laut.de-Kritik

Die Klagenfurter wagen den Befreiungsschlag.

Review von

Die Band Naked Lunch kennt die Höhen und Tiefen des Popgeschäfts. Einst gehypt als neue Indie-Sensation, der das 1997er-Album "Superstardom" den internationalen Erfolg bescheren soll, fallen die Kärntner anschließend tief. Kommerzieller Misserfolg, Probleme mit der Plattenfirma, persönliche Verluste. Das 2004 veröffentlichte Album "Songs For The Exhausted" klingt dann wie der Abgesang einer Band, die mit diesem depressiven Album die bewegende und traurige Vergangenheit aufzuarbeiten versucht.

Bemerkenswert ist nun, dass diese Platte nicht den Endpunkt dieser Bandgeschichte markiert, sondern vielmehr einen Neuanfang. 2007 sind Naked Lunch mit "This Atom Heart Of Ours" zurück und haben - so scheint es - irgendwie zu sich selbst gefunden.

Wie schon auf "Songs For The Exhausted" haben sie alte Indie-Rock-Konzepte fallengelassen und integrieren mit der Unterstützung von Olaf Opal von The Notwist elektronische Elemente in die Arrangements. Die Verzweiflung ist einer Melancholie gewichen, die wieder den Blick nach vorne wagt. Schwermütig klingt "This Atom Heart of Ours" allemal, aber eben nicht aussichtslos. Naked Lunch haben die Liebe und die Hoffnung wiederentdeckt.

Im Opener und zugleich Titeltrack vermengt sich das flächendeckende Orgelspiel mit einem sakralen Chor, über den sich die warme Stimme Oliver Weltes schiebt, bevor schließlich noch gegenläufiger Gesang einsetzt. Ein grandioser und berührender Einstieg. "The bells they were ringing with a beautiful sound/ a new day rising a way that we found/ we're old and settled but we still believe/ if we don't march together we die alone" heißt es da.

Im melodischen und optimistischen "Military Of The Heart" klingen hörbar the Notwist an, ein schönes Loblied auf die Liebe wird angestimmt. In der sehr hübschen Ballade "My Country Girl" gibt die gezupfte Gitarre den Rhythmus vor, die brüchige Stimme nimmt den Raum ein, ehe das Finale mit elektronischen Schnipseln und einem einnehmenden Background-Gesang eingeläutet wird.

Keyboard und Glockenspiel sorgen in "Town Full Of Dogs" für düstere Stimmung. Die Melodie bleibt linear, aber wie Welte hier seine kratzige Stimme gebraucht, die sich stetig erhebt und gleichzeitig atemlos der Sehnsucht nach dem Leben Ausdruck verleiht, ist bemerkenswert: "Gimme hope gimme fear/ gimme love and despair/ gimme loads of your drug/ and a reasonable fuck/ your burden and you weight/ gimme all that I can take". Für solch einen Song muss man alle emotionalen Höhen und Tiefen durchschritten haben.

Dem ruhigen, mit mehrstimmigem Refrain vorgetragen "In The Dark" folgt mit "The Tower" wieder eine Gitarrenballade, die nur von sanften Orgelklängen untermalt wird. Ebenso ergreifend kommt "Into Your Arms" daher. Eine schlichte Melodie bettet sich in Synthesizer-Klänge und eine Gitarrenfläche, dann Stille, bis der Refrain mit weicher Orgelbegleitung einsetzt.

Ein verhaltener Klavierlauf und bedachter Percussion-Einsatz bilden die Basis im stimmungsvollen "Colours", das mit tollem musikalischen Arrangement einen Höhepunkt des Albums darstellt. Klavierbegleitung, Elektronik und Synthiestreicher instrumentieren das letzte Stück mit dem bezeichnenden Titel "In The End". "My arms will hold you in the end/ you will forgive me in the end/ my love will find you in the end", singt Oliver Welte. Man hofft und teilt mit ihm den etwas ängstlichen, aber lebensbejahenden Blick in die Zukunft und weiß nun um die Vergänglichkeit des Glücks.

Was soll ich sagen, Naked Lunch haben es tatsächlich geschafft, sich aus dem Sumpf der eigenen, erstickenden Befindlichkeiten zu ziehen. Die Rockband von einst existiert nicht mehr. Melancholie und Pathos gehen auf "This Atom Heart Of Ours" Hand in Hand. Dabei ist eine Selbstverständlichkeit im Spiel, die auf die prätentiöse Geste verzichtet. Zehn unglaublich intensive Songs, gute Lyrics, tolle Arrangements und eine ebensolche Produktion.

Für die österreichische Band ist dieses Werk ein Befreiungsschlag, für den Hörer eine Reise in einen melancholischen, aber Erlösung versprechenden Klangkosmos.

Trackliste

  1. 1. This Atom Heart Of Ours
  2. 2. Military Of The Heart
  3. 3. My Country Girl
  4. 4. Town Full Of Dogs
  5. 5. In The Dark
  6. 6. The Tower
  7. 7. Into Your Arms
  8. 8. Waterfall
  9. 9. Colours
  10. 10. In The End

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