Der Bundesgesundheitsminister fordert die Absage von Großveranstaltungen. Die Konzertbranche reagiert verhalten: Spahn habe leicht reden.

Berlin (ebi) - Um die Ausbreitung des neuen Coronavirus einzudämmen, empfahl Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, Großveranstaltungen mit über 1.000 Besuchern präventiv abzusagen. Dies geschehe angesichts der dynamischen Entwicklung der letzten Tage immer noch zu zaghaft, sagte er am Wochenende in Berlin. Konkret nannte Spahn Bundesligaspiele, Messen oder große Konzerte.

Das Robert-Koch-Institut betrachtet Großveranstaltungen ebenfalls als Risikofaktor. In Deutschland gibt es mittlerweile über 1.100 nachgewiesene Infektionen. Besonders betroffen ist der Landkreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen: Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann kündigte gestern in der ARD-Sendung "Anne Will" auch an, Spahns Empfehlung umsetzen zu wollen. Konkret zuständig für Veranstaltungsverbote sind Ordnungsämter bzw. Gesundheitsbehörden. In Deutschland liegt die Kulturhoheit primär bei den Bundesländern.

Risikofaktor: Großveranstaltungen

Während die Politik Spahns Forderungen unterstützt, sieht der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV) Veranstaltungsabsagen im großen Stil in einer aktuellen Stellungnahme kritisch. Man bevorzuge "adäquate Einzelfall-Entscheidungen", bei der "die Gesundheit der Kunden, aber auch deren Begeisterung für die jeweiligen Events" abzuwägen seien.

Die letztendliche Entscheidung über die Durchführung von Veranstaltungen liege gleichwohl bei den zuständigen Behörden: "Bis auf Weiteres werden deshalb alle Veranstaltungen unabhängig von der jeweiligen Teilnehmerzahl planmäßig durchgeführt. Eventuelle Absagen von Veranstaltungen von 'hoher Hand' werden selbstverständlich umgehend umgesetzt. Für diesen Fall verfügt die DEAG über einen vollumfänglichen Versicherungsschutz". In der Branche fürchtet man Millionenverluste.

"Jens Spahn hat leicht reden"

Überregionale Konzertveranstalter wie MCT halten sich angesichts der sich ständig ändernden Informationslage mit ausführlichen Statements zurück. Tobias Dietermann, Director Marketing & PR bei Wizard Promotions, eine Konzerngesellschaft der DEAG, verweist auf die Meldung des Mutterkonzerns. Noch verzeichne man zudem kaum Einbrüche bei den Ticketverkäufen. Im Hause FKP Scorpio sieht es ähnlich aus: "Wir stehen in engem Kontakt mit den zuständigen Behörden in den jeweiligen Bundesländern. Bislang verzeichnen wir für unsere Veranstaltungsformate keinen signifikanten Rückgang im Vorverkauf", so PR & Marketing Coordinator Jonas Rohde.

Auch bei Live Nation mussten bisher Tourneen weder abgesagt noch verschoben werden. Man beobachte die Situation aufmerksam und folge den Anweisungen der Gesundheitsbehörden: "Die Gesundheit von Künstlern, Fans und Mitarbeitern hat für Live Nation oberste Priorität und steht bei allen Überlegungen stets an erster Stelle", betonte Pressesprecherin Katharina Wenisch gegenüber laut.de.

In Nürnberg nimmt Peter Harasim vom Concertbüro Franken derweil kein Blatt vor den Mund: "Jens Spahn hat leicht reden. Wenn wir fünf bis zehn Veranstaltungen in dieser Größenordnung absagen müssen, können wir dicht machen. Wir vom Concertbüro müssen rund 150 Lohntüten jeden Monat füllen. Wie soll das gehen ohne Einnahmen?", zitiert ihn Nordbayern.de. Schon allein Spahns Aufforderung führe zu Einbußen: "Das ersetzt uns alles niemand".

