laut.de-Kritik

Die Atzen treffen Knorkator auf Second-Hand-Elektro-Pop.

Review von

141 Punkte reichten dem Hauptstädter Tim Bendzko, um beim diesjährigen Bundesvision Songcontest als Sieger vom Platz zu gehen. Ganze 133 Punkte weniger heimsten Muttersöhnchen, ein Duo aus Schleswig Holstein, ein und belegten damit den letzten Platz unter den insgesamt sechzehn teilnehmenden Protagonisten.

Schuld daran waren neben einem silber- und einem goldfarbenen Ganzkörperkondom elektronischer Hybrid-Pop und Textzeilen wie "It's party time, digger. It's party time, heut' geh'n wir steil", oder auch "Essen geh'n, dann vielleicht nochmal 'was trinken geh'n, wenns gut läuft auch noch was fi… gehen."

Nordischen Humor hatten an jenem Abend viele der Anwesenden wohl etwas anders in Erinnerung. Den beiden Elektro-Weirdoz Harry Bum Tschak und MK Topgenie geht es mit ihrem Debüt "1" primär um den Spaß an der Freude. So outeten sich die beiden Nordlichter in Interviews der Vergangenheit, und so klingt das Album dann auch.

Wobei der Titel "Album" vielleicht etwas fehl am Platze ist: Zieht man das kurze Fanfaren-Intro und wahlweise die Extended- oder die Radio-Edit-Version des Songs "Essen Geh'n" ab, bleiben lediglich sechs Song-Ergüsse übrig. Das "Outro (Wipp Lounge)" kann man getrost noch mit auf die Streichliste setzen, da sich das wirre instrumentale Elektro-Gestöhne bereits nach nicht einmal zwei Minuten in Luft auflöst.

Bleiben also nur noch fünf Songs. Die bieten mehr Schein als Sein. Monotoner Sprechgesang trifft auf Synthie-Spielereien, funky Bässe und austauschbare Beats. Was den Finger letztlich davon abhält, bereits vorzeitig die Stop-Taste zu betätigen, sind die hin und wieder recht witzigen lyrischen Inhalte des Cyber-Duos.

Beispiele gefällig? "Sie mag mich gerne unrasiert, so echt, so cool, so ungeniert. Ich wär' so anders als der Rest, alles Luschen, you're the best" aus "Boys & Girls" oder auch "Du warst grad eben pissen, das sollen jetzt alle wissen, die Sensation geht sofort online. Du bist ein Star und du hasts gecheckt: Mehr Clicks – mehr Freunde – mehr Erfolg gleich mehr Respekt" aus "Elektro" bringen die relevanten Themen des Alltags auf den Punkt, zumindest im Ansatz.

Doch ein sporadisches Schmunzeln allein reicht nicht aus. Weder beim Bundesvision Songcontest, noch sonst irgendwo. Richtig groovy und tanzbar wird es nur selten, wobei ein Song wie "Eins, Zwei, Drei" noch am ehesten zum kurzweiligen Mitwippen animiert.

Schlussendlich bleibt man jedoch auf einem Knorkator-Atzen-Text-Mix hängen, den innovationsloser Second-Hand-Elektro-Pop ummantelt. Vielleicht hätte die rote Laterne beim Songcontest auch einem anderen Interpreten gut zu Gesicht gestanden, akute Abstiegsgefahr besteht im hohen Norden dennoch.

Trackliste

  1. 1. Intro (Fanfare)
  2. 2. Eins, Zwei, Drei
  3. 3. Elektro
  4. 4. Essen Geh'n (Extended Version)
  5. 5. Mittenrein
  6. 6. Boys & Girls
  7. 7. Outro (Wipp Lounge)
  8. 8. Essen Geh'n (Radio Edit)

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