Der Lange mit der Glatze ist tot. In der Erinnerung von Fans und Musikern lebt er weiter.

Düsseldorf (alc) - Florian Schneider ist tot. Der Lange mit der Glatze, der bei Kraftwerks Live-Auftritten ganz rechts am Rand stand, ist für immer von der Bühne gegangen. Bei der traditionellen Konzert-Verabschiedung der Band war er stets der erste, der sich mit einer tiefen Verbeugung gen Backstage verabschiedete. Während der Auftritte stand er meist stoisch und mit unbewegter Miene vor seinem Laptop und entlockte seinem Gerät ... ja, was eigentlich? Das ist nur eines der Geheimnisse, die er uns nun nicht mehr verraten wird. Es gab und gibt nur spärliche Informationen über seine Rolle im Kraftwerk-Kosmos. Die Synthetisierung der menschlichen Stimme lag ihm am Herzen und war denn auch ein essentieller Bestandteil des unverwechselbaren Kling-Klangs der Düsseldorfer.

Dass hinter der Fassade des stoischen Musikarbeiters ein lustiger und mitunter alberner Geselle steckte, der sich selbst und seine Figur des Mensch-Maschinisten nicht ganz so ernst nahm wie die Öffentlichkeit, ist naheliegend. Das belegte nicht zuletzt das Aufkommen des Internets mit seiner Verbreitung von Videos über Youtube und Konsorten. Da wäre zum einen das epochale Interview mit einer brasilianischen Moderatorin über einen bevorstehenden Auftritt Kraftwerks 1998. Dass Schneider überhaupt ein 'Interview' im Kraftwerk-Kontext gab, war schon fast sensationell. Wie er die unbedarfte Dame mit Nonsens-Antworten auflaufen ließ ... priceless. Nach dem Ausscheiden bei der Elektro-Institution im Jahr 2009 schien Schneider sichtlich gelöst, was auch sein ehemaliger Mitstreiter Karl Bartos in seinem Buch "Der Klang Der Maschine" bestätigte. Der Robo-Schneider war endgültig Geschichte.

Aber bereits zuvor war er nicht unbedingt die Type, die sich dem sagenumwobenen und streng geheimen Image der Mensch-Maschine gänzlich unterordnete. So stand er bereits 2001 im Sat.1-Fernsehfilm "Klassentreffen – Mordfall unter Freunden" vor der Kamera. In der fiktiven Band The Wandering Stars lieferte er mit Perücke einen Cameo-Auftritt ab, der bei näherer Betrachtung zum Schreien komisch anmutete. Den Conferencier der Band mimt Frank Jürgen 'Eff Jott' Krüger (Ideal), Marian Gold von Alphaville gibt den schmalzigen Sangesbruder, während im Hintergrund Elektro-Papst Klaus Schulze am Keyboard sitzt.

Starrummel um seine Person war Schneider eher unangenehm, was eine Anekdote bestätigt, die der Autor Philipp Holstein jüngst erzählte. In einem Düsseldorfer Café soll sich folgende Szene zugetragen haben: Beim Schlürfen eines Espressos betritt ein junger Mann den Laden und erblickt den Musiker. "Sind Sie der, für den ich Sie halte?" fragt dieser. Nach einem Schluck Kaffee antwortet Schneider dem Unbekannten: "Nein." Dazu passt auch der Gig im intimen Luxemburgischen Den Atelier aus dem Jahr 2002. Das Saal-Licht erhellte bereits das Auditorium, auf der Bühne standen noch die Stehpulte samt Laptops der Musiker. Vereinzelt herum gammelnde Besucher staunten nicht schlecht, als Florian erneut die Bühne betrat, um nach seinem Rechnerchen zu schauen. Gekleidet in einen braunen Anzug, auf dem Kopf eine alberne Cord-Brixton-Mütze, in der Hand einen Apfel, in den er noch einmal kraftvoll hinein biss. Herbeigeeilte Autogrammjäger, die ihm Vinyls zum signieren empor reckten, wimmelte er mit barschem Kopfschütteln und grummelnd ab, drückte ein paar Knöpfchen und verschwand so, wie er gekommen war.

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