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Volker Eichener - "They Rocked The City"

Worum gehts?

Wie schon der Untertitel "Rockmusik und gesellschaftlicher Wandel" vermuten lässt, beschäftigt sich das Buch mit dem Jahrzehnt, in dem Musik und Kritik am Establishment Hand in Hand gingen: den 1960ern. Anhand unzähliger (mehr oder weniger bekannter) Songtexte analysiert und belegt Eichener, wie sich die Rockmusik und die jugendliche Protestbewegung, die sich nach Freiheit und Abgrenzung zum Spießbürgertum sehnte, gegenseitig beeinflussten und reflektierten. Häufig verwebt der Autor seine Analyse mit einer soziologischen Bestandsaufnahme, damit auch die Leser*innen, die dieses Jahrzehnt noch nicht bewusst mitgekriegt haben, genau wissen, wogegen da überhaupt rebelliert wurde. Wer die Entwicklung der Rockmusik nicht (mehr) so richtig auf'm Kasten hat - keine Sorge. Bevor sich Volker Eichener ins Getümmel der 60er schmeißt, schmückt er die musikgeschichtlichen Hintergründe des aufbrausenden Genres mit reichlich Details aus, die dem geballten Wissen mehrerer Lexika Konkurrenz machen könnten.

Wer hats geschrieben?

Der 1959 geborene Volker Eichener, der als Professor für Politikwissenschaften an der Hochschule Düsseldorf arbeitet, glänzt an der einen oder anderen Stelle als habilitierter Soziologe und ließ sich in musikwissenschaftlichen Fragen von Hubert Minkenberg beraten. Während seiner Tätigkeit als Konzertveranstalter erlebte er zudem immer wieder verschiedene Künstler*innen der Rockmusik hautnah mit.

Wer solls lesen?

Leute, die vor allem eines haben: Zeit. Und was zum Schreiben, da das Buch 700 Seiten geballte Information enthält, die aber keineswegs langweilig gerät. Vor allem nicht für diejenigen, die sich für Rockmusik oder eben für die damalige Protestbewegung interessieren. Für manche Passagen (vor allem die, in denen sich Eichener in seinen soziologisch-philosophischen Erklärungen verliert) braucht man schon einen langen Atem. Bei solch einer Hülle und Fülle verschiedenster Verflechtungen kann man das aber durchaus verknuspern. Anders ausgedrückt: Das Buch ist etwas für all diejenigen unter uns, die zehn arte-Dokus am Stück schauen können, ohne einen Funken Langeweile zu verspüren.

Das beste Zitat:

Eichener beschreibt Hannes Waders Talking Blues "Der Tankerkönig" (1972) unter anderem wie folgt:

"Der durchgeknallte Terrorist, der inzwischen mindestens zwei Morde auf dem Gewissen hat, kapert eine spiritistische Sitzung, um mit dem Geist des Revolutionsführers Ché Guevara Kontakt aufzunehmen, der ihn allerdings als Verrückten abkanzelt, der noch nie etwas 'von organisiertem Klassenkampf gehört hätte'. Eine weitere skurrile Szene mit einem kopulierenden Pärchen führt am Ende die Polizei auf seine Spur."

Auch wenn es kaum absurder geht, traf der Song wohl trotzdem einen Nerv:

"Irgendwie verkörperte der kaputte Held auch die unerfüllbare Sehnsucht einer ganzen Generation, aus der Gesellschaft auszusteigen, alle Normen zu brechen, etwas ganz Verrücktes zu tun und danach in Ruhe (und aller finanziellen Sorgen ledig) seine Joints zu rauchen.""

Wertung: 4/5

Text von Michelle Aumann

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