laut.de-Kritik
Die glatt gestylte Boygroup des neuen Jahrtausends.
Review von Katja ScherleMan kann sich darüber freuen, dass Jugendliche Instrumente spielen und dazu selbst geschriebene Texte singen. Man kann sich aber auch von dem um sie veranstalteten PR-Zirkus ärgern lassen.
So glatt gestylt wie ein Babypopo kommt da eine amerikanische, vielleicht gerade so College-Punk-Band daher. Drei Jungs und ein Mädchen, "noch um einiges süßer als Avril Lavigne" (PR-Text), der jüngste 17, der älteste 22, die ebenso jungen willigen europäischen Zuhörern für die Industrie das Taschengeld aus entreißen sollen. Ebenso makellos produziert ist das musikalische Antlitz der Band.
Da haben wir zum Beispiel gleich den Einstiegstrack "For A Pessimistic I'm Pretty Optimistic". Ein Gitarrenriff rauscht perfekt produziert rasant heran, Sängerin Hayley Williams' Stimme wirkt wie eine perfekte Transplantation Avril Lavignes in einen etwas wütenderen Skater-Punk-Kontext. Dennoch lässt sich am Gesang nichts bemängeln.
Eine hübsche Melodie mildert die stürmenden und drängenden Gitarren und macht den Song gut hörbar auch für den erst beginnenden Bravo-Leser. "That's What You Get" ist insgesamt etwas sanfter, als kleine Verschnaufpause in der insgesamt perfekten Song-Zusamenstellung des Albums. Die Strophe macht gerade noch Halt vor allzu poppigen Gebieten, was dem jungen Ohr aber bestimmt nicht missfällt. Perfekte Stakkato-Gitarren in einer Bridge, die sich stolz bekennen zu ihrer Herkunft aus den Reglern von Papa Produzent.
Dann gäbe es noch "When It Rains". Regnen tut es natürlich vornehmlich in Balladen: Im Angebot haben Paramore für traurige Teenie-Momente so auch eine klassisch amerikanische Rock-Ballade mit ein bisschen sphärischen Gitarren. "Let The Flames Begin" steuert perfekt zielgerichtet die radiotaugliche Mid-Tempo-Region an. Anfangs in Rhythmus und Gitarre noch fast britpoppig wird der Song zur Mitte wieder perfekt laut. Eine hübsche Melodieführung lässt keine Wünsche offen.
In Anbetracht dieser perfekten Produktions- und Marketingperfektion möchte man sich doch nicht unwesentlich verärgert fragen: Für wie schlicht hält man die Zielgruppe eigentlich? Ein bisschen Wut, ein bisschen Trauer, eine hübsche Rothaarige am Mikro und ein paar süße Boys an der Gitarre für die jungen Damen zum Schwärmen und fertig ist die berauschende Jahresbilanz? Die wilde, vermeintliche ungeschliffene Punk-Band als umsatzstarke Boygroup des neuen Jahrtausends?
Andererseits: Lasst die Kids doch! Da haben sich halt zwei Brüder zusammengerauft und miteinander Musik gemacht. Einen weiteren Buben und ein Mädel später beschallen sie ihre Altersgenossen und kleinen Geschwister mit genau der Musik, die sie hören wollen. Ist doch schön, wenn die Jugend Instrumente spielt und dazu selbst geschriebene Texte singt.
Es sind ja Stücke dabei, die sich doch die Mühe zu geben scheinen, etwas anders klingen zu wollen. Auch wenn sich der Eindruck nicht dauerhaft halten kann – "Crush Crush Crush" ist mit seinem geflüsterten "crush crush crush" in der Bridge und seinem Rhythmus schon fast nu metal-haft. "We Are Broken" triphopt in der Strophe mit Rhythmus und Klavier ein wenig. Das Orgel-Fadeout am Ende bestätigt das.
Und "Fences" hält, was "Let There Be Flames" nur leer verspricht: Es vermischt charmant Britpop-Rhythmen mit im Refrain wiederum sehr amerikanischen Gitarren. So entsteht eine ausgereifte Softpogo-Vorlage.
In solchen Momenten lassen sie uns am gelebten Traum einer Schülergaragenband teilhaben. Das erinnert uns womöglich gar an die Zeiten, in denen wir selbst dachten, wir seien "Born For This".
23 Kommentare
hab schon gedacht, das review kommt nie...
finde den vergleich zwischen hayleys und avrils stimme doch ein bisschen dämlich.
@keroppi (« hab schon gedacht, das review kommt nie...
finde den vergleich zwischen hayleys und avrils stimme doch ein bisschen dämlich. »):
ich finde den vergleich gerechtfertigt.
paramore ist überflüssig.
Zitat (« Die glatt gestylte Boygroup des neuen Jahrtausends »):
ich versteh nich warum das ne boygroup is
yaah und stimmenvergleich is grechtfertigt...absolut
@Herr Andrack
zum Thema Muse Fans klicken keinen Paramore-Thread an: doch tun sie. ich bin der lebende beweis
ich mag muse und paramore ziemlich gern, wobei ich sagen muss, dass man diese bands nicht vergleichen kann. deshalb könnte ich auch nicht sagen, welche mir besser gefällt (obwohl:im moment wärs paramore)
und zum vergleich avril lavigne, hayley williams: sie klingen schon etwas ähnlich, aber hayley kann auch live singen;)
@Sabs_actually (« ich mag muse und paramore ziemlich gern, »):
Eine Band die sich gleichzeitig Gedanken um Probleme der Welt machen, aber auch Spaß am Leben haben. Den Vergleich zwischen Hayley Williams und Avril Lavigne können wirklich nur Leute machen, die höchstens das erste Album, All we know is Falling, gehört haben!
Hayleys Stimme hat sich sehr verändert, sie ist viel stärker und ausdruckskräftiger geworden.
Während der Sound sich gar nicht vergleichen lässt, da jedes Lied anders ist. Es gibt langsame Lieder, manche sogar mit tiefliegendem Hintergrund und wiederum welche, die einfach nur rockig sind, zum mitsingen und Spaß haben.
Die Band bleibt sich treu, lässt sich nicht von dem umherrschenden Hollywood Trubel aus der Fassung bringen. Hayley bemalt ihre T-Shirts immer noch selbst und trägt nicht, wie leider schon fast alle, die durch irgendwas groß raus gekommen sind, ganz mainstream Gucci oder sonst so einen überflüssigen Mist, den sie in Wahrheit ganz und gar nicht schön finden. Sie verkörpert das, was die Jugendlichen heutzutage alles haben sollten. Sie hat ihr Talent erkannt und hat sich gedacht "Fuck off, wieso sollten wir es nicht versuchen?", nahm sich ihre besten Freunde und mit ein wenig Selbstbewusstsein schaffte sie es, sich mit ihrer Band ihren Wunsch zu erfüllen und gleichzeitig ihr Leben so weiter zu leben wie sie es will. Die Band wechselte sehr oft ihre Mitglieder, doch Hayley gab nicht auf und nun können wir uns alle auf ein viertes, unvergleichliches Album einer Band freuen, die sich von Anfang an nicht verändern ließ!