13. Mai 2014

"Es kostet mich Mut, das rauszubringen."

Interview geführt von

Mit der Remix-Platte "Zwei" führte Maeckes kürzlich einen 2009 gestarten Zyklus fort. Trotz aller Verschrobenheit funktioniert der Release nicht nur als Zeitvertreib bis zum nächsten Solo-Album, sondern auch als lohnender Einblick in sein experimentelles Skizzenbuch. Nicht der einzige Grund, das Orsons-Mitglied vor seinem Auftritt im Kölner Gloria abzupassen.

Die Gitarrentour 2014 brummt: Bestritt Maeckes seine eigenwilligen Soloshows vor einem Jahr noch überwiegend ohne Bühne, füllt er das geräumige Theater Gloria heuer gleich zweimal in Folge. Zwischen Abendessen und Stagetime unterhalten wir uns über das Konzept der Show, die neue Platte, die Arbeit am kommenden Orsons-Album und politischen Rap.

Erst mal würde mich interessieren, warum es "Zwei" mal wieder nicht auf Vinyl gibt.

Das interessiert mich auch immer. Bei "KIDS" [2010, d.Red.] war es uns zum Beispiel noch zu teuer. Da hatten wir die Mittel einfach noch nicht. Als nächstes kam es bei "Manx" in Frage. Dann dachte ich: Eigentlich hätte ich schon gerne ein Album auf Vinyl, bevor ich es bei den EPs mache. Irgendwie war nichts gut genug dafür. Daher wurde das ewig auf Eis gelegt. Aber eigentlich träume ich von einer Vinyl-Re-Edition aller Sachen, zumindest in kleiner Auflage. Damit es zumindest "KIDS", "Manx" und vielleicht auch "null"-"eins"-"Zwei" auf Vinyl gibt. Ich selber hör auch gerne Vinyl, daher macht mich das Ganze ein bisschen traurig.

Langsam würde es sich ja lohnen.

Ich glaub auch. Voll. Wenn man da so kleine Serien macht, gehen die bestimmt gut.

Jeder Song auf "Zwei" basiert nach deinen Angaben auf einen Vorgänger von "null" bzw. "eins". Meistens ist das auch recht gut nachvollziehbar. Nur die Brücke von "Zwischen" zu "Olympia Puke" konnte ich nicht finden.

Oh, journalistisch sehr gut den Finger in die Wunde gelegt. (grinst)

Waren die beiden einfach noch übrig?

Nee, auf "null" war "Zwischen" ja eine Collage aus lauter Zwischengeräuschen anderer Lieder, die nicht weggekillt wurden. Das war der Ursprung. Daraus hat irgendein Typ aus dem Internet einen Beat gemacht, den ich dann auf "eins" berappt habe. Für mich war "Zwischen" immer ein Zwischenstand dessen, was mich gerade an Musik interessiert. Das ist das Bindeglied, das in meinem Kopf Sinn macht.

Damals war das halt: unperfekte Stellen suchen und Klangcollagen daraus machen. Bei "Zwei" habe ich dagegen so viel rumgesungen und experimentiert, dass ich voll Bock auf Rap hatte. Dann hatte ich den einen Slot für meinen Zwischenstand frei. Edgar Wasser feier ich sowieso. Und der Beat sollte dann einfach ein Brett sein.

Du hast es bereits selber angesprochen. In letzter Zeit experimentierst du viel mit deiner Stimme herum, singst und hauchst, anstatt einfach zu rappen. Ist es bei dir ähnlich wie bei Tua: dass dich das klassische Rappen langweilt?

Nee, es ist eher ... Nee, wenn Rap gut gemacht ist, langweilt er mich nicht. Ich finde halt weniges geil. Ich glaub, wenns mehr geiles gäbe, wär ich auch mehr in der Welt drin. Aber so picke ich mir eben nur ein paar Sachen raus. Und dieses Singen kommt einfach daher, dass ich mich mit mir selbst langweile – und verschiedene Sachen ausprobiere. Dabei hatte ich eben eine Phase, in der ich alles sehr viel ruhiger angegangen bin und ganz nah am Mikro war.

Vieles sprichst du ja auch doppelt ein.

Ja, es geht. Kommt immer drauf, wie voll der Beat ist.

Du betonst immer wieder, dass du dich als Produzent noch in der Lernphase befindest. "Zwei" klingt dafür erstaunlich wenig zeitgeistig. Wie vermeidest du es, bei anderen Leuten abzukupfern?

