laut.de-Biographie
Parliament
"... mehr als nur Parliament zu sampeln." (Kool Savas, "Haus und Boot").
1970 ist es so weit: Die Außerirdischen kommen. Ihre friedliche Mission: "One Nation Under A Groove". Im Gepäck befindet sich "Uncutfunk ...". Von der Brücke des Mutterschiffes befehligt Kapitän George Clinton (key, voc) seine Space-Invaders. Bernie Worrell (key) ist erster Offizier und führt dank seiner klassischen Ausbildung fast alle Manöver durch. Bootsy Collins sorgt mit seinem Bassspiel für die Kraftentwicklung von 500000 KW P-Funk-Power.
Weiterhin fliegen im Raumschiff Bootsys Bruder Catfish Collins (git), Eddie Hazell (git), Michael Hampton (git), von den JBs Maceo Parker (sax) und Fred Wesley (tb), Jerome Brailey (dr), Walter 'Juni' Morrison (key), Gary 'Muddbone' Cooper (voc), Raymond Davis (voc), Ron Ford (voc), Ramon Tiki Fulwood (dr), Rick Gardner (tr), Glen Goins (git), Glarence 'Fuzzy' Haskins (git), Tyrone Lampkin (dr), Cordell Mosson (b), Lucius Tawl Ross (git), Gary Shider (git), Dawn Silva (voc), Calvin Simon (voc), Grady Thomas (voc), Greg Thomas (horn), Janette "Baby" Washington (voc), Debbie Wright (voc), Shirley Hayden (voc), Billy 'Bass' Nelson (b) und Larry Hackstall (voc) mit. Die Besatzung besteht zusätzlich noch aus einer Vielzahl an Künstlern, die teilweise nur für ein paar Aufnahmen an Bord gehen, wie beispielsweise die Brecker Brothers auf "Dr. Funkenstein".
Chef Clinton versucht bereits 1955 mit einer Formation namens The Parliaments zu landen. In den ersten Jahrzehnt bringen sie es aber nur auf zwei magere Singles. 1967 können sie jedoch mit "(I Wanna) Testify" einen kleinen Hit vermelden. Trotzdem geraten sie danach mit ihrem Label Revilot Records in Streit. Clinton hat jedoch keine Lust zu warten, bis die rechtlichen Probleme ausgeräumt sind und beginnt mit der selben Besetzung unter dem Namen Funkadelic mehrere Alben aufzunehmen. Die Rechte für den Namen The Parliaments verkauft Reliot an Atlantic, doch Clinton will nicht zum Major Label wechseln. So veröffentlicht Atlantic nur das Stück "A New Day Begins" (1969).
Ein Jahr darauf erlangt George Clinton die Rechte an Parliament wieder. Er unterschreibt bei Invictus einen neuen Vertrg und bringt dort mit seiner Funkadelic-Crew das Debut "Osmium" heraus. Zu dieser Zeit schließt sich auch erst Bernie Worrell dem P-Funk-Mob an, obwohl er Clinton schon seit den 50ern kennt. Als nächstes stoßen die Collins Brüder zu Parliament, nachdem diese kurz zuvor mit James Brown ein paar der besten Funk-Stücke aller Zeiten eingespielt haben. Zunächst liegt Parliament aber erst einmal auf Eis, denn die Mitglieder widmen sich im Rahmen von Funkadelic dem gitarrenorientierten Funk.
1974 leitet die "Mothership Connection" ihre große Invasion ein. Sie veröffentlichen das Album "Up For The Downstroke", auf dem sie den typischen P-Funk-Stil kreieren. Der fette Sound entsteht durch das Zusammenwirken mehrerer Faktoren: Bootsy blubbert auf seinem Monsterbass, mit dem er sogar Migräne, Rheuma oder andere Beschwerden beseitigt. Worrells Synthie-Klänge (z. B. "Flashlight") kommen aus einer anderen Galaxie. Weiterhin machen der Einsatz von Bläsern und die Beteiligung der gesamten Crew am Backgroundgesang den Sound so breit wie das Mutterschiff.
