Seegang: mit Sick Of It All, The Subways, Dog Eat Dog von Bremerhaven nach Dover und zurück.
Nordsee (dp) - Festivalfeeling mal anders: Nimm uns mit auf die Reise, Kapitän! In diesem Jahr steigt zum ersten Mal die mehrtägige Wildact Tattoo Cruise (6. bis 11. Mai) auf der "Mein Schiff 4" und schippert von Bremerhaven über Rotterdam nach Dover und wieder zurück. Eine Kreuzfahrt für Tattoo-Begeisterte mit Staraufgebot. Szenegrößen wie Randy Engelhardt, Monika Scharnagl oder Derek Entenmann bis hin zu Bands wie The BossHoss, Dog Eat Dog und Stick To Your Guns bevölkern die Tattoo Convention auf hoher See.
Die einmalige Gelegenheit, seinen Idolen bei der Arbeit zuzusehen, sich selbst ein Erinnerungsstück auf der Haut mit nach Hause zu nehmen, neue Orte zu entdecken und Abends bei guten Drinks und hervorragendem Essen mit den hochmotivierten Bands zu feiern. Tätowierungen auf See haben eine lange Tradition. Der Legende nach brachte James Cook den Trend von seinen Pazifik-Reisen mit und löste einen wahrhaften Boom unter Matrosen aus.
Die Wildcat Tattoo Cruise knüpft genau hier an und baut die Möglichkeit, sich auf dem Schiff tätowieren zu lassen, durch die Diversität der Künstler:innen weiter aus. Auch Kreuzfahrten sind längst nicht mehr ein Vorrecht der älteren Semester. Seit vielen Jahren sticht bekanntlich auch die Wacken Full Metal Cruise in See und entertaint mit harter Musik in luxuriöser Umgebung und spannenden Destinationen.
"Die sehen aber unkultiviert aus"
Von den knapp 2.400 Cruise Passagieren sind zwei Drittel wegen der Convention da - der Rest hatte einfach Bock auf die Route. Kann dieser gemischte Publikumsverkehr gut gehen? Der erste Clash der Generationen ereignet sich noch vor dem Einschiffen, als ein gediegener Herr hörbar die bunten Neuankömmlinge kommentiert: "Die sehen aber unkultiviert aus!" Ganz so schlimm kann es also nicht sein, kostet die fünftägige Reise pro Person doch ab 899 Euro aufwärts, nicht gerade günstig auf den ersten Blick.
Für das gebotene Programm dann aber doch noch immer ein Schnapper. Für die meisten Gäste ist es zudem mitnichten die erste Cruise. Und so entpuppt sich die Reise gar als generationen- und szeneübergreifendes Event, das normale Kreuzfahrtler:innen mit den explizit nur aufgrund der Tattoo Convention Mitreisenden zusammenbringt. Und so geht der ein oder andere tatsäüchlich mit einem ungeplanten Tattoo nach Hause.
"Wir wurden überrannt"
Leider gibt es bei vielen Tattoo-Fans trotzdem auch lange Gesichter: Viele der Künstler:innen sind schon zu Beginn der Kreuzfahrt in Brmerhaven ausgebucht. "Wir wurden von der Nachfrage total überrannt", sagt Moni Scharnagl aus Bayern, spezialisiert auf florale Motive. Auch die Veranstalter Björn und Martin sind sich sicher: "Wir hätten doppelt soviele Künstler:innen einladen können, und es wäre noch immer nicht genug gewesen."
Immerhin nimmt Derek Entenmann aus Berchtesgarden noch spontane Termine an. Er sticht hier unter anderem realistische Elefanten und abstrakte Blumen. Die größte Menschentraube versammelt sich jedoch um den Großmeister der Realistik, Randy Engelhardt. Das Aushängeschild der Convention hatte auch bei der Auwahl der anderen Tattoo-Artists seine Finger im Spiel: Qualität wird hier groß geschrieben.
Tattoo-Talk mit Knorkator
Der fabelhafte Entertainer Nori Storm, selbst Betreiber eines Tattoo Studios (Black Pearl in Flensburg), sorgt im Rahmenprogramm für gute Stimmung. Beim beliebten Pubquiz herrscht in der proppenvollen 'Schaubar' ausgelassene Stimmung. Lustig und leicht führt Nori durchs Programm und fungiert auch als Moderator für die Tattoo-Talks mit u.a. Knorkator und Martin Siedler. Er ist auch Mitglied der Jury, die am Freitag die besten Tattoos der Convention kürt. Weitere Moderatoren und Ehrengäste sind Tattoo-Legenden Randy Engelhardt und Dirk-Boris Rödel sowie Daniel 'Tattoo' Krause.