Das Eigene bestimmen immer die eigenen Präferenzen. Ich weiß ja, was ich für Snares mag, was ich für Sounds mag, wie ich Sampling mag, und so weiter. Wenn man das über Jahre macht, kristallisiert sich da schon irgendwas raus. Gerade wenn man sich auch traut, dem zu folgen, anstatt allzu viele Einflüsse aufzunehmen, die gerade modern sind.

Technisch lerne ich aber immer noch sehr viel. Für mich ist die ganze "null"-"eins"-"Zwei"-Serie ja wie eine Skizzensammlung, die ich öffentlich mache. Ich würde nie ein derartiges Album machen. Das ist quasi links und rechts außen. Ich würde so was wie "Sägeblatt" bzw. "Herz Voller Wespen" nie auf ein Album packen. Aber bei dieser Serie hat es mich dorthin getrieben - und dann mach ich das eben. Ich will auch ein bisschen die Schwachstellen rausbringen. Das ist der Ursprungsgedanke. Das finde ich daran so interessant. Und es kostet mich wirklich Mut, das rauszubringen. Weil ich mir denke ...

Weil es so unperfekt ist.

Genau. Und weil ich ja weiß, wie die Erwartungen sind. Mit denen beschäftige ich mich schon auch. Aber ich finde es gut, nicht das fette Produkt abzugeben, von dem man weiß: Okay, da hab ich alles auf den Punkt getroffen. Sondern so ein Wischi-Waschi-Projekt rauszubringen. Das gibt es heutzutage kaum mehr, weil alles nur noch hochoptimiert bis ins Letzte ist. Aber ich merke auch, wie ich mich danach sehne, wieder ein Album zu machen und alles on point zu haben. Das war bei "Zwei" so schwierig. Aber ich hab das eigentlich sowieso alles vor zwei Jahren gemacht.

Der ersehnte "KIDS"-Nachfolger wird also kommen?

Ja. Ich arbeite schon dran.

Wirds wieder ein Konzeptalbum?

Nicht so sehr. Nicht so 'ne Welt. Im Endeffekt möchte ich das für mich beste Maeckes-Album auf den Punkt bringen. Mit eigenem Sound und allem, was ich da drin haben will.

Du hast nach eigenen Angaben auch deswegen mit dem Produzieren angefangen, weil du dich von den gepickten Beats eingeschränkt gefühlt hast. Wirst du dennoch mal wieder etwas fremdes berappen? Mit den Orsons habt ihr bei "Für Immer Berlin" zumindest einen Dirty Dasmo-Instrumental verwendet.

Aber das haben wir im Endeffekt auch wieder selber gebaut. Da haben wir nur ein Sample drin gelassen. (lacht) Ich will das nächste Album auf jeden Fall nicht alleine produzieren. Aber ich will mit dabei sein.

"Wenn ich zu gut werde, mache ich eben Maeckes-Klavierkonzerte."

Lass uns über die Gitarrenkonzerte sprechen. Bei einem Blick auf den Tourplan oder die heutige Location stellt sich natürlich die Frage: Wird es nicht langsam zu groß, um seinen Charme zu behalten?

Na, klar. Das ist die Hauptfrage. Und das war auch meine Hauptangst vor dem ersten Gig. Auf der letzten Tour haben wir den letzten Gig in Stuttgart testweise größer gemacht. Da hatten wir so die Größe, in der es jetzt auch ist. Davor war ich eigentlich überzeugt, dass das nicht funktioniert. Und eigentlich wollte ich auch ein normales Rap-Konzert spielen, als ich mir die Halle angeschaut hab. Ich dachte: Okay, das müssen wir gar nicht versuchen.

Dann habe ich es aber ausprobiert. Und es hat funktioniert, dass ich trotzdem noch diesen privaten Moment habe. Die Leute sitzen mir jetzt zwar nicht mehr auf dem Schoß. Aber dieses Nahe, Intime und Unsichere ist immer noch da. Und das macht es ja aus. Das war für mich das wichtigste Kriterium. Wenn ich das bei den ersten Konzerten nicht gespürt hätte, wäre ich selber sehr traurig gewesen. Es ist dieses Jahr aber schon anders, gerade weil ich immer ganz klar eine Bühne hab und diese bespiele. Es ist viel theatraler als in so 'nem Hinterzimmer.

Wird mal wieder der ein oder andere Gast vorbeischauen? Oder möchtest du diese Einsamkeit auf der Bühne beibehalten?

Für das Gesamtkonzept auf jeden Fall, ja. Ich bin alleine. Aber wenn sichs anbietet ... Ich hab im Vorfeld mal gefühlt, was in den Städten so geht und ob irgendjemand Bock hat. Da kanns schon sein, dass ich den ein oder anderen Gast abchecke.

