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Platz 1: "A Thousand Suns"

Okay, jetzt dürft ihr die Mistgabeln rausholen. Als wäre "Reanimation" über "Hybrid Theory" nicht schon Frevel genug gewesen, besitze ich auch noch die Dreistigkeit, "A Thousand Suns" an der Spitze zu platzieren. Dabei veranschaulicht kein anderes Album in Linkin Parks Diskographie so schön, was diese Band schon immer ausmachte, wie dieses experimentelle Kleinod.

Linkin Park interessieren sich nicht für Erwartungshaltungen. Natürlich gilt das nur in dem Rahmen, der ihr Level der Popularität überhaupt erlaubt, aber je genauer man sich mit ihrer Diskografie auseinandersetzt, desto deutlicher wird die sich klar voneinander absetzende, vollständige artistische Vision hinter jedem ihrer Alben. Weil manche Metalheads auch über 20 Jahre nach "Hybrid Theory" noch dem Sound ihrer Jugend nachweinen, entging ihnen einer der spannendsten Left-Turns der jüngeren Rockgeschichte.

Wie macht man als Band weiter, nachdem man mit einer straighten Rock-Single wie "What I've Done" den größten kommerziellen Erfolg seiner Karriere hingelegt hat? Richtig, mit einem experimentellen Art Rock-Album über den nuklearen Holocaust. Es bedarf nicht besonders viel Fantasie, um zu verstehen, wieso "A Thousand Suns" zur Zeit seines Releases regelrecht gehasst wurde. Betrachtet man das Album jedoch mit etwas mehr Distanz, findet man ein regelrechtes Feuerwerk an kreativem Wahnsinn.

Inmitten zahlreicher meditativer elektronischer Interludes über Krieg und die Apokalypse treibt die Band ihr Songwriting zu neuen Höhen. "Waiting For The End" verbindet Reggae-Ryhtmen mit überlebensgroßen Art Rock zu einem der besten Songs, die die Band je schrieb. Die Progression der Ballade "Iridescent" vom stillen Kämmerlein zum Schrei von den Himmelsdächern geht erst unter die Haut und sticht direkt ins Herz. "Blackout" kippt vom elektronischen Screamo-Monster in den siebten Synthpop-Himmel. Inmitten von all dem finden Linkin Park Platz für "Wretches & Kings", eine wütende Proletarier-Hymne im Gewand eines Industrial-Rap-Songs.

Das Besondere an "A Thousand Suns" ist jedoch, wie nahtlos sich all diese Experimente in das Konzept der LP einfügen. Die Unmittelbarkeit, die Angst vor und die Wut über den bevorstehenden Untergang, die Linkin Park hier besingen, folgen im Verlauf des Albums einem thematischen wie musikalischen Spannungsbogen, der auf dem klimaktischen und unorthodox strukturierten "The Catalyst" ein explosives Ende findet. "God save us everyone / We're broken people living on a loaded gun", schickt Bennington da als Stoßgegebet gen Himmel, während ihm die apokalyptische Walze aus wummernden Synths stetig in den Nacken atmet. Der Epilog in Form des akustischen "The Messenger" weht wie ein letzter Appell an die Menschlichkeit über die Weiten des leeren Schlachtfeldes.

Keine Band vom Kaliber Linkin Parks wagte in den letzten zehn Jahren einen solchen massiven künstlerischen Schritt ins Ungewisse, und selten zahlte sich ein solches Risiko so sehr aus wie im Falle von "A Thousand Suns": eines der verkanntesten und größten Konzeptalben der letzten Dekade.

Highlights: "The Catalyst", "Iridescent", "Waiting For The End", "Wretches & Kings", "Burning In The Skies"
Lowlights: "Robot Boy"

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