laut.de-Kritik
Er ist Gauna, war Gauna und wird immer Gauna bleiben.
Review von Alexander AustelAuf die Frage der Backspin, wie Nate57 sein Album zusammenfassen würde, kommt die schmunzelnde Antwort: "Musik von Gauna für Gaunas in einem Gauna-System." Wie er darauf kommt? "Ich bin Gauna, war Gauna und werd' immer Gauna bleiben." Bei so vielen Gauna-Qualitäten erübrigt sich wohl auch die Frage nach dem Albumtitel sowie nach dem inhaltlichen Schwerpunkt. Nach dem eher Gesellschafts- und wertekritischen Album "Land In Sicht" beschäftigt sich der Hanseat auf "Gauna" mit seinem Kiez, der Straße, schattigen Geschäften und anderen kriminellen Machenschaften.
Kritik an Staat und System dagegen dringt nur noch selten durch, und wenn dann leider nicht ganz zu Ende gedacht. In "Chaos" versucht er dem Kapitalismus ein Bein zu stellen, fällt aber bei genauerem Hinschauen selbst drüber: "Die Pharma-Industrie kümmert sich doch nicht um deine Gesundheit / wollen nicht dass du jung bleibst / Verbreiten auf der Welt Unheil." Das kann man so sehen, besonders wenn man nur kostenlose Online-Nachrichten liest ohne diese zu hinterfragen. "Diese Unanteilnahme von allen verstehe ich nicht / Glauben alles was in den Medien ist." Aber dass die Pharma-Industrie heillos böse und lediglich auf Gewinn-Maximierung aus ist, steht nicht in den Medien? Ob das möglicherweise auch andere Ursachen haben könnte? Sei's drum, eine andere Beobachtung dagegen ist goldrichtig: "Der Brandstifter kommt als Feuerwehrmann."
Ein kurzer Blick auf die Feature-Liste verrät: sie ist lang. Erstaunlicherweise gibt Nate jedoch das Ruder nicht aus der Hand, sondern platziert seine Gäste so, dass sie meistens ein Gewinn sind. Über einen super-treibenden Beat, der von einer eingängigen Melodie und ausreichend Wumms zum Kopfnicken einlädt, versuchen Nate, Crackaveli und Olexesh in "Saxofon", Oberwasser zu behalten. Ersterem gelingt das vorzüglich, Crackaveli rudert der vorgegebenen Geschwindigkeit hinterher und Olexesh surft ganz lässig über das Beat-Ungetüm hinweg. Ein kurzweiliges Kräftemessen.
Wo Nate genauer hinschaut, weiß er von Drogen-Abgründen, Rauschmittel-Deals, Eskalation im Viertel und ständigem "Alarm" zu berichten: Straßenrap eben. Der MC rappt dabei stets auf hohem Reim-Niveau, zeigt sein Flow-Talent und brilliert bei der Auswahl der Beats. Diese geraten häufig unruhig, basslastig und exhalieren einen Westcoast-Dunst, der an Cypress Hill erinnert. Dazwischen finden sich immer wieder kleine Film-Soundschnipsel und passende Scratches. Die handwerkliche Herangehensweise von "Gauna" lässt keine Wünsche offen, weder von Rap-technischer noch von der instrumentalen Seite her. Der satte Sound erzeugt Stimmung und umgarnt Nates Strophen.
Aber warum 17 Songs und knapp eine Stunde Spielzeit? Wieso zielen so viele aktuelle Deutsch-Rap-Alben Richtung 20-Song-Marke? Ein simpler Vergleich reicht doch schon: "Illmatic" ist ein Klassiker, "Stillmatic" dagegen nicht, könnte es aber ohne die Filler sein. "Gewisse Dinge wären zu kurz gekommen, deshalb die lange Playlist", erklärt sich Nate. Mit den gewissen Dingen meint er vielleicht "Erste Hilfe", "Hitzefrei" oder "Zwischen Hölle Und Eden". Das sind beileibe keine schlechten Songs, trotzdem hätte man sie der Qualitätssteigerung zuliebe wegrationalisieren können. Weniger ist manchmal mehr.
Davon abgesehen liefert der 25-Jährige qualitativ hochwertige Ware an die Kundschaft, die mit viel Liebe zum Detail glänzt. Und was ist mit der Realness? "Glaub mir, dieser Dschungel macht dich zum Raubtier / wurden bewusst vom Rest der Gesellschaft aussortiert." Doch davon lässt sich Nathan Pedreira nicht unterkriegen. "Ein Gauna findet immer einen Weg."
