laut.de-Kritik
Allergie gegen Jacken? Ein Fall für den Musikdoktor.
Review von Giuliano BenassiMarillion - eine Band, die seit 18 Jahren Musik macht und allen geballten Widerständen zum Trotz immer noch neue Alben veröffentlicht. Mit "Anoraknophobia" liegt nun ein Werk vor, dessen Titel ebenso verwirrend klingt wie der musikalische Inhalt. Haben sie Angst vorm Skifahren? Sind sie von Personen in jugendlichem Outfit vermöbelt worden? Haben sie eine Federallergie? Oder haben sie einfach zuviel "South Park" in ihrer Freizeit gesehen?
Zugegeben, die Jungs geben sich Mühe. Das Album klingt von Anfang an sehr ehrgeizig, doch hört man am Ende nichts als mit Gitarren und Keyboards überladene und nicht enden wollende Songs, denen auch die hallende Stimme von Fish-Nachfolger Steve Hogarth keine überzeugenden Hooklines geben kann. Hier und da ein paar moderne Anleihen an den Sound von The Verve und Radiohead, aber außer einer süßen Weinerlichkeit des Gesamtklangs über die Herzlosigkeit der neuen Zeit (exemplarisch: "This Is The 21st Century") bleibt wenig Erinnernswertes.
So zieht sich allein durch die vier ersten Songs des Albums kein erkennbares musikalisches Konzept: nicht nachvollziehbare Breaks und monotone Gesangsmelodien, die das bereitwillige Zuhören nicht gerade leicht machen. Allein das düster-dräuende "Fruit Of The Wild Rose" überzeugt mit seinen Bluestupfern und seiner dichten Atmosphäre. "Separated Out" bringt es letzlich sprachlich und musikalisch auf den Punkt - "I need medical attention", und zwar den Musikdoktor. Doch dessen Diagnose und Prognose dürften kaum allzu positiv ausfallen, denn die Band schleppt sich asthmatisch von Song zu Song, ohne die Heilung vor Augen zu haben.
Letztlich erweist sich die Platte als so orientierunglos, dass man sich kaum vorstellen kann, was die Band eigentlich noch künstlerisch erreichen möchte. Vielleicht ist dies ein letztes Dankeschön an diejenigen Fans, die Marillion jahrelang treu begleitet haben. Das Album kam erst auf den Markt, nachdem 12.000 mitfühlende Fans sie über das Internet reserviert und Geld für die Produktion überwiesen hatten. Klingt ganz danach, als müsste das Selbstbewusstsein der Band demnächst auch noch auf der Psychiaterbank Platz nehmen, das Anorak-Problem könnte man bei der Gelegenheit ja gleich gleich mit lösen. Eine neue Fangemeinde werden sie sich mit "Anoraknophobia" kaum erspielen können, und für den Marillion-Fan, der die vier ersten grandiosen Alben schätzen gelernt hat, ist dieser jüngste Output genauso quälerisch-deprimierend anzuhören, wie sein Titel wohl witzig klingen soll.
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