13. März 2013

"Wir aschen sogar in den Aschenbecher"

Interview geführt von

Den größten Erfolg verbuchen und seine eigenen Sachen trotzdem immer wieder scheiße finden? Die Menschen verachten, aber trotzdem ein großes Herz haben? Den Rock'n'Roll leben und trotzdem Profi sein? Das is ganz bestimmt Mach One. Bei ihm hat sogar die Bewährung funktioniert."Da ist er wieder, dieser kranke Berliner Wichser!" Ja! Sieben Jahre sind vergangen seit "Meisterstück 1 – Rap gedeiht im Dreck" - sieben lange Jahre, in denen Mach One eine ganze Menge gemacht hat, nur eben kein zweites Soloalbum. Und jetzt kommt er daher als wär nix gewesen! Besser noch: mit "Meisterstück 2 – Rock'n'Roll" fegt er sich gleich mal auf Platz 24 der deutschen Albumcharts, kann ausverkaufte Konzerte verbuchen und auf eine Fanbase blicken, die ihm offensichtlich nicht nur die ganzen Jahre hindurch treu ergeben war, sondern sich inzwischen sogar noch munter vermehrt hat.

Gut - ein paar von denen machen immer noch "abgefahrene Sachen mit dem Unterkiefer", aber ist halt Punkrock. Da gibt's eben noch so was wie Loyalität. Unter Zwillingen übrigens auch. Im Rahmen der "Außen Draußen Tour" spricht das Berliner Urgestein mit uns über seinen "bösen Zwilling" Mo und dumme Menschen, über seinen unerwarteten Erfolg und darüber, was er die letzten sieben Jahre eigentlich getrieben hat.

Backstage München - ca. eine Stunde vor Showbeginn. Mach One und seine Entourage sind jetzt Profis. Der Rock'n'Roll wird ihn vermutlich nie verlassen, aber man muss jetzt auch mal mit einer gewissen Professionalität an die Sache rangehen (siehe Tourblog!). Dazu gehört auch: viel frisches Obst, Gemüse und Salat - natürlich ohne Dressing. Während eine hungrige Meute ungeduldig darauf wartet, sich vor der Show noch aufs Büfett stürzen zu können - allen voran Mo, der sich in regelmäßigen Abständen die Nase an der Scheibe platt drückt - sitzt mir im Cateringbereich ein gutgelaunter Mach gegenüber und knabbert an ein paar trockenen Salatblättern.

Wir befinden uns ja gerade auf der "Außen Draußen Tour" ...

Außen Draußen Tour!

... ein paar Städte habt ihr ja inzwischen schon abgeklappert. Ich hab auch gehört, hier bei euch gibt es Gras, das in den konventionellen Drogentests der Polizei nicht mehr nachzuweisen ist?

Lacht.

Daher meine erste Frage: wo ist dieses Gras?

Und wie komm ich da ran?

Gelächter.

Genau: wie komm ich da ran? Und wie läuft die Tour ansonsten bisher?

Also für die Grasfrage bin ich leider der falsche Ansprechpartner. Wie auch immer das passiert ist: Einer hat einen Drogentest gemacht und der war negativ. Und das zu unser aller Glück, denn der wäre auf jeden Fall seinen Führerschein los gewesen.

Das war der Fahrer, ne?

Ja, das war wieder HOCH professionell! Aber die Tour läuft bisher gut. Das ist ja die erste Tour, die wir machen, und der Booker ist echt ein richtiges Risiko eingegangen. Der ist eigentlich bei einer richtig großen Bookingagentur und die haben gesagt, das machen sie nicht, weil sie nicht dran glauben. Er glaubt aber dran und macht das jetzt auf eigene Faust. Und es läuft jetzt besser, als er dachte und besser als wir dachten. Es macht riesen Spaß und wir sind alle unfassbar zufrieden. Is geil. Flüsternd hinter vorgehaltener Hand: Manchmal auch 'n bisschen anstrengend.

Ja? Fertich?