Versicherungen zahlen nicht bei 'freiwilliger' Absage

Viele Veranstalter sind zwar gegen das Risiko ausfallender Konzerte versichert. Der Versicherungsfall tritt aber in der Regel nur ein, wenn die Konzerte wirklich ausfallen müssen. Beispielsweise weil sie von den Behörden verboten wurden - was bisher die große Ausnahme ist.

Die Veranstalter können es sich also gar nicht leisten, Konzerte aus 'Vernunftgründen' abzusagen - egal was Spahn fordert. Zumal auch eine andere Klausel, die oft in den Geschäftsbedingungen steht, erst bei einer erzwungenen Absage zur Anwendung kommt: wenn ein Konzert 'höherer Gewalt' zum Opfer fällt, haben die Ticket-Käufer meist keinen Anspruch auf Schadensersatz.

In der Schweiz griffen die Behörden anders als in Deutschland bereits vor zehn Tagen zu einem Veranstaltungsverbot: Bis zum 15. März wurden alle Events über 1.000 Besucher landesweit abgesagt, einzelne Konzert- bzw. Kulturlocations schlossen sogar komplett. Auch die französische Regierung hat mittlerweile Veranstaltungen mit über 1.000 Teilnehmern verboten.

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8 Kommentare mit 52 Antworten

  • Vor 4 Jahren

    Nicht, dass er sich damit sonderlich von den meisten seiner Vorgänger oder anderer amtierender oder ehemaliger Minister abheben würde, aber Spahn ist auf dem sein Ministerium betreffenden Fachgebiet ein Nichtsnutz.

    • Vor 4 Jahren

      Er hebt sich insofern noch davon ab, als dass er Grundrechte mit Füßen tritt. Aber wie schön, dass durch den Corona-Virus alle wieder ein "richtiges" Thema zum Reden haben.

      Komisch, ich muss viel öfter an Kinderarmut denken, als an dieses Virus. Geht das nur mir so, oder bin ich nicht leicht abzulenken?

    • Vor 4 Jahren

      Hebt er sich damit wirklich ab? :lol:

      Nicht falsch verstehen, covid ist ein wichtiges Thema, beim Umgang der Regierungen und Behörden in Deutschland mit diesem muss man froh sein, dass das Virus nicht gefährlicher ist. Und hoffen, dass das bis zur nächsten Pandemie besser wird.

    • Vor 4 Jahren

      Haha, ich hätte da schon einige Ansätze, wie Herr Spahn schon im Voraus glänzen könnte.

      Kleiner Tipp: Es ist multiresistent und lebt immer im gleichen Haus.
      Achja, genau: Und zur Zeit spricht keiner davon.

      Na, na, na … !?

    • Vor 4 Jahren

      Multiresisrente Keime? Über die wird in der Fachwelt durchaus gesprochen. Die sind aber nur die Wirkung eines anderen Problems: Personalmangel und Personalschlüssel die zu Zeitmangel des Personals führen.

    • Vor 4 Jahren

      Personalmangel und Schnitzel!

  • Vor 4 Jahren

    da ich, meine partnerin sowie meine beiden eltern zu den risikogruppen gehören, ist mir die kinderarmut zur zeit doch ziemlich EGAL!!!

    ich weiss was du sagen willst und da gebe ich dir auch recht!!!

    es nützt aber nichts, wenn wir einfach das gefühl haben, es sei schon gut und nicht so schlimm...

    in ein paar monaten sind wir alle schlauer und dann wird es wohl heissen, warum hat man damals nicht...

    in dem sinne...
    lasst euch nicht anstecken von der panik...
    behaltet euren gesunden menschenverstand...
    uuuuuuuuuuund
    bleibt gesund!!!

  • Vor 4 Jahren

    Habe jetzt gelesen, dass Schnupfen wohl doch ein Symptom ist! WO SOLL DAS DENN NOCH HINFÜHREN! AAAHHHHHHHHHHH1ßß11ßdRÖLF