laut.de-Kritik
Am Stammtisch mit Shakur, Harald Juhnke und Elvis.
Review von Dani Fromm"Sag' mir, was hast du denn erwartet?" Schwer zu sagen. Nachdem Marteria im vergangenen Jahr mit "Base Ventura" Prognosen jeder Art in Schutt und Asche legte, hätte ich ohnehin nicht gewagt, mir auszumalen, was wohl passieren mag, lässt der Mann seinen durchgeknallten grünen Zwilling erneut von der Leine.
Statt eine weitere Weeddampf-geschwängerte Nabelschau abzuhalten, verpasst Marsimoto dem träge gewordenen Genre Deutschrap einen exzellent platzierten Tritt in den breit gesessenen Arsch. Zu diesem Behufe erweist sich akribisches Analysieren der herrschenden Missstände als ähnlich unnötig wie despektierliches Abkanzeln der Kollegenschaft: Wie viel älter lässt schlichtes Bessermachen so manchen Konkurrenten aus der Wäsche schauen.
Mit "Zu Zweit Allein" sichert sich Marsimoto gleich in mehrfacher Hinsicht seinen Platz auf der "Insel Der Legenden". Wer derart verschwenderisch mit Wortspielereien, Abseitigkeiten und schrägen Szenarien jongliert, sollte tatsächlich nirgendwo anders sitzen als an einem Stammtisch zwischen den Herren Shakur und Smalls, an dem Harald Juhnke den Getränkenachschub koordiniert, während Big Pun und Elvis den Ernährungsplan aufstellen.
Statt wie auf "Halloziehnation" Track für Track in THC zu marinieren, bedient Marsimoto diesmal eine Fülle verschiedener Themen. Der drogeninduzierte Fressflash findet gleich neben der "Robocop Jukebox" statt. Ständig wechselt der Blickwinkel. Marsimoto bedient sich der treuherzigen Augen des für zu alt befundenen, am Straßenrand entsorgten Hundes ebenso wie der ekelhaft aufdringlichen Distanz eines Stalkers.
Einer allein könnte diese Vielfalt gar nicht stemmen. Marsimoto tritt im Doppel mit seinem Gegenpart Marteria an, dessen tiefe Stimme dem Gehör willkommene Verschnaufpausen im gepitchten Irrwitz verschafft. Dennoch geht das Konzept "Zu Zweit Allein" nicht wirklich auf: Die beiden Spaltpersönlichkeiten Marten Lacinys stehen nämlich keineswegs einsam auf weiter Flur.
Die "21 Jumpstreet" wird im Verbund mit Olli Banjo aufgemischt. Four Music-Labelgenossin Miss Platnum gibt die "Tamara". Im Club der toten DJs fällt in Zusammenarbeit mit Sido das Urteil: "Beste". Tatkräftige Mithilfe bei "Crash Dein Sound" leisten Deichkind und ein dankenswerterweise aus der Versenkung der Elektroauflegerei gezerrter Ferris.
Die versammelte Produzentenschar verrichtet, angeführt von Dead Rabbit und Robot Koch, Schwerstarbeit, um jede eventuell verbliebene Rest-Erwartungshaltung zu pulverisieren. Trommelwirbel und Bass morphen in minimalistische Elektronik und zurück, an allen Ecken blubbert, pumpt, stampft, wabert und knarzt es. "Mein Sound ist ein Transformer", "Alarmstufe Rot 3" halte ich für durchaus angebracht.
"Die Hoffnung dieser Szene" zu verkörpern, maßt sich Marsimoto nicht an, lediglich "alles was du brauchst" möchte er bieten. Gar so bescheiden müsste sich der Rap-Zitate dauerfeuernde "boy from the corner" gar nicht geben. Eine Quertreiberei dieser Qualität liefert mir mehr als nur ein Quantum Trost, um über die sonst gängige Überfütterung mit Einheitsbrei hinweg zu retten.
