laut.de-Kritik
Musikalisches Antidepressivum der Extraklasse.
Review von Ulf KubankeInmitten des trüben, regenbemantelten, bodenfrostigen Novembers taucht Newton Faulkner als ungebrochener last beachman standing auf. Seine bereits fünfte Schwalbe namens "Human Love" macht einen Sommer. Und wie! Mit der geliebten Akustikgitarre und einem ganzen Dschungel voller Afro-Rhythmen verwandelt er die Pfützen der dunklen Jahreszeit in seine eigene groovy Strandbucht. Heraus kommt ein Musik gewordenes Antidepressivum der Extraklasse.
Seit Jahren heften sich Vergleiche mit Peter Gabriels Gesang und Jack Johnsons Tracks wie Kaugummi an Faulkners Fersen. Statt Flucht oder Abwehr macht er hier, zumindest bei ersterem, aus der Not eine Tugend. Noch mehr Gabriel-Timbre, ebenso viel offensiver Afrika-Style wie bei Mr Genesis oder Paul Simons Klassiker "Graceland", und ab dafür! Vom Johnson-Touch emanzipiert er sich damit parallel. Faulkners Songwriting gerät bei aller Eingängigkeit mittlerweile wesentlich reifer als das seines amerikanischen Kollegen. Der Hang des Rastaman zum totalen Popsong macht ihn eher zu einer Art Singer/Songwriter-James Blunt in "gut".
Diese Platte markiert endlich den künstlerischen Fortschritt, den man sich von Faulkner schon lange Zeit wünscht. Die Hitdichte ist enorm. Nahezu jedes der elf Lieder eignet sich zur Auskopplung. Das ehedem starke Gefühl der Flüchtigkeit seiner Melodien ist fort. Statt die Stücke drei Sekunden nach ihrem Verklingen vom Winde verweht zu vergessen, bleiben sie als intensive Ohrwürmer präsent.
Ein besonderer Reiz von "Human Love" besteht in der Kombination von Faulkners gewohnt brillanter Sechssaitiger mit einer Woge vielfältiger Percussion-Elemente. Der frische Cocktail aus weißem Singer/Songwriter, schwarzem Kontinent und buntem Pop funktioniert prächtig. Das liegt auch am unwiderstehlich starken Sound, kongenial gemischt von Weltklasse-Mixer Cenzo Townshend (unter anderem U2s "No Line On The Horizon", A-Ha, Florence And The Machine, Franz Ferdinand).
Schon der Opener "Get Free", ein Cover des Major Lazer-Hits, schmeichelt sich wie Honig in Herz und Bauch. Die absolute Faulknerisierung lässt den Track erblühen. Einer der seltenen Fälle, in denen die Neuinterpretation interessanter als das Original ausfällt.
Die folgenden Eigenkompositionen des Mannes aus Surrey halten das Niveau spielend und setzen oft noch einen drauf. "Passing Planes" wandert den schmalen Grat zwischen Dancefloor-Killer und Hymne. Die fast schon unheimliche, zwillingshafte Ähnlichkeit seiner Stimme mit Gabriel macht das Lied ein wenig zu dem Song, den man von Peter dem Großen seit längerem gerne hören würde. Alle Freunde von "So" oder "Us" sollten unbedingt reinhören.
"Stay And Take" im Duett mit Tessa Rose Jackson haut in eine ähnliche Kerbe. Dramaturgisch perfekt fährt Faulkner die schweißtreibende Ausgelassenheit in der Mitte des Albums urplötzlich herunter. Das sanfte, sehr nachdenkliche "Break" lädt hier ebenso zum Chillen wie zum Grübeln ein: ein geschickt platzierter Hauch melancholischer Bitternis im farbenfrohen Reigen.
Letzterer schaukelt sich in der zweiten Hälfte Song für Song hoch bis zum Höhepunkt "Shadow Boxing". Die Afrikanismen pausieren hier zugunsten großer Stadion-Geste. Opulent und virtuos angerichtet von Faulkners Freunden Empire Of The Sun, die hier als Gastproduzenten auf ganzer Linie überzeugen.
Mit dem Titelstück, dessen stampfende Hintergrundpercussion ein paar Tropfen Tom Waits-Spirit atmet, klingt die schöne Platte wohlschmeckend bluesig aus.
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