laut.de-Kritik

Premium-New Wave aus Kanada.

Review von

Wer von der kanadischen Gruppe Metric die Fortsetzung ihrer letzten Alben erwartet, den wird die Struktur der Songs auf "Art Of Doubt" wohl überraschen. Zumal sie in der Album-Mitte, von "Now Or Never Now" bis einschließlich "Seven Rules", das Pop-Song-Format dehnen, aushebeln, bisweilen durchbrechen. Sie gestatten sich viereinhalb, fünf und mehr Minuten pro Titel, gerne auch mal sechseinhalb in "No Lights On The Horizon", dem Schluss- und Höhepunkt der Platte. Die Zeit, die sie sich nehmen, nutzen sie für Schlenker in die New Wave-Historie, Kunstanspruch inbegriffen.

Die Kompositionen leben von Brüchen und scharfen Kurven im schnellen Spiel. Die Stimme von Sängerin Emily Haines, ihre Wandelbarkeit, hübscht die Songs auf. Sie fügt ihnen oft die entscheidende Prise an Überraschungen und Freshness hinzu. So bekommen die meisten dieser Art-Rock-Mini-Dramen immer gerade so die Kurve, um nicht in platten US-Radio-Mainstream-Rock einzumünden.

Ruhig und konzentriert pulsiert der längste Track, "No Lights On The Horizon". Die Keyboards übernehmen angenehm disharmonische Melodie-Figuren. Angenehm, denn: Bevor der Song zu süßlich geraten könnte, hält immer etwas dagegen: düstere, chromatische Synthie-Tonleitern, scheppernde Snare Drums, lang gezogene E-Bass-Vibratos.

Emily Haines' Stimme erinnert hier an Sarah Blackwood (Client) und an Kylie Minogue, vergleichsweise hell und unschuldig. Emily strahlt etwas sehr Waches, angenehm Persönliches und Engagiertes aus. Eine Stimme, die zum morgendlichen Kickstart geeignet ist, um einen ehemaligen Sendetitel von MTV zu zitieren. Nach ihrem Einsatz in "No Lights On The Horizon" bleibt man am Schluss noch anderthalb schrammelig bespielte Minuten alleine mit der instrumentalen Musik. Sie klingt dank dieses Kunstgriffs lange nach.

So soll's sein. Auch wenn "Dark Saturday" zunächst etwas ganz anderes suggeriert. Nur sehr leise klingt in dieser Single jedoch ihr Haupt-Pluspunkt an, der subtile New Wave-Sound von Gruppen wie Wire oder Pere Ubu. Als Producer fiel die Wahl auf Justin Meldal-Johnsen. Als einen seiner ersten Auftraggeber zählte er den ursprünglichen Bassisten von Gang Of Four zu seiner Kundschaft. Und der Stil von Gang Of Four lebt hier an etlichen Stellen immer wieder auf. Harte Holprigkeit mit stillen Momenten, kakophonische Gitarrenbretter mit forderndem Gesang - alles das führen Metric hier mit Mut zum punktuellen Krach wieder auf.

Metric scheinen zum Glück aber auch zu erkennen, dass nur Noise nicht spannend ist. Das locker geschüttelt klingende Intro von "Love You Back" hält die Spannung zum Teil zurück. Im Songverlauf gewinnen Melodie und Funkyness die Oberhand. Viele Songs von "Art Of Doubt" enden jeweils auf einem schwankenden Energie-Level taumelnd, super plötzlich. Schwupps, landet der Hörer im nächsten Song. Metric nutzen Cold Ends als ihr liebstes Stilmittel. So bauen sie immer wieder Neugier auf die nächste Nummer auf.

Bei "Love You Back" glaube ich der Band auch sofort, dass sie Metric heißen müssen. Metrisch bedeutet ja: mit Rhythmusgenauigkeit. Von Polyrhythmik haben Metric wohl schon gehört und setzen in ihrem Indie-Rock ein erfrischendes Gegeneinander-Reiben von Rhythmusbögen ein: Die Drums laufen in der einen, die Gitarren in einer anderen Taktung, scheint es. Die rhythmische Lockerheit, die einen beim Hören von TV On The Radio in Bann zieht, geht ihnen dabei leider meistens ab - kanadischer Zitate-Art-Rock klang schon mal groovender.

Der Titeltrack "Art Of Doubt" bündelt die einzelnen New Wave-Fäden des Albums, verknotet sie, stretcht sie auch bis zu einer Mogwai'schen Post Rock-Spitze. Die Band platziert dazu ein paar kurze, wütende Zeilen im Chorus. In "Dressed To Suppress", hymnisch, poppig, aber genauso sperrig, mit Punk-Haltung im gleichen Atemzug, zeigt sich noch einmal die zentrale Stärke von Metric: 'schwermütig' und 'schnell' zugleich zu spielen. Leicht und süß schmeckt dieser Cocktail nicht, eher etwas zu stark gemixt.

Je länger und je mehr man sich mit dem Album auseinandersetzt, desto mehr hat man davon. Die Musik nutzt sich nicht ab, sondern reift wie Wein. Metric arbeiten mit Zeit und dem Aufbau von Erwartungen, mit "suspense", wie man in der Medienpsychologie sagt. Mit der Kunst, Songs zu machen, die man als Radio-DJ nirgends abkürzen oder ausblenden kann, haben sich Metric in mein Herz gespielt.

Trackliste

  1. 1. Dark Saturday
  2. 2. Love You Back
  3. 3. Die Happy
  4. 4. Now Or Never Now
  5. 5. Art Of Doubt
  6. 6. Underline The Black
  7. 7. Dressed To Suppress
  8. 8. Risk
  9. 9. Seven Rules
  10. 10. Holding Out
  11. 11. Anticipate
  12. 12. No Lights On The Horizon

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