Der Vorwurf, Marsimoto sei weiter nichts als ein Quasimoto-Abklatsch, führt genau so lächerlich ins Leere, wie seinen basslastigen Bruder Marteria einen Harris-Klon zu schelten oder die Zugabe "Todesliste" als aggressiven Diss fehlzuinterpretieren. Nicht jede Kopie muss zwingend missraten, nicht jeder ähnliche Style gleich bösartiges oder - schlimmer noch - ideenloses Gebite darstellen.
Wer in Marsimoto allen Ernstes etwas anderes als eine Fleisch, Wortwitz und pures Entertainment gewordene Hommage, eine tiefe, respektvolle und zudem aberwitzig amüsante Verbeugung vor dem Original sieht, braucht es wohl etwas deutlicher: "Kniet nieder, ihr Bauern! Marsimoto rockt."
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Nachdem Marsimoto aka Marteria von so ziemlich jedem Fachjournalisten und Kollegen zwischen Flensburg und Konstanz mit wohlwollenden Worten bedacht wurde, liegt nun das über "Four Music" erscheinende Album "Zu zweit allein" vor, welches den mit "Halloziehnation" und "Base Ventura" eingeschlagenen künstlerischen Weg konsequent fortsetzt.
Auch wenn der Protagonist auf "Zu zweit allein" inhaltlich den Fokus vom bisherigen Standardthema "Marihuana" weglenkt, erlebt der Konsument bezüglich des marsimotischen Soundkosmos keine bösen Überraschungen und wird konsequent mit herrlich verschobenen und experimentellen Instrumentalen beschallt, die von Dead Rabbit, Kollege Schnürschuh, Flash Gordon, Nobodys Face, Robot Koch, The Krauts und Stalker geschraubt wurden.
Inhaltlich übernimmt Marsimoto die Perspektive eines ausgesetzten Hundes ("Ausgesetzt"), erzählt ergreifende Schicksalsgeschichten mit ("LMS (Lidl Miss Sunshine") und ohne ("Tamara" mit Miss Platnum) Happy End und reagiert mit "Mein Dad ist HipHop" auf Aussagen à la "HipHop is dead". Weiter wird der Hörer auf Stücken wie "21 Jump Street" (mit Olli Banjo) und "Insel der Legenden" mit popkulturellen Referenzen überschüttet, dass es eine wahre Freude ist, den Ausführungen zuzuhören. Auf der elekronischen Abreißbirne "Crash dein Sound" hält sich Marsimoto an der Seite von Deichkind nicht mit Schuldzuweisungen an die Konkurrenz zurück und mit "Keine isst (XXL Version)" wird eines der Highlights von "Base Ventura" gekonnt recycled. Außerdem seien Ihnen die Tracks "Reich und hässlich" und "Beste" (mit sido) als Anspieltipps ans Herz gelegt. Die Qualitäten der ersten offiziellen Single "Stage Divin'" und der versteckten Straßen-Single "Todesliste" wurden bereits an anderer Stelle ausreichend gewürdigt.
So gelingt es Marsimoto auch auf dem vorliegenden Langspieler ("Zu zweit allein"), eine selbstständige (Klang-)Welt zu erzeugen, in die sich der aufgeschlossene Hörer immer wieder gerne entführen lassen wird. Immer noch ganz weit draußen.
Wertung: 5,5/6
Quelle (http://herrmerkt.blogspot.com/2008/10/mars…)
Fresh wie damals Halloziehnation. 5,5 sind ok
Marteria geht gut klar, aber wie könnt ihr diese scheiss gepitchte scheisse ernsthaft feiern??
das album ist im großen und ganzen cool. aber: mir fehlen die individuellen samples. halloziehnation war da etwas innovativer.
keine rede vom original-gebite. "salami, aka du darfst"... weißt bescheid.
Ich liebe Marsi^^
eine klare qualitative Steigerung zum Vorgänger.