Mach tönt wieder ganz laut: Geht geht!

Jetzt haste doch gerade erst deine Lungenentzündung überstanden!

Lacht. Ja das haben die Medien ja auch wieder hochgespielt! Das war ja gar nichts!

Nach der VÖ deines aktuellen Albums "Meisterstück 2" seid ihr ja letztes Jahr erstmal auf die "Inne drinne Tour" gegangen - eine Tour, auf der ihr euern Fans das aktuelle Album einfach direkt ins Wohnzimmer gebracht habt. Das Video von "Dis is der Lifestyle" ist ein kleiner Zusammenschnitt dieser Wohnzimmer-Partys. Wie war das denn? Werdet ihr sowas noch mal machen?

Ja wir sind eben auf die Idee gekommen, zu den Leuten wirklich ins Wohnzimmer zu fahren. Bisschen verrückte Idee, aber wir haben sie von Anfang an nicht einmal in Frage gestellt. Als wir dann unterwegs waren, war es dann schon so ein bisschen: Ey, was machen wir hier eigentlich???

Warum?

Naja! Weil wir keine Ahnung hatten, zu wem wir da fahren. Klar, wir hatten 'ne Ausweiskopie und einen Namen und eine Adresse, aber wir wussten ja überhaupt nicht, was jetzt passiert. Hätte einen ja sonst was erwarten können! Aber es waren zwanzig Termine und die waren alle super.

Gab's keine bösen Überraschungen?

Nee. Es gab hier und da schon mal so Locations, wo man dachte: okay. Hier jetzt im Goahaus im ... weiß ich nich mehr wo das war ... Das war schon ganz schön krass. Es gab schon hin und wieder sehr dreckige Orte. Aber mein Gott, ist halt Punkrock. Wir haben den Leuten angeboten, sie sollen sich bei uns melden, wenn sie da Bock drauf haben, und am Ende sind eben die zwanzig Termine zusammengekommen. Denen haben wir dann das Album nach Hause gebracht. Wir hatten eigentlich die ganze Zeit einen Kameramann dabei - jede Woche einen anderen. Aus den Aufnahmen haben wir jetzt erst mal das Video gemacht, aber es gibt natürlich unfassbar viel Material. Wahnsinnig viel Lustiges und wahnsinnig viel Wahnsinniges.

Kommt da noch mal was?

Ja, ich denk schon. Wir haben jeden Tag 30 GB gedreht. Aber nach drei Wochen Tour muss man das dann auch erst mal sortieren.

Sind die Mach One-Fans denn so drauf, wie ihr sie euch vorgestellt oder auch gewünscht habt?

Ich bin immer wieder überrascht. Ich komme ja ursprünglich aus diesem Bass Box Umfeld. Dadurch, dass wir da so verrückte Leute wie Orgi und Arzt usw. dabei hatten, waren damals auf den Konzerten wirklich nur Durchgeknallte. Ich beobachte jetzt, dass wir uns da eigentlich ganz gut rausgewurschtelt haben. Klar hast du immer wieder die Menschen, die ganz abgefahrene Sachen mit ihrem Unterkiefer machen und was weiß ich was in sich reingeballert haben. Aber es sind auch - und da bin ich wirklich immer wieder überrascht - Leute dabei, die so cool sind, dass ich sage, die könnten wirklich aus meinem Freundeskreis sein. Das sind wirklich Leute, mit denen man sich hervorragend unterhalten kann. Cool. Jetzt wo das Album ein bisschen größer geworden ist, ist die Menge natürlich etwas krasser als früher. Gestern z.B. wollten wir eigentlich nach dem Auftritt zum Merch, bisschen Autogramme und Fotos und was man so macht - das ging gar nicht. Die haben da den Tisch fast abgerissen! Es war unfassbar. Keine Ahnung wie lange wir da belagert wurden. Aber wir haben durchgehalten bis zum letzten Menschen!

