir eben immer direkt im Gesicht. Wenn wir das heute sehen, bepissen wir uns ständig aufs Neue.

So geht es mir aber auch mit euren offiziellen Fotos: Heute seht ihr jünger aus als früher.

Ja, bei uns läuft das ein bisschen rückwärts.

Fieldy und Head haben vor einigen Jahren bereits ihre Biografien veröffentlicht. Hast du in die Richtung schon etwas geplant?

Das fragen mich so viele Leute. Aber ich glaube, es ist noch nicht an der Zeit, eine zu schreiben. Aber wenn es mal so weit ist, wird sie großartig. Die Leute wollen ja den ganzen Scheiß lesen, den ich durchgemacht habe. Und ich habe wirklich viel verrücktes Zeug erlebt (lacht).

Das wird also wohl in den nächsten fünf Jahren passieren?

Ja, ich freue mich schon drauf.

Ihr habt früher ab und an mit Rappern wie Ice Cube oder Nas zusammengearbeitet. Wird so was mal wieder zustande kommen? Oder bist du kein Hip Hop-Fan mehr?

Nicht wirklich. (lacht) Die goldene Ära - die Neunziger - sind schließlich leider vorbei. Im Moment ist da alles so ...

Trap.

Genau, Crap.

Trap oder Crap?

Crap! (lacht) Ich überlege gerade, ob es noch Hip Hop-Acts gibt, die mir gefallen. Aber für mich ist das alles irgendwie kein Hip Hop mehr. Trap ist ja der neue Shit in Sachen elektronischer Musik. Das ist wohl die einzige Art von Rapmusik, die ich mir noch anhöre.

Mal was anderes: Ihr scheint euch in Deutschland ja recht wohlzufühlen.

Deutschland ist mein absolutes Lieblingsland. Ich liebe es. Unser europäisches Headquarter befindet sich auch in Hannover, wir sind oft dort. Viele Leute behaupten ja, das sei eine Scheißstadt. Wir werden immer ausgelacht, wenn wir über Hannover reden.

Das stimmt, der Ruf könnte besser sein.

Ja, aber das verstehe ich gar nicht. Ich finde es großartig. Genau wie den Rest von Deutschland. Die Menschen, die großen Festivals, alles. Ich habe viele Freunde hier. Unser Tourmanager und unser Soundmann sind auch Deutsche.

Abschließend: Habt ihr auch über eine Reunion in Originalbesetzung nachgedacht, als Head zurückkehrte?

Nein. Das wird nicht passieren. David ist ein großartiger Drummer. Aber wir haben keinen Kontakt. No drama.

Das ist dein letztes Wort in diesem Fall?

Ja.

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2 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 10 Jahren

    Warum wird der Band denn immer wieder die Auflösung nahegelegt ! Man muss auch einfach mal sehen dass für die Leute Musiker auch ein Beruf da ist das numal irgendwann der normale Arbeitszyklus Tour Album. Natürlich werden die nie wieder den großen Wurf hinkriegen aber andererseits sind sie Live immer noch Großartig. Es zwingt einen niemand die Platten zu kaufen und es ist ja nicht so dass sie jetzt so präsent in den Medien sind dass es einem auf den Sack geht. Solange sie nicht anfangen 120 Euro für die Golden Circle Tickets zu nehmen ist doch alles in Butter.

    • Vor 10 Jahren

      Seh ich auch so. Und zwei drei Tracks für das persönliche Korn Mixtape sind eigentlich auf jeder Scheibe drauf, also können die ruhig weitermachen!

  • Vor 10 Jahren

    Ihr habt früher ab und an mit Rappern wie Ice Cube oder Nas zusammengearbeitet. Wird so was mal wieder zustande kommen? Oder bist du kein Hip Hop-Fan mehr?

    Nicht wirklich. (lacht) Die goldene Ära - die Neunziger - sind schließlich leider vorbei. Im Moment ist da alles so ...

    Trap.

    Genau, Crap.

    Trap oder Crap?

    Crap! (lacht) Ich überlege gerade, ob es noch Hip Hop-Acts gibt, die mir gefallen. Aber für mich ist das alles irgendwie kein Hip Hop mehr.

    Ich fühle deinen Pain, Homie!