26. Januar 2004
"Früher war ich ein Heavy Metal-Gitarrist ..."
Interview geführt von Philipp GässleinLaith Al-Deen hat allen Grund zur Freude. Sein drittes Studioalbum sowie sein Nebenprojekt Zeichen der Zeit dominieren gerade die deutschen Charts. Zudem wird der sympathische Halbiraker an der Qualifikation für den Grand Prix teilnehmen. Am Telefon stand er LAUT Rede und Antwort.
Über deine musikalische Richtung wird viel gerätselt. Vor zwei Jahren hast du den Comet in der Sparte R'n'B und Hip Hop abgelehnt, jetzt distanzierst du dich vom Soul. Wie hat deine musikalische Karriere begonnen?
Laith: Tatsächlich habe ich als Heavy Metal-Gitarrist angefangen. Das war der Startschuss, da war ich gerade mal 17. Ein Traum wäre es sicherlich, vielleicht auch einmal eine Heavy Metal-Platte aufzunehmen.
Wie kamst du letztendlich zur Popmusik?
Seitdem sind 14 Jahre vergangen, und ich habe eigentlich alle Sparten kennen gelernt. Ich habe zwei Jahre klassisch gesungen, hatte vor, Jazzmusik zu studieren. Nebenher spielte ich in einer Bluesband, zu Zeiten der großen Chili Peppers-Erfolge auch in einer Funkrockgruppe. Mit Popmusik kann ich mich gut ausdrücken und auch identifizieren. Privat mache ich aber auch viel andere Musik.
Kann man sich in ferner Zukunft auf ein Release in dieser Richtung einstellen?
Könnte ich mir gut vorstellen. Der Erfolg von Sasha/Dick Brave zeigt ja auch, dass man manche Sachen einfach mal ausprobieren sollte. Allerdings dürfte es vielen Fans nicht gefallen, wenn das dann unter dem Namen Laith Al-Deen rauskommt. Aber es wäre echt schade, wenn diese Songs gar nicht erst veröffentlicht würden.
Deine Songs entstehen vollständig durch dich und dein Schreiberteam. Würdest du auch mal ein Stück covern?
Ja, da gäbe es Einiges. Da würde ich sicher eine ganze Platte voll bekommen. Einige Curtis Mayfield-Stücke müssten da drauf, etwas von Robert Palmer und von Johnny Cash. Das letzte Johnny Cash-Album, Akustik mit Gitarre, so was könnte ich mir gut vorstellen. Die Musikrichtungen würden zwar nicht wirklich zusammenpassen, aber genau das würde in meinen Augen den Anreiz ausmachen.
Ist Johnny Cash ein Vorbild von dir?
Na ja, Vorbild wäre etwas hoch gegriffen. Immerhin ist Johnny Cash viel mehr Rock'n'Roll, als ich es jemals war. Aber was ich von ihm kenne, ist eine der ehrlichsten und schönsten Formen der Musik, die ich je erlebt habe. Das hat mich schon beeindruckt.
Wie kommt es, dass deine neue Platte so viel experimentierfreudiger ist als die Vorgängeralben?
Wir haben im kreativen Team einfach mehr gestritten bei der Entstehung (lacht). Bei den letzten zwei Alben haben wir einen Stil zwischen Akustik und Elektronik gesucht, aber ihn nie ganz gefunden. Mittlerweile sind wir da viel näher dran. Bei den Touren ist uns auch aufgefallen, dass das Publikum Laith Al-Deen live fast mehr schätzt als auf Platte. Deswegen wollten wir Elemente aus der Liveumsetzung mit rein nehmen. Und ich denke, das ist uns auch ganz gut gelungen.
Stichwort Grand Prix: Was sagst du zu den Vorwürfen von Dieter Thomas Heck, der Grand Prix bewege sich zu sehr von seinen Wurzeln weg?
Man darf nicht vergessen, dass es auch auf dem Schlagersektor in den vergangenen Jahren starke Entwicklungen gegeben hat. Der Versuch, mal ganz unterschiedliche Musikrichtungen da zu kreuzen, kann der deutschen Musiklandschaft nur gut tun. Man sollte einfach etwas aufgeschlossener sein. Klar weiß niemand, ob sich das letztendlich auch durchsetzt.
Passen Acts wie Sabrina Setlur oder gar Scooter da rein?
Schwer zu sagen. Ein gutes Beispiel sind ja auch Mia, die die Independentecke mit reinbringen. Das sind alles etablierte Musiker, die das, was sie machen, schon lange und geradlinig verfolgen. Ich finde das schon interessant.
Wie schätzt du deine Chancen ein, dich gegen deine Konkurrenz durchzusetzen?
(lacht) Das ist natürlich schwer zu sagen. Die deutschen Texte können einem immer einen Strich durch die Rechnung machen. Vielleicht funktioniert es aber auch. Alle haben das Problem, dass die Nummer nicht länger als drei Minuten sein darf. Wenn jemand wie wir dann schon bestehendes Material hat, muss man es kürzen. Ich denke schon, dass Bands mit einem Publikum, das es gewöhnt ist, für sie anzurufen, einen Vorteil haben. Aber ich lasse mich überraschen.