"Meisterstück 1" ist ja damals, 2005, unter diesem ganzen Aggro Berlin- Zirkus - trotz positivem Feedback - in der allgemeinen Wahrnehmung leider etwas untergegangen. Dann hast du deine Fans sieben Jahre warten lassen bis zum zweiten Teil, woraus man schließen könnte, dass sich da einige inzwischen abgewendet haben. Überrascht dich da dieser Erfolg und die Chartplatzierung von "Meisterstück 2" nicht sehr?

Klar! Das ganze zweite Album kam jetzt eigentlich aus so einem überraschenden Moment. "Meisterstück 1" war Untergrund. Da gab's ja nichts! Keine Promo usw. Wir haben gemacht, was wir damals machen konnten, haben hier und da mal 'ne Werbung geschaltet und versucht, ein paar Interviews zu kriegen. Aber da gab's auch von den Medien noch überhaupt kein Interesse. Wir haben versucht, das an den Mann zu bringen und es hat sich dann trotzdem ganz gut rumgesprochen. Dann hab ich ewig nichts gemacht bzw. habe Freakshow gemacht und hier und da mal so Featurealben, hier und da mal einen Track und ein paar Samplergeschichten ... Aber richtig den Plan gefasst, das nächste Album wirklich anzugehen, hab ich lange einfach nicht. Dann gab es einen Auftritt in Berlin. Ich hab da mit 150, vielleicht 200 Leuten gerechnet, waren dann aber viel mehr. Wir mussten sogar noch ein Zusatzkonzert geben. Das war der Punkt der Überraschung. Da hab ich gemerkt, ich sollte wohl wirklich doch noch mal ein Album machen, denn es gibt echt Leute, die haben da Bock drauf. Daraufhin haben wir uns dran gesetzt und das Ding gemacht. Als es dann so grob dem Ende zuging und ich ungefähr einschätzen konnte, wie das Album wird - das weiß man in der Produktionsphase ja nicht unbedingt immer, was da dann am Ende steht - hab ich gemerkt, dass das Interesse immer größer und größer wird. Wir haben dann die Promo angefangen, alles bisschen auf den letzten Drücker, aber für unsere Verhältnisse alles recht professionell. Lacht. Wir sind ja das wandelnde Chaos! Von dem Erfolg war ich dann schon wirklich sehr überrascht, ja. Es hat sich sogar ein richtiger Hype abgezeichnet - gerade, WEIL es sieben Jahre gedauert hat. Und diese Chartgeschichte war ja überhaupt nicht abzusehen. Da hab ich nicht einen Moment dran gedacht, dass das passieren könnte mit einem Mach One-Album.

"Vor dem Auftritt wird nicht getrunken, hinterher kaum gefeiert."

In den letzten sieben Jahren gab es privat einiges, was dich etwas aus der Bahn geworfen hat. Es gab da diesen Angriff auf dich und dein Leben, der dich in deiner Funktion als Solomusiker eine ganze Weile sehr eingenommen bzw. blockiert hat. War dieser Schritt wieder hin zum Soloprojekt eine allmähliche Entwicklung, oder war da wirklich das Konzert in Berlin das Schlüsselerlebnis?

Im Großen und Ganzen hab ich in den sieben Jahren ja auch immer wieder Tracks gemacht. Es sind auch Tracks auf dem Album, die sind wirklich richtig alt. Klar - diese Stichgeschichte hat mich zurückgeworfen. Ich schätze, das hat sicher zwei Jahre gedauert, bis ich das so weit verarbeitet hatte, dass ich jetzt nicht bei jedem neuen Track, den ich schreiben wollte, wieder an den Scheiß gedacht habe. Was mich aber auch viel aufgehalten hat in den letzten sieben Jahren, war einfach das Thema Miete zahlen. Da braucht man dann neben der Musik noch andere Standbeine, damit man das geklärt kriegt. Ich hab viele Grafiksachen gemacht, hab angefangen Leinwände zu malen usw. Der Hauptgrund, warum das so lange gedauert hat mit dem Album, ist tatsächlich Miete zahlen und Kühlschrank füllen. Die Studiozeit gibt einfach kein Geld - die kostet im Normalfall Geld. Das Thema hat mich schon viel abgehalten vom Arbeiten. Und ja: dann war das Konzert eigentlich so der Schlüsselmoment. Dann hatten wir auch noch mal ein Ding im Yaam, das auch ausverkauft war. Also plötzlich waren die Konzerte in Berlin einfach unfassbar gut besucht. Da war klar: ich muss was machen. Die Leute haben noch Bock drauf.