Ein tolles Line-up: Comeback Kid und Stick To Your Guns
Wer lieber auf Livemusik steht, hat auf dieser Kreuzfahrt jeden Abend die Gelegenheit, mit zwei Bands an Deck abzurocken. Comeback Kid eröffnen am vergangenen Montag das musikalische Hauptprogramm und zeigen direkt, wie es auf so einer Cruise läuft: Der Graben zwischen Publikum und Bühne existiert eher pro forma. Die Grenzen verschwimmen spätestens dann, wenn sich Andrew Neufeld von der Bühne zum Publikum hinüber beugt, gemeinsam mit den Fans ins Mikro singt und das ganze Deck eine wilde Party feiert.
Im Anschluss haben es Jesse und Co. von Stick To Your Guns nicht schwer, dirket anzuknüpfen. Im Verlauf der restlichen Woche sieht man noch grandiose Auftritte von Deez Nuts, Sick Of It All und Jaya The Cat. Letztere bekamen das beste Wetter ab: sommerliche Temperaturen und ein glühender Himmel.
Positive Energie satt: Dog Eat Dog
Die Sympathieträger der Cruise heißen definitiv Dog Eat Dog, die vor positiver Energie nur so strotzen und wirklich jede:n zurück in die 90er katapultieren. Mit Hits wie "No Fronts" oder "Isms" beweisen sie nebenbei, dass sie auch 30 Jahre später noch aktueller sind denn je. Gänsehautmomente gibt es bei Grey Daze, der ersten Band des verstorbenen Linkin Park-Frontmanns Chester Bennington. Der jetzige Sänger Chris Hodges ist ein mehr als würdiger Ersatz. Mit eingängigen Melodien, charmantem 90er Alternative-Charme und viel Entschlossenheit ist diese Band auf dem besten Wege, die großen Bühne zu erklimmen. Bei ihrem Europa-Debüt nach sage und schreibe 23 Jahren Bandhistorie haben sie auf jeden Fall Fans hinzugewonnen.
Das Zugpferd: The BossHoss
Das diverseste Publikum sammeln bringen The BossHoss ein: Hier sind sich klassische Cruise-Besucher:innen und die Tattoo-Freaks einig: The BossHoss rocks the Boat! Proppenvoll ist es an Deck, als die Berliner mit R'n'R das Schiff euphorisieren. "Ich bin nur wegen The BossHoss hier! Zum ersten Mal habe ich sie in Westfalen vor 16 Jahren gesehen", freut sich Cruise-Teilnehmerin Gitta, ein Kreuzfahrtfan, der ansonsten mit Tattoos nichts am Hut: "Ich finde es aber spannend, was die Künstler hier machen!". Ein Tattoo schließe sie nun nicht mehr kategorisch aus.
Wer es gediegener (und wärmer) vorzieht, setzt sich in eine der vielen Bars und trifft dort eventuell auf den klassischen Gitarristen Andrea Chiarini, der u.a. virtuos Francisco Tárregas "Lágrima" in Vollendung präsentiert. Als letztes Highlight legen am Freitagabend The Subways bei klirrender Kälte an Deck los. Eines haben fast alle Acts gemeinsam: Am Ende der Gigs springen sie oder ihre Fans in den - zum Glück beheizten – Pool.
Tage auf See und Landausflüge
Auf See haben die Cruiser neben tattoo Convention und Livepro0gramm auch die Möglichkeit eines der vielen Freizeitangebote an Bord wahrzunehmen: Im Spa entspannen, zum Frisör zu gehen, Shoppen oder einfach zwischen Bar und Buffet pendeln. Vegetarisch und vegan sind ebenfalls im Angtebot. Die Landausflüge in Rotterdam und Dover sind entweder auf eigene Faust zu unternehmen oder als Rundum-sorglos-Paket buchbar. Ja, eine Kreuzfahrt kann Spaß machen - auch Menschen unter 60. Dieses Jahr waren Menschen zwischen sechs Monaten und 94 Jahren mit dabei. Hervorzuheben ist die positive Stimmung auf dem Schiff: Mit Sicherheit gehen Tätowierte und 'Normalos' mit weniger Vorurteilen in Bremerhaven wieder an Land.
Preise über Preise
Und zu gewinnen gibt es auch noch jede Menge: Lose von der Wacken Foundation versprechen Arne Blaschke zufolge u.a. Tickets für das Wacken Festival, eine PS 5 und eine Wacken Kuscheldecke. Der Erlös der verkauften Lose geht selbstredend alles für den guten Zweck. Ein künstlerisch gestaltetes und autographiertes Plakat gibt es bei Tattoo Krause zu gewinnen. Die Tattoo Artists haben zudem die Möglichkeit, ihre Arbeit zum Contest anzumelden und Preise für 'Best of Cruise' oder 'Best of Colour' abzustauben.
Die nächste Cruise ist in Planung
Aufgrund des großen Erfolges ist die nächste Tattoo Cruise bereits in Planung: Sie wird 2026 stattfinden. Wer dabei sein will, der sollte die Augen nach dem Vorverkaufsstart offen halten, denn mit Sicherheit wird diese bunte Fahrt 2026 in Nullkommanix ausgebucht sein.
Von Désirée Pezzetta.
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