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Los, Paul!

Wobei, vielleicht ist Haftbefehl doch nur die Nummer zwei, zum Mental Health-Rapper Nummer eins scheint sich ja wohl Sido aufzuschwingen. Wohin man auch schaut, tritt er gerade seine Geschichte breit. Freimütig erzählt er in Interview um Interview von Drogenexzess, Zusammenbruch und Entzug, seiner zerbröselten Ehe, der kaputten Beziehung zu seinem Vater und seinem Versagen gegenüber seinen eigenen Kindern, von Depression und Suizidgedanken und den Sprachnachrichten, die ein besorgter Kool Savas ihm schickte.

Meine.
Fresse.

Ich muss echt aufpassen, dass ich nicht übertrieben garstig werde. Klar ist das alles schlimm. Klar ist ein offener Umgang mit psychischen Problemen begrüßenswert, hallo! Klar ist super, wenn jemand mit einer Reichweite, wie sie Sido nun einmal hat, solch sensible Themen anspricht. Aber, ey ... ich kann einfach nicht anders, als den Zeitpunkt dieses Seelenstriptease' mehr als nur ein bisschen ekelhaft zu finden. Pünktlich in der heißen Promophase zu dem Album, das sie bei Universal (offenbar völlig frei von Angst vor Floskeln) als "das persönlichste seiner Karriere" bewerben, echt jetzt? Psychoprobleme als Verkaufsargument? Ich finds unanständig.

Dabei hatte ich das Fass, das Kollege Fabian Soethof da in seinem Kommentar im im Musikexpress aufgemacht hat, noch nicht einmal im Sinn. Stimmt aber auch: Wie kann es eigentlich sein, dass jemand wie Sido (oder Kurt Krömer) Meltdown, Klinikaufenthalt, Therapie und Verarbeitung seiner Erfahrungen in einem Album (oder Buch), das sich mit dem ganzen persönlichen Drama dann auch noch bestens bewerben lässt, in wenigen Monaten unterbringt, während Otto-Normal-Gebeutelte ein Jahr und länger auf einen verdammten Therapieplatz warten müssen?

However. "Paul" erscheint am 9. Dezember, und ich stell' jetzt schon fest: Ich möchte nichts damit zu tun haben.

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