Erklärst du dir diesen Erfolg denn mit der allgemeinen momentanen Entwicklung des Deutschrap hierzulande?

Ich hab keinen blassen Schimmer, ehrlich gesagt. Klar ist deutscher Rap älter geworden. Ich würde sagen, die Fans haben mehr gehört, haben ein breiteres Spektrum und erkennen vielleicht inzwischen auch genauer, was ich da mache. Es gibt Leute wie K.I.Z und Favorite und JAW, die kamen und Erfolg hatten und grob – ganz grob – eine Richtung anschneiden, in der ich mich auch bewege. Ich glaube schon, dass da die Toleranz gestiegen ist und die Leute viel besser erkennen, was ich da überhaupt mache. Es gibt nämlich auch ganz viele, die jetzt erst auf mich gekommen sind und die Sachen von früher hören und sagen: "Alter, du hast ja schon immer so Musik gemacht - wie konnte ich das die ganze Zeit übersehen?"

Du warst früher ja, wie du auch vorhin schon erwähnt hast, Teil des Bass Box Labels, das du u.a. mit Orgi, Frauenarzt, Basstard und Hengst in deiner Wohnung betrieben hast. Da war jeden Tag full house, jeden Tag Party, jeden Tag Sex, Drugs and Rock'n'Roll. Rock'n'Roll war damals quasi Alltag.

Voll!

Jetzt ist der Untertitel deines Albums "Rock'n'Roll". Wie viel Anteil hat der Rock'n'Roll denn noch an deinem Alltag? Du wurdest schließlich von Jim Morrison zum Auserwählten deklariert.

Lacht. Der bin ich auf jeden Fall! Der Titel ist natürlich auch wieder entstanden in der Produktionszeit, in der ich mich auch gerade aus meiner langjährigen Beziehung getrennt hatte. Da bin ich ein bisschen ausgerastet und wir haben in dieser Zeit auch im Studio wieder ganz schön übertrieben. Wir haben da wochenlang gehaust, Nächte durch Musik gemacht und gefeiert. Da ist der Titel zu recht entstanden. Die Inne drinne Tour, muss ich sagen, war schon auch ganz schön Rock'n'Roll. Wirklich! Das war jeden Abend Hausparty und ausrasten. Jetzt im Moment ist es so: wir sind ja immer nur Do, Fr, Sa auf Tour - nichtsdestotrotz drei Termine, die man durchhalten muss. Dann hatten wir immer wieder Leute, die am Kränkeln waren, dabei und ich hab mich ein bisschen angesteckt. Jetzt haben wir jeden Tag ein bisschen den Kampf mit der Stimme. Vorgestern hat's hervorragend geklappt, gestern hat's hervorragend geklappt und heute werden wir sehen ... Aber wir halten uns wacker. So was muss man jetzt aber natürlich auch mit einer gewissen Professionalität über die Bühne bringen. In der Entourage, der Zusammenstellung von Leuten, in der wir gerade sind, heißt das: wir sind schon wirklich sehr erwachsen geworden. Es wird vor dem Auftritt nicht getrunken, es wird auch hinterher nicht unfassbar ausgiebig gefeiert. Ein paar Leute genießen es sehr, wenn wir nach dem Auftritt mal ein Hotel mit Sauna haben. Es ist sehr gediegen im Moment, muss ich sagen. Wenn die Stimmung mal wieder überschwappt, kann schon auch mal sein, dass die Nächte etwas länger werden und wir sehr viel Zeit am nächsten Morgen mit Aufräumen verbringen (gar nich so richtig Rock'n'Roll). Naja. Aber im Großen und Ganzen ist es sehr gediegen - und wir aschen sogar in den Aschenbecher! Wir versuchen halt gerade überall, wo wir sind, ein möglichst gutes Bild abzuliefern. Weil's die erste Tour ist und weil der Booker was riskiert hat für uns. Wir wollen auch den Leuten, die gesagt haben, sie glauben nicht dran, zeigen, dass wir vernünftige Leute sind, mit denen man arbeiten kann. Wir wollen 'ne professionelle Show hinlegen. Ah - wegen der Show gestern hat grade im Internet jemand geschrieben, es sei zu "routiniert" gewesen. Ja, eigentlich ist das ja ein tolles Kompliment. Lacht. Ich fand's gut gestern, muss ich sagen.