Die Songstruktur dagegen hat etwas anarchisches. Strophe-Refrain-Schemata sind kaum vorhanden, Akkordwechsel Mangelwahre. Stattdessen daddeln die Jungs und Mädels die Bluesskala rauf und runter. Trotzdem durchbrechen die Musiker immer wieder das harmonische Gerüst, in dem sie relativ freie Einwürfe machen oder Jazzakkorde verwenden. Zu hören am Ende von "Chocolate City". Jeder darf mal sein Licht unter den Scheffel stellen, und wenn es nur ein Takt ist. Die Musik erhält dadurch ihre Form. Die Rhythmen sind nicht so hektisch, wie beispielsweise bei James Brown oder Mandrill. Sie enthalten nicht so viele Synkopen, klingen fett und immer etwas laid back. Das Gleiche gilt auch für den Bläsersatz: Oft sind die Melodien nicht so kompliziert und haben eher gesanglichen Charakter.
"W.E. F.U.N.K." ist das Motto des gesamten Lebensgefühl. Das drückt sich in der ausgefallenen Kleidung aus, die mit gefährlich hohen Plateauschuhen und riesigen Pelzmänteln daherkommt. Auch die seltsamen Wortschöpfungen "Aqua Boogie (A Psychoalphadiscobetabioaquadoloop)" sind Teil dieser Einstellung. Unsere außerirdischen Brüder sind, wie man unschwer erkennen kann, Afro-Amerikaner. Dieser Umstand spiegelt sich auch in den Texten wieder. Sie unterstützen die Forderungen der Afro-Erdbewohner in den USA nach mehr Einfluss und Selbstbewusstsein. So entwerfen sie die Vision einer Regierung mit farbigen Musikern im Weißen Haus ("Chocolate City"). Bei diesen Entwürfen geht der Spaßfaktor jedoch nicht verloren, schließlich sind ja keinen militanten Revoluzzer an der Macht, sondern kreative Künstler. Das Mitwirken einer großen Mannschaft auf Platte und Bühne verstärkt das Gemeinschaftsgefühl noch.
Parliament starten dann ab 1974 richtig durch. Bis 1980 erscheint jedes Jahr mindestens eine Platte, die meistens recht schnell vergoldet wird. Ab "Mothership Connection" grooven auch Maceo Parker und Fred Wesley mit, und für "Funkentelechy Vs. The Placebo Syndrom" erhält die Formation gar Platin. Darüber hinaus platzieren sich einige Singles in den Top Ten. So nimmt "Flashlight" 1979 Platz Eins der R'n'B-Charts ein.
Zu Beginn der 80er Jahre stottert der Warp-Antrieb des Mutterschiffes. Casablanca, bei denen Parliament und Funkadelic unter Vertrag stehen, werden von Polygram aufgekauft. Es kommt abermals zu rechtlichen Schwierigkeiten, so dass Clinton unter beiden Namen keine Aufnahmen mehr veröffentlicht. Doch die juristischen Probleme sind nicht der alleinige Grund für die Bruchlandung. In jener Zeit sinkt die Nachfrage nach dem Funk. Disco oder Hip Hop treten in seine Fußstapfen. Da ist die Ideenarmut der "Trombipulation"-Scheibe natürlich ebenfalls wenig hilfreich.
Die einzelnen Crew-Mitglieder betreten in der Folgezeit Solopfade. Bootsy Collins gründet seine Rubber Band, Maceo Parker geht ebenfalls mit eigener Gruppe an den Start, und der Chef selbst arbeitet als Künstler und Produzent an diversen Projekten. Gelegentlich ruft er jedoch die alte Besatzung wieder zusammen. Man schwelgt in Erinnerungen und nimmt als P-Funk-Allstars einige Platten auf. Bis ins neue Jahrtausend ist Georg Clinton aktiv und spielt beispielsweise 2001 auf dem Jazzfestival in Montreux, um uns unwissende Erdbewohner mit seiner "Special Show" zu beglücken.
Im Mai 2018 erscheint mit "Medicaid Fraud Dogg" nach 38 Jahren Pause wieder ein Parliament-Album. Der Titel referiert nach Clintons Aussage auf die "innere Mechanik des korrupten US-Gesundheitssystems". Die Vorab-Single "I'm Gon Make You Sick O'Me", featuret Scarface. Zum Album inspiriert hätten ihn u.a. Kendrick Lamar, Cardi B, Jay-Z, Flying Lotus und "all that shit coming out of Atlanta", erzählt Clinton: "All that trap shit. I'm trapped in it."
2 Kommentare
Na das nenn ich mal nen Hammer !!
Geht mal alle Wählen! Ihr Säcke!