29. Januar 2014

"Shit, mein Gehirn funktioniert noch!"

Interview geführt von

Mit ihrem Album "Last Patrol" sind die Psychedelic-Rocker Monster Magnet derzeit wieder in Deutschland auf Tour. Wir sprachen mit Dave Wyndorf über Unterschiede zwischen den USA und Europa, iTunes und seine Überdosis.

Zwischen Dave Wyndorf und laut.de gibt es eine enge Verbindung. Davon wissen aber nur wir, Wyndorf nicht. Zeit, diesen Zustand zu ändern. Vor dem Tourstart in Deutschland sitzt er brav in New York am Telefon und entschuldigt sich vor Ablauf der regulären Zeit damit, dass sein Interviewplan randvoll ist und er später noch in den Proberaum müsse. Wer kann dazu schon nein sagen?

Dave: Hey hey, alles gut?

Bestens, danke. Wir haben zum letzten Mal im Jahr 1999 während der "Powertrip"-Tour miteinander gesprochen ...

Dave: Wow, das ist ja Millionen Jahre her. Aber ich erinnere mich an die Tour.

Du hast damals hier in Süddeutschland in Konstanz gespielt, wo auch unsere Redaktion sitzt. Das Festival hieß Zeltfestival, die Show war also in einem Zelt und das Historische an dem Ereignis ist: Es war das allererste Interview überhaupt, das wir für unser Online-Magazin gemacht haben.

Dave: Wow! Irgendwie dämmert da was bei mir, aber ich weiß nicht recht. Anyway: Wie ist dein Leben seitdem so verlaufen?

Moment, eins muss ich dazu noch sagen, vielleicht erinnerst du dich ja dann: Das Interview war nach der Show backstage in einem Wohnwagen, du wolltest für alle Pizza bestellen, aber wir lehnten freundlich ab und dann haben wir dir deine in großen Teilen weggefressen.

Yeah, jetzt erinnere ich mich tatsächlich, shiiiit! Ich kann echt nicht glauben, dass mein Gehirn noch funktioniert.

Wir haben uns damals mit dir natürlich auch über diese neue Technologie namens Internet unterhalten, der du recht weise eine große Zukunft in der Kommunikation prophezeit hast.

Wow, cool, offensichtlich wollte da jemand nicht, dass ich mir Pizza in den Mund schiebe.

Im selben Atemzug hast du uns aber auch gesagt, dass du das Internet nie nutzt, weil du schon 42 Jahre alt bist.

Haha, da lag ich dann wohl falsch. Ich liebe das Internet. Soll ich dir sagen, warum ich es damals nicht genutzt habe? Es war zu langsam.

Du hattest auch dein Fahrrad dabei und warst ganz begeistert von der Natur. Bist du der Angeohnheit treu geblieben?

Ja, aber nur wenn wir im Sommer touren.

Also nicht auf der neuen Tour. Was dürfen wir von der neuen Konzertreise erwarten?

Wir spielen die neue Platte "Last Patrol" am Stück runter. Sie liegt mir sehr am Herzen und ich finde die Idee gut, sie von vorne bis hinten durch zu spielen. Live klingt sie eh besser. Ich hoffe, die Fans finden das auch gut. Und dann gibt es ja auch noch die Zugaben, wo man einen auf Greatest Hits machen kann oder wie man es nennen mag. Songs, die die Leute kennen. Die Show wird also ziemlich lang werden.

Wie schwer war es, diese Platte aufzunehmen?

Die Aufnahmen waren nicht das Problem, aber der Anfang war mühsam. Ich war auf der Suche nach einem ganz bestimmten Vibe. Und ich wollte ein paar ältere, ruhigere Sounds, als wir gewöhnlich für Monster Magnet benutzen. Als ich sie gefunden hatte, musste ich mir überlegen, wie ich sie aufnehmen und in die Songs integrieren kann, ohne dass sie ihren Charme verlieren. Es ging mir also ein bisschen so wie einem Koch, der vor seinen Töpfen steht und nach dem richtigen Rezept sucht.

Ihr zählt ja zu den US-Bands, die lieber in Europa touren, weil sie hier mehr Erfolg haben. Vista Chino fallen mir da noch ein, die Kyuss-Nachfolgeband.

Auf jeden Fall. Wir hatten bei euch einfach schon ganz früh, also Anfang der 90er, einen super Start. Ich habe praktisch damals schon miterlebt, dass das Publikum in Europa, gerade in Deutschland, hinsichtlich experimenteller Rockmusik aufgeschlossener ist. Ich kann hier natürlich nur für Rockmusik sprechen. Die Leute bei euch sind weniger daran interessiert, vorgekaut zu bekommen, was sie schon kennen. Sie wollen lieber neue Sachen hören. Das fordert dich natürlich, wenn Leute vor dir stehen und sagen: Come on man, überrasche mich!

In den USA ist die Erwartungshaltung völlig anders, und es wird immer extremer. Alle fragen sich nur: (spricht mit gelangweilter Stimme) "Was kommt jetzt? Kenne ich das?" Noch dazu ändert sich hier alles in sehr schnellem Tempo, zu schnell für mich. Zu schnell auch für Kunst, haha. Und das sage ich als jemand, der die USA liebt. Ich wohne hier in New Jersey in dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Aber was die Art von Musik angeht, die ich mache, ist Europa einfach weiter vorne.

Aber hat sich das überschaubare Interesse an Monster Magnet in den USA zeitweilig nicht auch zum Guten hin geändert wie hier?