Nürnberg?

Ja. War geil. War echt gut.

Also wirst du deinem Junkie-Image, das du dir mit "Meisterstück 1" und den Interviews drum herum hart erarbeitet hast, gar nicht mehr gerecht?

Mach lacht. Ja: hart erarbeitet! Nee, also eigentlich im Moment nicht.

Is ja auch schon 'ne Weile her, ne? Man wird ja auch mal älter.

Naja, dieses Image, das ich mir da erarbeitet hab – ganz vieles davon ist ja auch wahr. Es gab natürlich wüste Phasen. Aber ich bin ja jetzt auch schon ein bisschen älter. Aber viele von den Sachen, die sich in den Texten immer so unfassbar übertrieben anhören, sind einfach auch so passiert! Jetzt im Moment klappt's aber gerade und da wär's blöd, sich das zu versauen, indem man sich um die Ecke feiert. Das macht einfach keinen Sinn. Da muss man jetzt einfach ein bisschen erwachsener werden und auch ein bisschen Profi sein. Weil dann kann man eventuell auch noch ein Album erwarten!

Jaaa, genau. Kommt bald, ja? Du weißt: wenn du für "Meisterstück 3" wieder sieben Jahre wartest, bist du schon 40?!

Gelächter. Ja stimmt! Dann bin ich schon 40.

Ein Rolling Stone.

Ja, geht dann schon in die Richtung. Nee, wir dürfen uns jetzt natürlich nicht mehr so viel Zeit lassen. Das wär echt blöd. Aber Angaben will ich da jetzt auch nicht machen. Ich hab immer Angaben gemacht und hab sie nie gehalten. Das is Scheiße.

"Menschen sind dumm und gefährlich und hässlich!"

Du bist ungefähr diese sieben Jahre lang auf Bewährung gewesen und nun seit Mitte des Monats wieder ein 'freier Bürger'.

Ja, am 13./14.Januar war das.

Was ist das für ein Gefühl? Beeinflusst dich das in irgendeiner Weise in deinem Verhalten?

Es ändert für mich jetzt erst mal nichts mehr ...

Mo kuckt rein und drängt zum Ende, weil alle endlich zum Essen wollen.

Mach: Ja, wir beeilen uns!

Zehn Minuten!

Mo ganz empört: ZEHN? Ich hab aber Hunger!!!

Is grad so nett.

Mach: ... ich muss sagen, vom Gefühl her ist es geil, weil es endlich durch ist. Es ist nicht mehr dieses Auge auf einen gerichtet. Aber man spricht auch von einer "Nachbewährung": nur weil deine Bewährung jetzt vorbei ist, heißt es nicht, dass du jetzt wieder Scheiße bauen darfst. Die Sache ist aber: in meinem Fall – ich sag's nicht gerne – hat die Bewährung tatsächlich funktioniert. Es war immer wieder Bewährung auf Bewährung und dann wieder Bewährung noch mal auf Bewährung.

Hatte das eigentlich auch was mit der Stichgeschichte zu tun?

