Blixa Bargeld: Vom Hausbesetzer zum Gourmet-Punk

Der Kopf der Einstürzenden Neubauten veröffentlicht mit 50 Jahren ein neues Buch und plaudert über sein Leben als Feinschmecker.

Berlin-Mitte (thk) - Blixa Bargeld hat vor kurzem seinen 50. Geburtstag gefeiert und kehrt nach seinem Abgang bei Nick Cave And The Bad Seeds nebenberuflich auch wieder als Autor zurück. Dieser Tage erscheint mit "Europa kreuzweise - Eine Litanei" eine Art Tour-Tagebuch samt integriertem Restaurantführer. Den banalen Enthüllungsroman über das Innenleben der Einstürzenden Neubauten konnte jedoch keiner ernsthaft von Herrn Bargeld erwarten.

"Mindestens die Hälfte frei erfunden"

"Darüber haben sich viele sehr geärgert", wundert Bargeld sich im aktuellen Interview mit dem Spiegel. "Dabei habe ich von Anfang an gesagt, ich schreibe über eine Konzertreise in Europa, aber ich spare den Mittelpunkt aus. Ich selbst komme nicht vor, es kommen keine Konzerte vor und meine Bandkollegen erwähne ich höchstens in Halbsätzen".

Stattdessen bedient der geläuterte Feinschmecker seine Leser mit Rezepten und Restaurant-Tipps. Denn die Zeiten, in denen Blixa der alltäglichen Tour-Monotonie mit Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz getrotzt hat, sind endgültig vorbei. Jetzt stehen Nobelrestaurants und Museumsbesuche auf seinem Kontrastprogramm.

Bionade statt Booze

"Warum mich das nun gerade so reizt, hängt vielleicht damit zusammen, dass ich viele meiner Leidenschaften meines Rockstar-Lebens, die teils illegaler Natur waren, aufgegeben habe", begründet Blixa seine neue Schwäche für die Sterne-Küche. "Deswegen macht mir das doppelt Spaß. Ich habe die meisten Dinge in meinem Leben noch nie gegessen. Ich bin Preuße, bei uns zu Hause war mit Kochen nicht viel los. In Berlin wächst nichts und in meiner Jugend gab's auch nichts", so der Neo-Karnivore. Nachdem er 30 Jahre Vegetarier war, steht jetzt seiner chinesischen Frau zu Liebe auch wieder Fleisch auf dem Speiseplan.

"Ich war nie der Punk, der vorm Postamt rumsteht."

Solcherlei Gaumenfreuden könnte sich Bargeld mit den Einkünften der Neubauten allein nicht leisten. Doch dank 20 Jahren Fleißarbeit bei Nick Cave And The Bad Seeds, beachtlichem Backkatalog und Werbeauftritt für einen Heimwerkermarkt muss Blixa heute nicht mehr jeden Euro zweimal umdrehen.

Bissige Seitenhiebe aus der Szene lassen da naturgemäß nicht lange auf sich warten: "Mir wird ständig Verrat vorgeworfen, früher hätte ich dieses und jenes gesagt, das würde alles nicht mehr zu dem 'Haste mal 'ne Mark'-Gebaren passen, das wir früher angeblich draufhatten. Als wäre ich je der Punk gewesen, der vorm Postamt rumsteht."

"Ich bin im Moment kein Hausbesetzer"

Doch nur weil Blixa seinen selbstzerstörerischen Lebensstil mittlerweile gegen Maßanzüge eingetauscht hat, bedeutet das nicht, dass der Geniale Dilettant handzahm geworden ist. "Ich betreibe alles mit derselben Bodenlosigkeit wie früher, es hat nur einen anderen Namen. Gut, ich bin im Moment kein Hausbesetzer. Das ändert aber nichts an meinen politischen Überzeugungen. Ich denke nicht nachträglich, dass an der Hausbesetzerbewegung in Berlin irgendwas falsch gewesen wäre."

Blixa macht jedoch keinen Hehl daraus, dass der Anarcho-Pfad spätestens bei dem Eigenheim in Berlin-Mitte endet. "Das kann man mir dann wieder schön vorwerfen: vom Hausbesetzer zum Bionade-Biedermeier!"