6 Kommentare mit 2 Antworten
Nach dem eher mauen "Land in Sicht", liefert Nate mit "Gauna" tatsächlich ein über weite Strecken gelungenes Album ab, welches anders als der Vorgänger auch vom Klangbild weitesgehend überzeugt. Bretter wie "Alarm", "Mit der Basy" oder das in der Review angesprochene "Saxophon", wechseln sich dabei mit düster gehaltenen Titeln wie " Wie ne Platte die springt" oder "Waldhorn" ab, wobei das Album als ganzes trotzdem einen roten Faden beibehält. Die Wertung von drei Punkten ist vertretbar, wenn man sich an einigen etwas dünn geratenen Thematiken stört. Auch wirken einige Titel leicht austauschbar. So dürften die Party Tracks wohl nicht jedermanns Geschmack treffen und ab der zweiten Hälfte flacht das Album dann doch etwas ab, ohne jedoch Totalausfälle vorzuweisen. 4/5
Anspieltipps:
-Mit der Basy
-Saxophon (feat. Crackaveli & Olexesh)
-Mische für Mische (feat. Kalim)
-Gesetzlos
Mit relativ hohen Erwartungen an das Album gegangen, die zum Teil etwas enttäuscht wurden. Der Sound des Albums gefällt mir grundsätzlich ganz gut, die Featuregäste überzeugen mich leider gar nicht, obwohl ich mich gerade auf die Tracks mit Gzuz, Telly und Olexesh gefreut habe, wirken die Features für mein Empfinden eher Fehl am Platz. Grundsätzlich ist mir das Album mit seinen 17 Tracks etwas zu lang geraten. Nichtsdestotrotz flowt Nate wie immer gut auf den Beats, Mit der Basy, Gesetzlos, Kein Para? Kein Sinn und Wenn es brennt gefallen mir mit am besten.
3/5, gehen fit.
Nate57 will es nocheinmal wissen. Der nicht mehr ganz so junge Hamburger galt vor einigen Jahren als einer der aufstrebensten Künstler der Szene. Seine markante Stimmlage und die direkten, realitätsnahen Texte über das Leben in Problembezirken sorgten allerortens für Furore und ließen sogar Szenegrößen aufhorchen. Nach dem fulminanten Debut und dem damit verbundenen Hype wurde es in der Folge jedoch sehr ruhig um den Straßenpoet und seine Geschichten aus St. Pauli. Obwohl er unverändert Alben und Mixtapes veröffentlichte fand er in der schnelllebigen Welt des Deutschraps kaum mehr statt.
Es schien so, als ob der Piratenkapitän im Haifischbecken der hießigen Sprechgesangswelt Schiffbruch erlitten hatte. Umso mehr war die Freude vieler groß, als das scheinbare Comeback des Rattos Locos Mitglieds verkündet wurde. Dieses setzt musikalisch unter Anderem auf die wiedererstarkte Oldschool-Welle und auf eben dieser reitet der selbsternannte Gauna in die Smartphones dieser Republik. Lasset den Gauna nun walten.
Nach einem schwungvollen Intro in dem er seine flowlichen Stärken gekonnt ausspielt, sorgt er zugleich für "Alarm" zu treibend-nickender Beatuntermalung. Die mit viel Slang angereicherten Zeilen spiegeln die hektischen Betonwelten wieder in denen Nate57 sich zuhause fühlt.
"Autoalarmanlagen springen an - Ausnahmezustand
Scheiben geh'n kaputt, Randale da bei U-Bahn
Am Wochenende brennt's bei uns, dann sind amcas hier auf Achse
Von Hafenstraße bis Schanze
Verschanze mich im Gebüsch, die finden mich nicht
Außer Suchhund am Start - von der Vodi schwindelig"
"Kein Para? Kein Sinn!" heißt es danach. Was philosophisch anmutet ist am Ende recht bodenständig ausgefallen und dreht sich um die üblichen launigen Räuber und Gendarm-Spielchen in Hamburgs heruntergekommenen Hoods.Auch bei "Wenn es brennt" kann man das nie erloschene Feuer in ihm schlichtweg spüren. Sehr ansprechend und rabiat produziert bietet die Produktion einen passenden Unterbau für Nates markige Vortragsweise, die auch weiterhin über allem thront.
Richtig nostalgisch wird die rohe Beatuntermalung wenn der Hörer "Mit der Basy" von Nate durch sein Viertel geführt wird, in dem raue Sitten vorherrschen.
"Schwirr'n nachts durch die Stadt wie Raben
Haben Hunger müssen jagen, mutieren zu Barbaren
Einkaufspassagen vernagelt bringt rein garnichts
Verschafft sich zutritt mit 'nem Tritt, denn Holzspahn bricht"
"Wie eine Platte die Springt" behandelt im Folgenden zu düster-melancholischen Klängen die Folgen exzessiven Drogenkonsums. Nate zeigt sich schonungslos und echt, nimmt sich im anschließenden ruhigeren "Chaos" dann jedoch etwas zurück. Paradox, aber wahr. Der Track fungiert als generelle Weltkritik ohne neue Sichtweisen zu erörtern.