Nee nee. Ach! Das waren alles irgendwelche Blödsinnssachen! Besoffen auf 'ne Motorhaube gelegt, da mal 'n Graffiti, dies und das ... irgendwelcher Suffblödsinn. Aber dadurch, dass ich jetzt so lange auf Bewährung war, hab ich jegliches Interesse an Scheißebauen verloren. Ich muss LEIDER gestehen: es hat funktioniert. Irre bleiben wir trotzdem, aber man muss jetzt nicht rumlaufen und riskieren, dass da noch mal irgendwas passiert. Hab ich keine Lust mehr drauf. Vor allem hab ich auch das Gefühl, ich hab jetzt wirklich was zu verlieren. Ich mach so viele Sachen und die funktionieren gerade endlich. Ich hab das Gefühl, diese Zeit, in der ich nichts anderes gemacht habe als Künstler zu sein, mich auf meine Fähigkeiten zu konzentrieren und zu lernen und besser zu werden, zahlt sich gerade aus. Ich will das nicht aufs Spiel setzen. Es fühlt sich jetzt, wo die Bewährung vorbei ist, also nicht so krass anders an. Es ist einfach nur vorbei, vom Tisch.

Auf Facebook hast du ca. 80 Glückwünsche zu deinem Bewährungsende bekommen und auch jeden einzelnen gelikt. Warum postest du das?

Da ging's in erster Linie um Norbert. Ich hab in einem Track Norbert erwähnt, meinen Bewährungshelfer. Der heißt tatsächlich Norbert. Da hab ich geschrieben, mein bester Freund ist mein Bewährungshelfer ... Einseits hab ich's deshalb gepostet, andererseits, weil's mich einfach gefreut hat. Da ich ja eh jemand bin, der sehr viel von seinem Leben in die Musik packt und das ein Ereignis in meinem Leben ist – einen Track drüber machen, macht kein Sinn – fand ich das okay. Es gab ja Leute, die sich dann beschwert haben von wegen "krasser Gangster" usw. So war das überhaupt nicht gemeint.

Ja, da gab's ja einen, der richtig erzürnt darüber war und meinte, so 'ne Bewährungsstrafe wäre ja nun nichts, mit was man sich brüsten sollte.

Das war auf keinen Fall "brüsten". Versteh ich auch nicht ganz, wie das so ankommt bei Leuten. Ich hab mich einfach nur gefreut, dass es vorbei ist. Ich hab mich öffentlich gefreut.

Hat dich das geärgert?

Nee, aber ich hab mir zwischenzeitlich sogar überlegt, ob ich den anschreibe und ihm sage: "Hey, versteh das nicht falsch. Ich mach hier nicht auf Gangster. Ich freu mich einfach nur."

Wenn du dich als Vorbild sehen würdest, dann inwiefern?

Ich bin ein hervorragendes Beispiel dafür, dass man, wenn man an sich glaubt und hartnäckig bleibt und an sich arbeitet, es auch schaffen kann. Ich hab keine Ausbildung gemacht, nichts, mich immer nur auf meine künstlerischen Aktivitäten konzentriert und bin damit durchgekommen. Das ist aber auch ein sehr riskanter Weg. Ich bin mein größter Kritiker. Die Sachen, die ich mache, finde ich eigentlich immer scheiße. Darum arbeite ich aber auch so hart dran, weil ich immer versuche, mich selbst zu überzeugen. Ich glaube, es gibt viele Menschen, die ihr eigenes Können nicht einschätzen können. Bei vielen Leuten läuft das anders als bei mir. Die denken zu schnell, dass das, was sie da machen, gut ist. Und dann ist es natürlich gefährlich. Ich kann nicht einschätzen, inwiefern das, was ich aus meinem Leben und richtig "von mir" in die Tracks packe, die Leute weiter bringt. Aber ich krieg viele Mails von Leuten, die sagen, meine Musik hilft ihnen über Scheiße hinweg. Das ist natürlich cool.

Bist du eigentlich im Allgemeinen eher ein Menschenfreund oder Menschenfeind?

