laut.de-Kritik
Der Kanadier macht auf Blues Brothers.
Review von Giuliano BenassiDie 1980er Jahre begannen für Neil Young denkbar schlecht. Weil seine ersten zwei Kinder an zerebraler Kinderlähmung litten, hatte er von 1978 bis 1982 die Livetätigkeit weitgehend eingestellt. Zudem hatte er das Label gewechselt. Auf "Trans" tobte er sich 1982 mit Keyboards und Roboterstimme aus, "Everybody's Rockin'", eine wenig überzeugende Rockabilly-Nummer, brachte es ein Jahr später nicht einmal auf 25 Minuten Länge brachte.
Fans und Kritik rümpften, wenig überraschend, die Nase, Labelchef David Geffen war dermaßen wütend, dass er Young vor Gericht zerrte. Die Begründung: Er mache Musik, die für ihn untypisch sei. Das Verfahren zog sich über mehrere Jahre. Young ließ weitere uninspirierte Werke folgen, von denen "Life" aus dem Jahr 1987 das letzte für Geffen war. Bezeichnenderweise ist es das Album Youngs, das sich bis heute am schlechtesten verkauft hat.
1987 zog Geffen die Klage zurück. Young fiel ein Riesenstein vom Herzen, und er kehrte zu seinem alten Label Reprise zurück. Als erstes – Young bleibt Young – lieferte er ein weiteres "untypisches" Album. Er hatte seine treue Begleitband Crazy Horse (Schlagzeug, Bass, Gitarre) mit einem Bläserensemble gepimpt. Das Ergebnis, "This Note's For You" (1988), hatte einen jazzigen Einschlag und huldigte dem Rhythm And Blues der 1950er Jahre.
Der kommerzielle Erfolg hielt sich in Grenzen, doch wenigstens sorgte Young mit dem Video zum Titeltrack für Schlagzeilen. "Ain't singing for Pepsi, ain't singing for Coke / Ain't singing for nobody / Makes me look like a joke", bezog er klar Stellung und ließ in einer Szene die Haarpracht eines Michael Jackson-Doubles in Flammen aufgehen. Zuviel für MTV, das sich weigerte, das Video auszustrahlen. Ein gefundenes Fressen für Young, der rhetorisch fragte, wofür das "M" stehe: für "Musik" oder für "Money"? Der Sender zog sich aus dem Schlamassel, indem er den Clip zum Video des Jahres kürte.
Mit seiner erweiterten Combo ging Young 1988 auf Clubtour. Auch wenn der Rahmen eher klein blieb, genießen die Auftritte bei den Fans Kultstatus, schließlich spielte Young dort einige Stücke, die er im Studio nie aufgenommen hat. Wie gewohnt zirkulieren einige schlechte Bootlegs, doch mit der vorliegenden Veröffentlichung im Rahmen seiner "Archives" schließt Young nun diese Lücke.
Die Soundqualität der Doppel-CD/ vier LPs ist erstaunlich gut. Young und seine zehn Mann starke Begleitband klingen wie eine Mischung aus Blues Brothers und Eric Clapton mit einer Prise Southern Rock und verrauchtem Jazz. Nicht schlecht, aber auch nicht wirklich spektakulär. In der Musik auf ging Young, der an den Auftritten hörbar Spaß hatte, zumal er der einzige Gitarrist war, sich austobte und stellenweise sogar richtig melodisch spielte.
Auf alte Lieder verzichtete er weitgehend. Eine der Ausnahmen, "On The Way Home", hatte er 1967 für Buffalo Springfield geschrieben. Dafür sind mit "Soul Of A Woman", "Bad News Comes To Town", "Ain't It The Truth", "I'm Goin'", "Crime Of The Heart", "Doghouse" und "Fool For Your Love" gleich sieben Stücke vertreten, die es in offizieller Form bislang nicht gab, zum Teil nur auf einer obskuren Compilation. "Ordinary People" veröffentlichte Young erst 2007 in einer veränderten Fassung auf "Chrome Dreams II".
Zwar ist es erstaunlich, Neil Young in diesem Soundgewand zu hören, doch handelte es sich für ihn nicht um eine Neuentdeckung, sondern um eine Rückkehr zu den Wurzeln. 1987 hatte er Winnipeg einen Besuch abgestattet, der kanadischen Stadt, in der er seine Jugend verbracht und erste Bühnenerfahrungen gesammelt hatte. Im Blue Note Café war es zu einer Jam Session mit seinen ehemaligen Weggefährten von The Squires gekommen, mit denen er fast ein Vierteljahrhundert zuvor nicht nur Folk, sondern auch Rhythm And Blues gespielt hatte.
Young war so von dem Treffen angetan, dass er beschloss, mit dem Material aus Squire-Zeiten als Neil Young & The Bluenotes auf Tour zu gehen. Unterwegs nannte er seine Begleitung in "Ten Men Working" um, da es (natürlich) schon eine Band namens Bluenotes gab, die sich wenig erfreut gezeigt hatte.
Grandios bleibt letztendlich nur die knapp 20-minütige Version von "Tonight's The Night". 1973 aufgenommen, aber erst 1975 erschienen, nahm Young im gleichnamigen Album von Gitarrist Danny Whitten und Roadie Bruce Berry Abschied, die beide an einer Überdosis Heroin gestorben waren. Eines von Youngs düstersten Stücken, dem die Bläsereinsätze durchaus bekommen.
Interessant ist auch, dass "Ten Men Working" und vor allem "Crime In The City" stark an das Lied erinnern, es sozusagen vorwegnehmen, das Young 1989 aus der Versenkung wiederauferstehen ließ: die Hymne "Rockin' In The Free World".
Das dazugehörige Album "Freedom" lieferte wohl den Grund, weshalb es keinen Nachfolger von "This Note's For You" gab. Young beschloss, nach der Tour wieder seinen Fender Deluxe-Verstärker und den alten, mitreißenden Rocksound auszupacken, den er Mitte bis Ende der 1970er Jahre ausgiebig gespielt hatte. Genau zum richtigen Zeitpunkt, denn kurz danach stürmte Grunge in die öffentliche Wahrnehmung, und Young konnte sich als Wegbereiter feiern lassen.
Damit begann eine neue, wieder erfolgreiche Schaffensphase in seinem Leben, die im Prinzip bis heute andauert.
1 Kommentar
Als Neil Young Fan muss man ja schon einen schweren Geldbeutel haben... ^^
Das Teil werde ich mir aber zu legen, denn mir gefallen die Genreausflüchte von Young sehr.