laut.de-Kritik
Die Gefühle haben Schweigepflicht? Oh, nein!
Review von Kerstin KratochwillPassend zum Pride Month Juni erscheint mit "Bunter Planet" das neue Werk von Gay-Ikone und Schlagerpop-Star Marianne Rosenberg: Das 22. Album, dessen Coverartwork schwer nach den KI-Ergebnissen auf die Schlagworte "bunt", "Planet" und "Gefühl" riecht, ist musikalisch genauso generisch geraten wie die Grafik.
Die als Club- und Disco-Songs verpackten Songs wollen eine freie Gesellschaft und freie Liebe feiern, was natürlich grundsympathisch ist – genauso wie Marianne Rosenberg selbst, die sich nach 50 Jahren im Musikgeschäft immer wieder neu erfunden hat. Doch ist sie nun im immer gleichen Schlagerpop-Sumpf stecken geblieben. Darin suhlen sich derzeit viele gerne, nicht nur die Gen Z hat das Genre wiederentdeckt, auch Pop-Legenden wie die Pet Shop Boys widmen ihm auf ihrem Album "Nonetheless" mit "The Schlager Hit Parade" eine Lobeshymne.
Der seichte und geschmähte Sound ist raus aus der Guilty-Pleasuere-Ecke, die offen vor sich hergetragene Gefühlsduselei wird nicht mehr als kitschig empfunden, sondern als befreiend. Eine These für den momentanen Schlager-Hype besagt, das Genre grenze niemanden aus. Zumindest gilt das für die positive, nicht-sexistische Version, die absolut positive Variante, für die auch Marianne Rosenberg steht. Deren Gefühlsthematisierung ist in Titeln wie "Ich An Dich", "Liebe Spüren" oder "Lass Die Liebe Gewinnen" omnipräsent - eine Überdosierung erscheint unmöglich.
Beim Anhören der doch ziemlich gleich gestrickten "Klingt wie"-Songs (obwohl Rosenberg bewusst viele junge Song-Schreiberinnen wie Namika oder Leslie Clio mit an Bord holte) wünscht man sich, zuweilen hielten sich die Beteiligten textlich an den Hit-Titel "Die Gefühle haben Schweigepflicht" von Kollegin Andrea Berg.
Ob Pop, der moderner Schlager ist oder Schlager, der moderner Pop ist: Die Botschaft auf "Bunter Planet" ist Liebe und Optimismus. Und so heißt es im Titelsong: "Wir werfen Blumen gegen Kriege, dürfen jeden lieben (...) Bunter Planet, ich kann ihn schon sehen." Man kann darüber lächeln, man kann aber auch mit John Lennon antworten: Imagine.
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