Du beschwerst dich, du würdest immer wieder aus Kommerzgründen gemeinsam mit anderen deutschen Künstlern in die Schublade German Soul geworfen. Spielst du auf Xavier Naidoo an?
Nein, gar nicht. Ich schätze Xavier als großartigen Musiker. Er hat sich die Sparte ja selbst ausgesucht. Ich suche nach wie vor vergeblich nach einer Definition von German New Soul. Was soll das sein? Soul gab es in Deutschland nie. Eine bessere Bezeichnung wäre vielleicht German R'n'B, aber auch davon bin ich meilenweit entfernt. Deshalb damals auch die Ablehnung des Cometen. Nur weil einer eine soulige Stimme hat, ist er noch lange kein Soulmusiker.
Du arbeitest mit Naidoo und 12 anderen Musikern auch bei Zeichen der Zeit zusammen. Gestalten sich die Aufnahmen bei so vielen unterschiedlichen Charakteren nicht schwierig?
Mit Ausnahme der Single habe ich nicht so viel mit Zeichen der Zeit zu tun. Ich kenne die Jungs zwar alle, weil wir ja alle aus der gleichen Ecke kommen, aber Songs von allen gemeinsam wird es wohl nicht allzu viele geben. Eher Kollaborationen. Ich denke, auf der Platte wird nicht allzu viel von mir zu hören sein.
Mit welchem internationalen Künstler würdest du gerne mal zusammen arbeiten?
Ich darf dieses Jahr endlich mal auf ein Seal-Konzert. Das würde mich schon stolz machen. Seal ist einer meiner Lieblingssänger. Ansonsten ist es eine Frage des Materials. Außer gegenüber Schlagern und megahartem Hip Hop-Zeug à la Megavier bin ich da absolut offen.
Du erzählst von der Schwierigkeit des Christseins - wie wichtig ist Religiosität für dich?
Ich sehe mich als religiösen Mensch, allerdings gehöre ich keiner Konfession an. Ich habe mir mein eigenes Glaubensbild zusammen gezimmert. Eigentlich ist es egal, ob man da religiöse Dogmen mit reinnimmt. Aber ich finde es schön, dass z.B. die Allee der Kosmonauten versuchen, der Jugend über das Christentum Werte zu vermitteln. Das kann allerdings richtig schwer werden.
Fehlt der heutigen Jugend der Glauben?
Es klingt so arrogant, wenn ein Dreißigjähriger das sagt. Man kriegt aber viel Feedback von Jugendlichen, die selbst auf der Suche sind. Das beruht nicht auf Zwang oder Disziplin. Das ist eine Altersfrage. Man muss sich damit selbst auseinandersetzen und sein Ding durchziehen. Das ist heute nicht mehr so einfach. Aber bei vielen fehlt schon etwas, vor allem bei denen, die sich ihre Vorstellungen dann irgendwo anders herholen.
Hast du das Gefühl, die Jugend macht sich generell zu wenige Gedanken heutzutage?
Nein, überhaupt nicht. Ich habe mal ein Interview mit 12- bis 16-Jährigen im Radio mitgehört. Da regte sich doch tatsächlich ein 14-Jähriger darüber auf, was für ein Schund ihm zum Beispiel von VIVA vorgesetzt wird. Das fand ich klasse. Viele Jugendliche lassen sich aber auch vollrieseln, statt sich selbst zu informieren, zum Beispiel im Internet. Ohne zu hinterfragen, was richtig und was falsch ist.
Du sagst, deine irakischen Wurzeln haben keinen Einfluss mehr auf dich ...
Ich war seit 20 Jahren nicht mehr da unten und spreche nicht mal arabisch. Meine ganze Schullaufbahn fand in Deutschland statt, ich bin so deutsch, wie ich es mir nur vorstellen kann. Mein Vater ist kein praktizierender Moslem, insofern habe ich mit der Kultur auch nicht viel zu tun. Ich würde gerne mal ein halbes Jahr dort unten verbringen, aber das ist immer leichter gesagt als getan. Die Geschehnisse 2003 haben mich deshalb auch nicht unbedingt mehr berührt als andere Deutsche.
Was sagst du zur Absetzung vom Saddam?
Da kenne ich eine ganz lustige Geschichte. Ich war auf einer Friedensdemo in Mannheim, wo 5000 Menschen gegen den Krieg demonstrierten und von Irakis angeführt wurden, die für den Krieg waren. Das ist schon paradox, aber es zeigt, wie wenig die Leute hier wissen. Saddam hat 28 Jahre Schreckensherrschaft ausgeübt, und man hat in Europa nur was davon mitbekommen, wenn es mal wieder Krieg gab. Das ist ziemlich heftig, von daher kann man die Iraker schon verstehen. Ob die Amerikaner das jetzt natürlich besser machen, ist fraglich. Es wäre dem Land zu wünschen, dass es irgendwann wieder zu seinen Wurzeln zurückfindet, aber das steht alles in den Sternen.
Laith Al-Deen, vielen Dank für dieses Gespräch.
Das Interview führte Philipp Gässlein
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