Eine weitere Gefahr lauert ja darin, dass du durch die viele Übung irgendwann doch gut singen und Gitarre spielen kannst. Gibst du dir Mühe, das möglichst anfängerisch zu halten?

Nee, ich wills nicht künstlich klein halten. Aber ich sag das auch den Leuten, die mehrere Gitarrenkonzerte besuchen: Ich werde besser, weil ich mehr übe. Ich versuch dann natürlich an das Level zu kommen, an dem ich wieder nicht weiterkomm. (lacht) Und wenns irgendwann zu gut wird, mach ich halt Maeckes-Klavierkonzerte – und fang nochmal bei Null an. Klavier kann ich überhaupt nicht. Da kann ich noch einige Touren spielen.

Und wie läuft es mit dem Verkuppeln zweier Zuschauer? Hast du mittlerweile ein Pärchen ausfindig gemacht, bei dem du erfolgreich warst?

Auf dieser Tour verkuppel ich gar nicht mehr. Das war letztes Jahr. Das fand ich eigentlich immer geil. Allein die Vorstellung, dass die sich halt nachher in der Pause treffen. Das ist alles so merkwürdig. Gleichzeitig unangenehm, aber irgendwie auch schön. Das find ich nach wie vor gut, aber ich wollte auch mal wieder was anderes machen.

Letztes Jahr hast du die Leute gebeten, dich nicht zu filmen. Klappt das oder musst du das ein oder andere Mal eingreifen?

Dieses Jahr habe ich dem Ganzen sogar ein Lied gewidmet. Ein Segment des Gitarrenkonzerts beschäftigt sich damit. Insgesamt wird aber nicht so viel gefilmt - also wenn ich zum Beispiel ein Orsons-Konzert mit einem Gitarrenkonzert vergleiche. Und selbst wenn ich ein Orsons-Konzert mit anderen vergleiche, wird bei uns nicht so krass gefilmt.

Bei den Gitarrenkonzerten sind schon viele für den Moment da. Die Lieder gibts nicht auf Platte. Da gehts nicht darum, irgendwas zu konservieren. Ich möchte einfach jedes Jahr eine Tour machen und die Lieder nur in dem Moment haben. Das sehen viele genauso, glaube ich. Und denjenigen, die ihre Handys rausholen, verbiete ich es.

Aber generell nimmt die Filmerei ja schon langsam überhand. Ist das nicht auch dann unangenehm, wenn es nur 20 Handys sind, wie etwa bei den Orsons?

Na ja, wenn du mit vielen Leuten auf 'ner Bühne rumspringst, ist es nicht so krass, wie wenn ich beim Gitarrenkonzert jedem in die Augen schau. Das Ding ist: Man guckt das nie wieder an. Man zeigt das niemandem. Man hat das einfach nur als Bestätigung dafür, dass man da war. Nichts anderes passiert damit. Das ist wirklich das Bescheuertste. Das sollte man nicht machen. Das ist vergeudete Zeit.

"Kaas' Soloprojekt: Er lässt sich seine Haare wachsen."

Du hast in einem Interview erwähnt, dass dir bei perfekt durchgeplanten Livesets schnell langweilig wird. Genau so war es aber doch bei den Orsons - und da habt ihr ja wahnsinnig viel gespielt.

Allerdings gibt es bei den Orsons immer Faktoren, die dann doch Chaos reinbringen. Kaas zum Beispiel. Da weiß man nie. Es gab Auftritte, wo er betrunken Dinge umgetreten hat und dann wutentbrannt von der Bühne gegangen ist. Da haben wir das Konzert dann zu dritt gespielt. Oder er meditiert auf einmal nur noch, oder was weiß ich. Das finde ich lustig: wenn ich nicht genau weiß, was da passiert.

Zum anderen: Wenn man im Sommer Festivals spielt, ist man ja nicht die ganze Zeit auf einem Haufen und spielt das am Stück. Da freut man sich dann immer darauf, die Dinger am Wochenende zu spielen. Da ist es sogar schön, eine gewisse Routine in der Show zu haben. Das ist dann irgendwie cool.

Darf man dich fragen, wie es bei den Soloprojekten von Bartek und Kaas läuft?

Da müsst ihr Bartek und Kaas fragen. Ich glaube, Kaas' Soloprojekt ist es, sich Haare wachsen zu lassen. Das klappt ganz gut. Der hat jetzt so lange Haare wie Bartek. Und Bartek macht, glaube ich, viele Sachen. Wie spruchreif das ist, weiß ich nicht. Aber er ist viel im Studio.