Sicher, wir hatten hier auch ein paar kleine Hits und insgesamt können wir uns wirklich nicht beklagen. Vor Weihnachten waren wir auf Tour und es lief absolut okay. Das ändert aber nichts daran, dass mein Herz in Europa liegt, was Konzerte angeht, was wie gesagt auch mit unseren Anfängen zusammen hängt. Alleine das Reisen von einem Auftrittsort zum nächsten ist bei euch ja komplett anders, einfach wunderschön. Warum? Weil ihr Typen kein Interesse daran habt, jeden Millimeter Land vollzubauen. Was soll das? Ich will durch die Natur fahren, ich will Berge sehen.

Meintest du eben, dass ihr heute in den USA populärer seid als vor 15 Jahren und falls ja, woran könnte das liegen?

Nein, so wollte ich das nicht sagen. Wir sind heute einfach genau dafür bekannt, wofür wir auch stehen. In den USA war ja nur das "Powertrip"-Album ein großer Erfolg. Und seitdem wollen alle nur diesen Typen in den engen Lederhosen sehen. Unsere psychedelische Seite hat hier noch nie jemanden interessiert. Heute hat sich das in der Weise positiv für uns verändert, dass viel mehr Leute erkannt haben, dass wir im Grunde eine Psychedelic-Rockband sind. Das gibt mir ein viel besseres Gefühl.

"Halte den Leuten einen Bildschirm hin und alle starren drauf"

Würde es dich denn reizen, eine erfolgreiche junge Band zu supporten, sagen wir The Black Keys?

Hell yeah, und wie, das wäre großartig. Die Black Keys sind super. Ich wünschte nur, ich könnte so einen Deal in den Staaten überhaupt bekommen. Es wäre kein Problem für mich zu sagen: Hey guys, wir werden hier vonseiten der Konzertpromoter ein bisschen missverstanden. Es ist einfach seltsam: Wenn du mal ein Hitalbum im Hardrock-Bereich hattest, lässt dich da niemand mehr raus. Alles was du tun kannst ist, dein eigenes Ding weiterzuspinnen und zu hoffen, dass es gut läuft.

Was ist heute anders auf Tour als in den guten alten 90er Jahren?

Kommunikation natürlich. Und dann muss ich heute keine 50 Kilo Bücher mehr mit mir rumschleppen. Früher musste ich für eine Tour alleine einen Koffer voll Bücher mitschleifen. Als ich in den 90er Jahren in Europa auf Tour war, habe ich nicht oft zuhause angerufen. Du warst quasi in einer ganz anderen Welt. Das hat sich natürlich geändert. Was die Zuschauer auf Konzerten angeht, hat sich nicht so dramatisch viel verändert, bis auf einige wenige schlechte Shows, wenn die gesamte erste Reihe mitten in einem Song ihre E-Mails checkt. Dann denkst du nur: Hey, come on.

Manche brauchen heutzutage eben ihren Second Screen.

Absolut, ich kann es dir sagen. Halte den Leuten einen Bildschirm hin und alle starren drauf. Es ist der Pawlowsche Reflex, so weit ist es mit uns schon gekommen.

Es klopft in der Leitung. Dave entschuldigt sich und meldet sich kurz darauf wieder: "Sorry, ich bin in Eile, stell noch ein paar Fragen und dann muss ich leider Schluss machen."

Okay: Als du 2006 eine Überdosis erlitten hast, veröffentlichte dein Management ein eher kryptisches Statement, das von deinem Kampf mit inneren Dämonen handelte. Logischerweise sind viele auch aufgrund deiner Vergangenheit davon ausgegangen, dass harte Drogen im Spiel gewesen sind. Wie sich viel später herausstellte, handelte es sich aber um eine Überdosis Schlaftabletten.

Genau und die waren noch nicht mal illegal, sondern vom Arzt verschrieben. Ich bin also in diese Falle getreten. Eine absurde Geschichte, denn ich war zu dem Zeitpunkt schon ewig clean. Das letzte Mal high war ich in meinen 20ern. Es war wirklich ein Schock und eine lehrreiche Geschichte. Hoffentlich auch für alle, die das jetzt lesen: Vertraut niemandem da draußen, nicht mal eurem Arzt!

Vor ein paar Jahren hat Langzeitgitarrist Ed Mundell deine Band verlassen. Inwieweit hat sein Ausstieg die Band beeinflusst?

In der Weise, dass alles besser geworden ist. Ich muss es leider so sagen, aber Ed war schon lange nicht mehr bei uns. Bei der Musik. So fantastisch er auch als Gitarrist ist. Er wollte nicht mehr auf Tour gehen, jammerte nur noch rum, es war schlimm. Also sagte ich: Wenn du das nicht spielen willst, spiele es halt nicht. Du kannst auch gehen. Seitdem sind wir alle glücklicher.

Als Fan des LP-Formats und der Kunst von Coverartwork: Wie sehr hasst du iTunes?

(lacht) Ich versuche, so wenig wie möglich daran zu denken, sonst rege ich mich immer so auf. Es ist natürlich wie so oft alles eine Frage der Betrachtung. Ich verstehe, dass manche Leute nur auf einen Song scharf sind. Ich bin aber weniger auf diese Leute sauer, sondern eher auf Künstler, die sich diesem iTunes-Modell völlig unterwerfen. Nur weil viele Leute nur einen Song kaufen, musst du nicht ein Album mit zehn Scheißsongs veröffentlichen. So sollte das Geschäft meiner Ansicht nach nicht laufen. Aber gut, jeder kann machen, was er will.

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