Porträt

laut.de-Biographie

Haftbefehl

"Asozial, hart, direkt ins Gesicht", so beschreibt der Mann mit dem klingenden Namen Haftbefehl sein Schaffen. "So wird es immer bleiben, und ich werde mich auch nicht ändern." Klingt, wie der tausendste Aufguss des ausgekochten Teebeutels der Marke "Deutscher Straßenrap".

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Eins jedoch ist anders: Die einschlägigen Medien übertrumpfen sich geradezu mit Lobreden. "Humorvoll, eigenständig, trotzdem glaubwürdig", urteilt die Juice und jubelt Haftbefehl gar zum möglichen Reanimator eines totgesagten Genres hoch. 16bars wähnt Haftbefehl unter "den beliebtesten und talentiertesten Künstlern des Landes". Die Feuilletons der großen Zeitungen brauchen etwas länger, schlagen dann jedoch in die selbe Kerbe. Es lebe die Pressefreiheit.

Nicht von der Hand zu weisen: Der Sohn kurdischer Einwanderer aus der Türkei tritt einen veritablen Internet-Hype los. Mehrere Hunderttausend Klicks fährt sein Beitrag zur "Halt Die Fresse"-Reihe ein, Tausende fühlen sich zum Kommentieren des Tracks bemüßigt. Als Haftbefehl Ende 2010 sein Debüt "Azzlack Stereotyp" vorlegt, kennt ihn in der Szene jedes Kind.

Die persönliche Odyssee hat Haftbefehl da längst hinter sich. Geboren in Offenbach am Main, entwickelt er sich nicht gerade zum Traum stolzer Eltern. Die Schule schmeißt er mit 15, wenig später lernt er den Jugendarrest kennen. Weitere krumme Dinger schließen sich an. Der auf ihn ausgestellte Haftbefehl, dem er später seinen Künstlernamen verdankt: die Quittung für ein Betrugsdelikt.

Kein Mensch, der halbwegs alle Tassen im Schrank hat, will ins Gefängnis. Haftbefehl auch nicht: Er setzt sich 2006 zusammen mit seinem Bruder, der ebenfalls Dreck am Stecken hat, in die Türkei ab. Einige Zeit halten sich die beiden in Istanbul auf, streunen später in die Niederlande, wo sie erst in Amsterdam, dann bei einem Cousin in Arnheim Unterschlupf finden.

Im selbst gewählten Exil schreibt Haftbefehl, inspiriert von der Musik Notorious B.I.G.s und reichlich französischem Rap, seine ersten Texte. Unter diversen Auflagen darf er dann doch nach Deutschland zurückkehren. Die angefangene Ausbildung zum KFZ-Mechatroniker steckt er trotzdem bald wieder auf.

Haftbefehl - Mainpark Baby
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Lieber betreibt Haftbefehl stilecht ein Wettbüro und kümmert sich um die Umsetzung seiner musikalischen Ideen. Sein Produzent Jamal stellt den Kontakt zu der von Jonesmann 2008 gegründeten Firma Echte Musik her. Bei einer Aufnahmesession beeindruckt der Offenbacher den Boss des Frankfurter Labels offenbar dermaßen, dass dieser ihn im Mai 2009 umgehend unter Vertrag nimmt.

Haftbefehl steuert seinen Teil zum Labelsampler "Kapitel 1: Zeit Für Was Echtes" bei, beteiligt sich an der Compilation "La Connexion", liefert Featureparts, unter anderem bei Manuellsen und Kollegah, ab und streut zahllose Freetracks unter sein wachsendes Fanvolk.

Ein angekündigtes Mixtape landet, wie zuvor bereits ein so gut wie fertig gestelltes Album, komplett in der Tonne. Man wolle sich lieber mit aller Kraft auf den Erstschlag konzentrieren. "Azzlack Stereotyp" zieht, durchsetzt mit türkischen, kurdischen und arabischen Vokalen, alle Register des deutschen Gangsterrap, auch wenn das versprochene Xatar-Feature angesichts der Umstände, unter denen der Kollege 2010 hopps genommen wird, leider ausfallen muss.

Grammatik und Reimstrukturen braucht offenbar kein Mensch. Haftbefehl jedenfalls nicht: Der sonnt sich in seiner Popularität und einem schier unerschütterlichen Selbstbewusstsein: "Ich mache keine Quattro- oder Achter-Reime, sondern richtigen Rap", lässt er gegenüber hip-hop-news.de verlauten. "Jemand, dem meine Musik nicht gefällt, der hat keine Ahnung von Musik."

Wahrscheinlich auch wegen solcher Aussagen sind der Verbreitung des Azzlacktums keine Grenzen gesetzt. Der Offenbacher versteht das Unterhaltungs-Business wie kein Zweiter.

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Unter seinem Label Azzlackz bringt er 2013 das Konzeptalbum "Blockplatin" unters Volk. Darauf enthalten: "Chabos Wissen Wer Der Babo Ist". Der Track zementiert seinen Status als Gangsterraper der originellen Art. Sein gewöhnungsbedürftiger Flow und die Slang-im-Slang-Sprache finden Anklang außerhalb der gewöhnlichen Rap-Kreise. Kein Wunder, dass der Begriff 'Babo' zum Jugendwort des Jahres gekürt wird. Sogar die Politik benutzt die unverwechselbare Rhetorik des Offenbacher Originals.

Übrigens setzt die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien "Blockplatin" zwei Jahre nach seinem Erscheinen auf den Index. Nach dem Urteil des Gremiums stiften die Texte zu Gewalt an, diskriminieren Frauen und verherrlichen den Missbrauch von Drogen.

Das nächste musikalische Ausrufezeichen folgt 2014 mit "Russisch Roulette". Kollegen stehen für Featureparts Schlange, der Rest der Szene spart nicht mit Lobesbekundungen. Hinterließ "Blockplatin" noch geteilte Meinungen bezüglich des künstlerischen Werts seiner Musik, überzeugt "Russisch Roulette" auch die letzten Kritiker. Die Zeit sieht in Haftbefehl nun den "deutschen Dichter der Stunde", der Straßenrap auf ein literarisches Niveau hebt.

Nach den beiden Singles "CopKKKilla" und "Depressionen im Ghetto" erscheint 2015 das Mixtape "Unzensiert". Hafti schlägt auf dem Tape sozialkritische Töne an, bietet aber auch harte Battletracks und viele Gastfeatures.

Unter den Namen Coup nimmt er mit Xatar "Der Holland Job" auf. Es beschert den Offenbacher seine erste Nummer Eins in den deutschen Albumcharts.

Rapper, Kollabo-Partner, Labelboss, Erneuerer der Sprache, inzwischen auch Familienvater: Haftbefehl hat offenbar kein Problem mit der Vielzahl der ihm zugeschriebenen Rollen.

Der Kragen platzt ihm jedoch, wenn seine Schützlinge nicht den Respekt entgegen gebracht bekommen, den sie seiner Meinung nach verdienen. Dann droht Haftbefehl im Eifer des Gefechts nicht nur mit der Fortsetzung von "Russisch Roulette", sondern auch gleich mit einem neuen "Azzlack Stereotyp". "Damit die Hater nicht nur für ein Jahr, sondern zwei ihre Fresse halten."

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