Das ist auch wieder ganz zwiespältig bei mir. Ich bin sehr offen mit Menschen. Sehr. Und es gibt auch immer wieder Menschen, die ich sehr schnell in mein Herz schließe und auch sehr schnell dann gerne mit in meinen Freundeskreis aufnehme. Ich habe auch einen riesengroßen Freundeskreis. Man müsste also eigentlich eher davon ausgehen, ich bin ein Menschenfreund. Ich geh auch sehr optimistisch auf Menschen zu und für mich ist jeder erstmal cool, bis er halt Scheiße gebaut hat. Aber dann bin ich auch ziemlich konsequent. Wenn sich jemand menschlich scheiße verhält, dann kommt's darauf an, wie krass das war: entweder ist er sofort weg oder es gibt 'ne Ansage - das ist dann so die letzte Chance. Mit scheiß Menschen hab ich mich lange genug umgeben, da hab ich einfach keinen Nerv mehr für. Ich hab aussortiert und es ist immer noch ein sehr großer Kreis übrig geblieben – zumindest so der weite Kreis. Dann gibt's natürlich noch 'nen engeren und engeren und engeren Kreis. Aber – den Mensch als solchen mag ich eigentlich nicht. Menschen sind in großen Mengen einfach dumm und gefährlich und hässlich und schlimm.

Und Mo? Würdest du den mit auf eine einsame Insel nehmen?

Oh Gott! Wir würden uns die Köpfe einschlagen!

Er hat sich vorgestellt als dein "böser Zwilling".

Er ist der böse Zwilling und ich der gute. Mo ist ein super Typ! Er hat natürlich auch sein Kreuz zu tragen ... lacht ... wie ich und jeder andere Mensch eben auch. Alle haben 'ne Macke, es dauert nur manchmal ein bisschen länger bis man rausfindet, welche es ist. Aber das macht einen Menschen ja auch so sympathisch und einzigartig. Mo und ich – ey – wir sind einfach ein gutes Team. Wir sagen uns ganz klar: was geht, was geht nich. Wir haben beide, was Menschliches angeht, ein sehr ähnliches Ideal, sagen uns aber auch, wenn wir der Meinung sind, dass es nicht eingehalten wird. Wir geraten schon immer mal aneinander, quatschen uns dann aber aus und dann ist es weg. Dann liegen wir uns in den Armen und haben feuchte Augen.

Und Flexis?

Flexis – auf den ersten Blick ein riesen Arschloch, aber echt ein korrekter Typ. Er ist ein sehr professioneller Rapper, sehr, sehr zielstrebig und hartnäckig und ausdauernd. Mann, der rappt schon immer! Ich find's gut, dass er jetzt das Soloding macht und wünsch ihm nur das Beste.

Du hast es geschafft, das Urgestein Taktloss als Feature auf dein Album zu holen - ist das ein Statement nur ihn auf deinem Album zu haben? Oder steht ihr euch auch menschlich nahe?

Ich mag Taktloss sehr. Ich mag ihn auch menschlich sehr. Wir sehen uns sehr selten. Das liegt, glaub ich, in erster Linie daran, dass ich zu verpeilt bin, mich da öfter mal zu melden usw. Ich mag ihn aber auch als Künstler und klar war das ein Statement, nur ihn da drauf zu packen. Das war zwar eine längere Entwicklung. Es gab natürlich erst einen Haufen Features, dann kamen viele, die meinten, sie fänden es viel geiler, wenn ich gar kein Feature mache, und dann ist in mir so der Gedanke gereift, dass ich es super fände, nur Taktloss draufzupacken. Weil es ein Statement ist. Weil es ein Statement ist, zu dem, was ich denke, wo Rap herkommt und wo er hingehört.

Einen gewissen Kultstatus hast du in Berlin ja auf jeden Fall, aber warum bist du eigentlich nicht der gefeiertste Rapper des Landes?

Lacht. Weil Menschen einfach ... - was hab ich vorhin gesagt? - ... dumm und hässlich und gefährlich sind!

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