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Nick Cave live in Zürich

Derweil schießt ein nervenaufreibendes Wimmern aus Warren Ellis' Micro-Korg kreuz und quer durch die Halle, die plötzlich kein Stahlbunker mehr ist, sondern Klangkörper für eine ganz neue Art von spiritueller Messe. Das atemberaubende Charisma des Vortragenden ist dabei natürlich der Fixpunkt der Show, aber es wäre ungerecht, alles an Cave festzumachen. Wie bei den Rolling Stones, Depeche Mode oder den Chili Peppers, braucht auch der Australier zumindest einen Sidekick und seit Blixas Ausstieg 2003 geht mittlerweile Warren Ellis, halb Catweazle, halb Fabelwesen, wie kein Zweiter in dieser Rolle auf. Der Mann mit den Gummibeinen wirft sich vornüber in seine Geige oder was er sonst so zwischen die Finger bekommt und übt damit vorbildlich rhythmische Sportgymnastik aus, wie sie mit 52 Jahren nicht alltäglich ist. Ein erhobener Finger von ihm und die anderen fünf Musiker wissen Bescheid. Bassist Martyn Casey, der nunmehr seit 32 Jahren trommelnde Thomas Wydler ("from Zurich, Ladies and gentleman", so Cave später), Multiinstrumentalist Jim Sclavunos an Marimba und Schellen, der dezent agierende Gitarrist George Vjestica und Keyboarder/Mellotronist Toby Dammit, der sich Larry Mullins (hihi) nennt, flechten einen wasserdichten Soundteppich, auf dem Cave mit der Routine von knapp 40 Jahren Bühnenerfahrung stolziert.

Der melancholische Auftakt kommt mit dem "Higgs Boson Blues" zu einem jähen Ende: Cave lässt den jungen Nick raus, fällt auf die Knie, brüllt die ersten Reihen an (ohne Mikro) und fordert das gesamte Auditorium auf, ihm gefälligst zu antworten: "Can you feel my heart beat?" Nur wenige Glückliche kennen die Antwort, jene nämlich, über die sich der Sänger zur Beweisführung herüberbeugt. Das hämmernde "From Her To Eternity" aus den frühen 80er Jahren sowie "Tupelo" lassen anschließend die etwas verkleinerte Spielfläche des Hallenstadions erzittern, inklusive Refused-Sänger Dennis Lyxzen, der wenige Meter neben uns steht.

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