Aber ihr arbeitet auch fleißig mit den Orsons.

Genau.

Als wir uns vor eineinhalb Jahren hier im Gloria zum Interview getroffen haben, stand nach euren Angaben noch in den Sternen, ob es bei den Orsons direkt mit einer neuen Platte weitergeht. Wann war euch denn klar, dass es klappen könnte?

Ich glaub, als wir den ganzen letzten Sommer eine Milliarde Festivals gespielt haben, anstatt uns im Studio die Köpfe einzuhauen. Wir waren einfach als kleine Familie unterwegs. Da haben wir gesehen, dass wir unfassbar gerne zusammen sind. Viel lieber als Musik zu machen hängen wir einfach miteinander rum. Das war auch der Ursprung der Orsons. Und dann haben wir schon gesagt, dass wir gerne erst mal noch ein Album machen wollen.

Beim letzten Album war es ja so: Die ersten sieben Achtel der Produktionsphase waren krass nervig. Und im letzten Achtel hatten wir uns dann gefunden. Die letzten Sachen, die wir gemacht haben, haben uns auch am besten gefallen. Herauszufinden, was die Orsons denn machen, wenn sie nicht nur Opposition sind, war ein sehr langer Prozess. Aber das haben wir geschafft. Auf "Das Chaos Und Die Ordnung" fanden wir ein paar Sachen gut und ein paar Sachen nicht so gut. Daher haben wir gesagt: Daran könnten wir eigentlich anknüpfen.

Läuft es jetzt denn tatsächlich flüssiger als damals? Oder ist es wieder ein großer Kampf?

Eigentlich schon, ein Kampf ist es immer. Weil einfach völlig unterschiedliche Menschen und Egos aufeinander treffen, die alle eine völlig andere Vorstellung von Musik haben. Aber es geht ganz anders. Wir wissen halt, wie wir das machen können. Und dass man uns nicht in einen fensterlosen Raum setzen kann – und sagen: "Macht jetzt Musik." Das wird nie im Leben funktionieren. Für die neuen Sachen waren wir immer in der Pampa, in einem alten Haus mit Studio unten drin. Man wohnt irgendwo im Niemandsland und jeder hat seine eigene Workstation.

Du bist einer der wenigen Rapper, den man mit einer gewissen politischen Haltung verbindet und der das auch ab und zu zum Anklang gebracht hat. Was erwartet uns da in der Zukunft?

Ich finde es nach wie vor schwierig, klare Positionen zu beziehen. Sachen anzusprechen finde ich nicht schwierig. Aber klare Positionen und Musik greifen nicht so gut ineinander, wie man vielleicht denkt. Man denkt immer, Musik sei eine Protestkultur. Aber immer wenn das aufeinander trifft, wird es in irgendeiner Form schrecklich. Weil Musik dann doch eine etwas freiere Kunstform ist.

So bald man versucht, diese festzunageln oder ein politisches Pamphlet zu singen, wird es es schwierig. Es ist sofort ein komisches Zeigefinger-Gefühl da. Oder man denkt, die Musik wird missbraucht. Es ist leider sehr viel schwieriger, als man im ersten, romantischen Moment denkt. Dennoch will ich ganz klar all das, was an Gedanken eben so da ist, mit in die Musik retten. Und das werde ich bestimmt auch weiterhin machen. Ich such nur immer noch nach Formen.

"Pisse Aus Weingläsern" wäre so ein Beispiel. Auch wenn der Text eher unkonkret ist.

Genau. Wenn es ein Gefühl oder eine Wut oder sonst irgendwas hat, finde ich das gut. Auf jeden Fall.

Zum Abschluss: Ein Freund von mir meinte gelesen zu haben, dass Baauer mal dein Lieblingsproduzent war. Ist da was dran?

Nee, das stimmt nicht. Als das Trap-Zeugs aufkam, fand ich das alles super. Ich mag so Bass-Musik. Ich hab auch "A Millie" immer gemocht, das ist ja dasselbe Gefühl. Aber aus diesem richtigen Trap-Baauer-Zeug bin ich irgendwie wieder rausgewachsen. Wen find ich denn gut? Flume mag ich. Aber es gibt jetzt nicht den Produzenten, den ich mag. Ich hör mir viel an, aber das ist bei mir auch viel technisches Hören. Und viele Einflüsse krieg ich da auch von Tua, der irgendwelche nerdigen Soundtüftler-Sachen hört und mir zeigt. Ein laufendes Tua-Tutorial.

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