laut.de-Kritik
Der Alfred J. Quack des deutschen Pops.
Review von Christian KollaschWie, Pietro Lombardi macht noch Musik? Am liebsten hängt der Karlsruher zwar in den Überschriften des Boulevards herum, mit "Kapitel" unterstreicht er jetzt aber noch einmal, dass er mit seinen Schlagzeilen sogar noch erträglicher herüberkommt als mit diesen 13 klanggewordenen Wandtattoos. Lombardis zahnloser Säuselpop dramatisiert gerne, badet in Selbstmitleid und kriselt so mit leierndem Autotune durch das Album. Dieser Effekt auf seiner Stimme gestaltet sich durchgehend so enervierend, dass man schon eine schlechte Bitrate des Streams im Verdacht hat. Von wegen, das soll wohl wirklich so klingen.
Mit "Alles Was Ich Hab" eröffnet der 32-Jährige sein Schmonz-Sammelsurium zu Chipmunk-Tunes und Plastikbeat. Diese flammende Liebeserklärung an seine Laura liefert die wohlige Versicherung, dass der Haussegen des Paares doch nicht schief hängt. Im vergangenen Jahr gab es noch viel Wirbel darum, dass Lombardi nach einem Streit handgreiflich geworden sein könnte. Nichts passiert, klärten die beiden später auf. Es sei nur ein Konflikt um dreckige Wäsche eskaliert. Ebenso banal floskelt sich Lombardi durch die ersten Minuten von "Kapitel".
Aber keine Sorge, wer Drama sucht, wird im Anschluss bei "Bye Bye" fündig, wo Lombardi die endlosen Streitereien in seinem Leben in einen Song gießt: "Ja das war so gemein / Aber nicht so gemeint". Autsch, dieser Cringe-Schauer muss erst mal den Rücken herunterlaufen, aber Zeit zur Erholung bleibt nicht, bis Lombardi nachsetzt: "Red' mir ein, ich hab das alles hier im Griff / Doch am Ende ist es so wie am Anfang, yeah". Der arme Mann steckt in einer Möbiusschleife aus Beziehungstress fest und erregt da fast schon Mitleid. Meine Güte, muss das anstrengend sein.
Dass "Kapitel" inhaltlich zu diesem Zeitpunkt schon abgearbeitet ist, verwundert kaum. Aneinandergereiht ergeben die Tracks ein ständiges Auf und Ab zwischen großspurigen Liebesgeständnissen und unaufhörlichem Gejammer über Zwist mit der Partnerin. Dieses akustische Reality TV könnte vielleicht sogar kurzweilig unterhalten, wenn es nicht so nervenabreibend produziert wäre. Was für Emotionen verhallte Quietschstimmen zu Pianoklängen auf "Ich Liebe Dich" auslösen sollen, bleibt so ein Mysterium.
"Ich Versteh Die Welt Nicht Mehr" stellt Lombardi folgerichtig fest und er reflektiert: "Manchmal lach' und manchmal wein' ich". Pietro Lombardi, der Alfred J. Quack des deutschen Pops. Fröhlich gibt er sich im Titeltrack, auf dem er auf Latin-Beats aus der Dose zu Frühlingsdüften tanzt. Die Trauer setzt dann direkt mit der sülzigen Pianoballade "Lass Los" ein, die abgeschmackte Durchhalteparolen durchkaut: "Also lass los, wenn es nicht weitergeht / Du hast alles gegeben, nur das zählt". Lombardi verteilt hier akustische Mitmachurkunden und wer bis hierhin durchhält, hat auch wirklich eine verdient.
Gewagte Soundexperimente finden auf "Nummer 1" statt, wo die Synthie-Akzente so klingen, als hätte man hier eines dieser quietschenden Gummihühner aufgenommen und tiefer gestellt. Zusammen mit stumpfen Reggaeton-Beats und der spanischen Gitarre ergibt sich ein scheußlicher Strandurlaub mit garantiertem Sonnenbrand. Die größte Frechheit steht aber erst mit "Regen" an. Den Refrain entleiht sich Lombardi aus dem Gassenhauer "Sag Mal Weinst Du" von Echt und zerhackt diesen mit penetrant verzerrten Vocals. Der seelenlose Beat und Lombardis uninspirierte Texte tragen da nicht viel zur Rettung dieses Unfalls bei.
Mit 80er-Gedächtnissound geht es in "Schlussstrich" auf die Zielgerade. Mit dem treibenden Düsterbeat entsteht sogar mal sowas wie Atmosphäre, wenn nur der lyrische Stumpfsinn nicht wäre: "Wir beide tanzen über den Schlussstrich / Noch diese Nacht und dann ist genug". "Kapitel" taugt immerhin als Sammelstelle für kitschige Facebook-Memes. Am Ende dieser Gefühlsachterbahn ohne Höhepunkte wünscht man Lombardi, dass mal ein wenig Ruhe in sein Leben einkehrt. Dass diese ein echter Segen sein kann, verdeutlicht die Stille nach dem Albumdurchlauf.
1 Kommentar mit einer Antwort
Das Lied von Echt heißt "weinst du", ohne "sag mal". Wollte ich nur mal sagen.
Sag mal, korinthenkaggerst du etwa oder ist das der Nebel, der sachte aus meinem Vaper strömt?