Mit einem gut aufgelegten Olexesh und einem munteren Crackaveli wird das "Saxophon" ausgepackt und zu schnellen Beats relativ unbeschwert Selbstbeweihräucherung zelebriert.
Kann man schon machen, aber bedenke: "Mische für Mische". Selbiger Track scheint vom AON-Label ausgebüxt und erzeugt eine locker-lässige Grundstimmung zu warmen Tönen. "Erste Hilfe" braucht der Hörer, im Gegensatz zu anderen Releases dieses Jahr, bei diesem Album wirklich nicht, auch wenn auf diesem Song mit Label Partner Telly Tellz nur etwas lauwarm das nächstbeste Diskoluder euphorisch besungen wird.
Nun gut, wenn es danach so entspannt weitergeht, kann man das verschmerzen. Gemütlicher Westcoast-Sound, Gzuz-Feature und ein allgemeines Wohlfühlaroma begleiten das nächste Stück, das passenderweise "Hitzefrei" benannt wurde. Wenn man sich dann schon etwas bequem geworden und eingelullt zurücklehnen möchte, schreckt das "Martinshorn" den Hörer fast schon auf. Wieder geht es zu bedrohlicher Musik direkt zur Sache und ein nächtliches Szenario mit reichlich kriminellen Energien wird kreiert.
"Zwischen Himmel und Eden" befindet sich der werte Kleinkriminelle, bestrebt auf der Suche nach dem Seelenfrieden und stets am immerwährenden Scheideweg des Lebens, das sich als folgenschwerer Kreislauf aus falschen Entscheidungen abzeichnet. Ein steiniger Weg aus dieser Spirale, den nur wenige bewerkstelligen können. , denn die "Konsequenzen" aus der zuvor eingeschlagenen Marschroute sind mannigfaltig.
"Flucht" sind wohl die Gedanken so mancher Hörer, denn bei diesem Track droht ein Sinan-G-Feature, das jedoch wie der eigentliche Song sehr unspektakulär und öde ausfällt, thematisch gibt sich das Album konsequent "Gesetzlos".
"Zu viel Krieg - kein Frieden
Jungs von unten lassen sich nicht kleinkriegen
Hilft auch kein Knast, schon zu viel durchgemacht
Ehrlich gesagt, einer von hundert hats nur kriminell geschafft"
So geht es schier endlos weiter, Eine Aneinanderreihung von Phrasen und Situationen, die man jedoch ab diesem Punkt des Albums nur zu gut kennt und übersättigt ist.
Das relaxte "Outro" ist dann nochmal ein kleines Highlight, denn die albumübergreifende, verkrampfte Art den roten Faden zu bewahren wird auf diese Weise etwas entschlankt.
So bleibt viel Licht, aber auch etwas Schatten am Ende dieses kleinen Ausflugs in Nates turbulente Welt des Verbrechens. Die Produktionen sind zumeist auf einem konstant guten Niveau und beweisen teilweise viel Biss. Nates Vortrag ist gewohnt hungrig und klar, es fehlt allein die textliche Bandbreite, denn die sich wiederholenden Thematiken werden durch die große Anzahl an Tracks nur zu augenscheinlich aufgedeckt. Vielseitigkeit und thematische Abwechlsung sucht man vergebens.
Nate57 ist jedoch an sich eine Bereicherung für den deutschen Rap mit authentischen Facetten und hoher Motivation.
3/5
Ich muss ehrlich sagen, ich hätte nicht mehr dran geglaubt, dass Nate jemals wieder was releast, geschweige denn, dass ich es mir in dem Fall überhaupt anhören würde. Um so gelungener kommt die Überraschung um die Ecke. Soundtechnisch und thematisch das konsequenteste seiner bisherigen Alben, er konzentriert sich fast ausschließlich auf seine Stärken, von den paar eingestreuten Ausreißern finde ich die meisten auch gelungen.
Habe gerade im Vergleich zu den anderen 2 Alben insgesamt nur sehr wenig auszusetzen. Die Lyrics von "Chaos" finde ich natürlich ein wenig plump und naiv, allerdings gefällt mir der Beat irgendwie. Der Track mit Telly nervt irgendwie schon allein wegen der Hook extrem und "Zwischen Hölle und Eden" ist für mich der einzige Track, der komplett unhörbar ist. Highlights sind die 3 Singles, "Wie ne Platte die springt", "Mische für Mische", " Saxophon" und das Outro.
Insgesamt deutlich mehr auf der Haben- als auf der Soll-Seite. 4/5 und mein persönliches Highlight des noch jungen Deutschrap-Jahres.
Wo bleibt eigentlich die Review zum UFO-Tape?
Ist halt auch nicht so geil.
Finde es doch ganz gelungen um es sich ab und an zu geben.
Immer diese ewig langen Usertexte.
Fand das Ding eher langweilig, komme mit Nate nun mal nicht klar.