Wie hanebüchen darf es sein? Der Antilopengangster und sein Co-Autor Martin Seeliger haben es nicht herausgefunden. Leider.

Köln / Berlin (dani) - Wenn als Verfasser Panik Panzer und Martin Seeliger vom Einband grüßen, überrascht nicht besonders, dass wir keine klassische Rapper-Biografie kredenzt bekommen, wie sie der riva Verlag normalerweise so unters Deutschrap-affine Volk wirft. Wie wütend, ratlos und am Ende komplett resigniert mich "Der beste Mensch der Welt" (riva Verlag, 208 Seiten, Paperback, 17 Euro) zurückgelassen hat, fand ich dann doch ein bisschen faszinierend. Immerhin das.

Hä?

Ehrlich gesagt, bin ich mir auch am Ende der gut 200 Seiten noch nicht sicher, was genau das jetzt bitte gewesen sein soll. Hä? Die einzig leidlich plausible Erklärung, die mir einfällt: Es muss sich um ein soziologisches Experiment handeln. Um einen Test, um herauszufinden, WIE hanebüchen der Dreck sein darf, den sich der riva Verlag noch unterschieben lässt, bis die einem den Vogel zeigen. Hätte das mal besser jemand getan, man hätte Papier und Energie sparen können, und eine ganze Menge Lebenszeit.

Mir ist wirklich vollkommen schleierhaft, wer dieses ziellose Gefasele mit Interesse oder gar mit Vergnügen lesen sollte. Hätte ich eine Wahl gehabt, ich hätte dieses Buch nach dem zweiten Kapitel wahlweise der Altpapiertonne oder dem nächsten Verschenkmich-Regal überantwortet. Spätestens da war der von vorneherein schon leicht ranzige Witz nämlich auserzählt. Der Antilopengangster und sein Sekundant, Dr. Shitler, walzen ihn aber - wie sie ja selbst zugeben, um die Zeichenzahlforderung des Verlags zu erfüllen - gnadenlos auf 200 Seiten aus.

Panik Panzer will gar nicht oder maximal in sehr homöopathischen Dosen aus seinem echten Leben erzählen: okay. Eine völlig nachvollziehbare Haltung, allerdings eine fragwürdige Basis für eine Autobiografie. Zusammen möchten die Herren Pongratz und Seeliger (unterstelle ich ihnen zumindest) zum einen den riva Verlag, zum anderen die durchschnittliche Rapperbiografie vorführen: im Grunde ein ehrenwertes Ansinnen. Wenn sich dabei gleich das Gehabe und Gelabere unter Hip Hop-Realkeepern oder Links-Aktivist*innen auf die Schippe nehmen lässt: doch eigentlich win-win, oder?

Phrasen-Parade deluxe

Tatsächlich gerät "Der beste Mensch der Welt" aber nicht zu einer feinen Satire, nicht einmal zu einer plumpen. Dieses Buch reiht ausschließlich meist eher mehr als weniger unangenehme Phrasen aneinander, durchsetzt mit Markennamen. Dass die beiden Autoren das (natürlich!) mit voller Absicht genau so gemacht haben und das bestimmt "irgendwie ironisch" zu verstehen ist, ändert nichts daran, dass man eine einzige Floskelparade liest.

Panik Panzer karikiert sich (extra, klar, das macht es aber nicht weniger doof) als vollkommen unrealistischer Überheld. In Episoden inszeniert er sich als Feuerwehrmann, Fernfahrer, Bundeswehrsoldat, Immobilienspekulant, Drogenbaron, Bürgermeistermörder, Schutzgelderpresser auf einem Kreuzfahrtschiff oder Bodybuilder ... Das könnte leidlich lustig sein, geriete die Hauptfigur nicht durch und durch unsympathisch. Mit einer eklig großmäuligen, neoliberalen Schickeria-Koksnase möchte ich halt auch dann ungern meine Zeit zubringen, wenn es sich nur um eine Kunstfigur handelt.

Dass ich beide Autoren "in echt" eigentlich interessant und sympathisch finde, macht die Sache nur trauriger. Man erfährt original nichts, über nichts und niemanden. Die einzige halbwegs glaubwürdige Passage steckt in der Szene, die die Qualen eines Pummelchens bei den Bundesjugendspielen beschreibt, denn diese Situation kennt wahrhaftig jedes unterdurchschnittlich sportliche Kind. (Ich weiß das.)

Was haben wir gelacht!

Um eine stringente Geschichte scheren sich Panzer und Seeliger einen Scheiß. Die einzelnen Kapitel sind, wenn überhaupt, nur über ein paar unfreundliche Publikumsbeschimpfungen miteinander verbunden. Die unentwegt offensiv eingestreuten Fehler wirken wie der Versuch, einen mittelprächtigen T-Shirt-Meme-Gag nachzuerzählen.

"Das Mittelalter war, um es mit einer meiner liebsten Songwriterinnen, Judith Holofernes, zu sagen, eine 'geile Zeit'.

Hahahaha! "Boys Don't Cry" IST doch gar nicht von Depeche Mode, und das Artwork stimmt AUCH nicht!!! Hahaha! Was haben wir gelacht. Deswegen zieht "Der beste Mensch der Welt" diese Karte nochmal. Und nochmal. Und nochmal.

Wenn ihnen gar nichts mehr einfällt, zählen Panik Panzer und Martin Seeliger eben eine halbe Seite oder länger irgendwelchen Kram auf. Attraktionen, die (angeblich) an einer bestimmten Autobahnraststätte auf Kundschaft warten, oder Waren aus einem Supermarktsortiment, und, ja, es ist genau so langweilig, wie man sich das vorstellt.

Ratlos, wütend, resigniert

Da einen der nichtexistente Plot und die (gewollt) ausgelutschten Formulierungen nicht fordern, zumindest mich nicht, blieb mir reichlich Zeit, um während der Lektüre meine eigene Gemütslage zu beobachten: Fühlte ich mich anfangs noch zu etwa einem Drittel orientierungslos und zu zwei Dritteln verärgert angesichts dieser kolossalen Zeitverschwendung, ist mir offenbar irgendwo in der Mitte der Zorn ausgegangen.

Zur Ratlosigkeit und der drängenden Frage, was zum Henker diese Scheiße soll und warum genau dafür Bäume sterben mussten, gesellte sich bleierne Resignation. Okay, dann les' ich diesen Mist halt zuende. Ich werde immerhin dafür bezahlt. Euch allerdings rate ich zu einem anderen Buch. Zu irgendeinem. Die Chance, dass es besser unterhält als dieses, halte ich für ziemlich groß.

(Trotzdem) Kaufen?

Panik Panzer & Martin Seeliger - "Der beste Mensch der Welt"*

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Fotos

Antilopen Gang

Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger)

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2 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor einem Jahr

    Dachte das würde mehr in die Schamoni-Richtung a la Risiko des Ruhms gehen, aber das klingt ja mal nach gar nix. Da hätte ich den Burschen doch mehr zugetraut.

  • Vor einem Jahr

    Ich liebe einfach alles an dem Buch: Den Humor, die Selbstironie, und die Mischung aus fiktiven und autobiographischen Geschichten dieses genialen und zeitkritischen Musikers. Für mich ein absolutes Must-have als Panik Panzer und Antilopengang-Fan.

    Sollte die Welt regieren. Aber nur zusammen mit Danger Dan und Koljah! Auf Sie mit Gebrüll.