Herausgeber Michael Büsselberg beantwortet Fragen über das Buch, in dem Zeichner und Illustratoren Songs der Indie-Band interpretieren.

Hamburg/Berlin (rnk) - Die eigene Idee an andere Künstler freigeben ist nicht immer einfach. Tocotronic kennen Fremdbearbeitungen schon von ihrem K.O.O.K.-Remixalbum, etwas später lief vor allem die "Freiburg 3.0"-Version von Console auf allen Kanälen. Musikalisch existieren also schon einige Variationen, die grafische Umsetzung durch Comic-Zeichner dagegen ist neu.

Das Buch "Sie wollen uns erzählen: Zehn Tocotronic-Songcomics" führt zehn Songs der Indie-Band an komplett andere Orte, mitunter existenziell in schwarz-weißer Melancholie von Tine Fetz oder als tragikomisches Familiendrama von Christoph Tauber und Katja Krengel. Auch die anderen Zeichner wie Jim Avignon, Sascha Hommer, Eve Feuchter, Anna Haifisch, Julia Bernhard, Moni Port, Jan Schmelcher und Philip Waechter begeistern mit mal surrealen, verspielten und eskaptistischen Ideen.

Toco-Drummer Arne Zank beteiligte sich ebenfalls an dem Buch und porträtierte den Werdegang seiner Band als hinreißenden Vogel-Comic. Fans der Band kennen diesen Stil schon von seinem Insta-Channel ZankwieStreit. Sänger Dirk von Lotzow erzählt uns in Liner Notes über die Idee hinter den Songs, während die Zeichner ihre Beziehung zu der Band erklären.

Herausgeber Michael Büsselberg, der ansonsten lieber in seinem Hauptjob als Redakteur im Hintergrund agiert, antwortete in einem Email-Interview auf Fragen zu der Intention von "Sie Wollen uns Erzählen", die Mitarbeit von Tocotronic und wie er die Rolle von Deutschland als Comic-Nation sieht:

Erzähl doch bitte, wie du ausgerechnet auf Tocotronic für diesen Comic-Band kamst und was die Band für dich persönlich bedeutet.

Eigentlich haben mich Jacques Dutronc und Tocotronic auf die Idee für das Projekt gebracht, weil ich - ganz einfach - Fan von beiden bin. Jacques Dutronc spielt insofern eine wichtige Rolle, da ich während eines Frankreich-Trips in der Buchabteilung eines Kulturkaufhauses "Chansons de Dutronc en bandes dessinèes" entdeckte und sofort von angetan war. An einem Claude Francois-ComicBand wäre ich wahrscheinlich achtlos vorbei gelaufen und es hätte den Tocotronic-Band vielleicht nie gegeben ;-)

Ich war zunächst auch davon begeistert, mittels der Comics mehr über die Texte zu erfahren, als das, was meine (eigentlich recht guten) Französisch-Kenntnisse erlauben. Von daher habe ich es erst auch ein wenig wie ein Fremdsprachen-Bildwörterbuch benutzt. Aber natürlich war die künstlerische Interpretation der Zeichner ausschlaggebend für die Idee mit Tocotronic. Bei muttersprachlichen Texten funktioniert das eigene Kopfkino in der Regel einfacher. Und vor allem Tocotronic-Texte sind je nach Schaffensphase von konkret bis metaphorisch mehr oder weniger frei assoziativ interpretierbar. Das gibt es ja bereits in Videoclip-Form, aber als Comic-Strip in einem Buch (hierzulande) noch nicht.

Belgien und Frankreich gelten eh als große Comic-Nationen, in denen Comics und Graphic Novels einen großen Stellenwert haben. Ich habe den Eindruck in Deutschland ist das noch nicht so?

Deutschland ist noch lange nicht so weit, und ich glaube nicht, dass wir jemals dahin kommen werden, aber die Richtung stimmt. Das zeigt vor allem die gestiegene Anzahl der Graphic Novel-Umsetzungen literarischer Werke in den letzten Jahren und viele in deutschen Übersetzungen erhältliche Graphic Novels und Comicbände aus dem französischsprachigen Raum.

In den großen Buchhandlungen sind das allerdings noch immer Special-Interest-Ecken, während Comics und Graphic Novels in den Buchabteilungen der großen Kulturkaufhäuser wie etwa FNAC mindestens ein Viertel der Verkaufsflächen einnehmen.

Wie (schnell) konntest du Tocotronic für das Projekt begeistern?

Das ging fix, die Anfrage mit dem Kurzkonzept verfing anscheinend sofort. Und hatte mit Sicherheit auch damit zu tun, dass ein kleiner, ihnen vertrauter Verlag dahinter stand. Die Zusage betraf zunächst die Erlaubnis, die Texte für das Projekt verwenden zu dürfen, was ja das wichtigste war. Wir konnten mit der Auswahl der Künstler beginnen. Dass wir dann zwei Tocos dafür gewinnen konnten Beiträge beizusteuern, Texte zu den Songs (Dirk von Lotzow) und eine Exklusiv-Story zur Bandgeschichte als Comic-Zugabe (Arne Zank), war natürlich "The icing on the cake"! Dafür nochmal meinen herzlichen Dank!

Würdest das Projekt noch einmal mit ein anderen Band wiederholen?

Hmmh, denkbar wäre das. Ich mag auch noch viele andere deutschsprachige Interpreten. Aber Tocotronic ist erstens eine große Herzensangelegenheit, die Band begleitet mich seit dem ersten Album, und zweitens bieten nicht alle Texte genug Spielräume für künstlerisch interessante Interpretationen. Bei Funny van Dannen oder den Lassie Singers beispielsweise sind die großartigen Texte doch überwiegend "1:1" erzählt. Mit möglicherweise in dieser Hinsicht geeigneteren Bands wie Element of Crime etwa verbindet mich persönlich zu wenig. Ob eine weitere mir nahestehende Band denkbar wäre, darüber habe ich noch nicht weiter nachgedacht. Wer weiß ... vielleicht gibt es eine Fortsetzung ;-)

Corona-bedingt fallen Lesungen aus. Eine Idee wie du das Buch trotzdem vorstellen, evtl. auch online, vorstellen könntest?

Ja, das ist sehr schade. Eigentlich war eine größere Release-Party geplant und zuletzt ein Presse-Event in Berlin. Das fällt leider auch aus. Auch wenn Digital ja besser ist, fürs socialising bevorzuge ich reale Begegnungen. Mal schauen, wie sich die Lage entwickelt.

"Sie Wollen Uns Erzählen: 10 Tocotronic-Comics" erscheint am 6. November 2020 über den Ventil-Verlag.

Sie Wollen Uns Erzählen: 10 Tocotronic-Comics*

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