laut.de-Kritik
Der Beatle schaut in den Rückspiegel.
Review von Erich RenzWer, wenn nicht er und wann, wenn nicht jetzt? Nach der Rock'n'Roll-Retromania "Run Devil Run" von 1999 tut sich nun ein weiteres Feld der Vergangenheit auf, das Paul McCartney bisher nicht bestellt hatte. Mit "Kisses On The Bottom" schaut er in den Rückspiegel und entdeckt die traditionelle Popmusik seiner Eltern wieder.
Vater Jim leitete in Pauls Kindertagen das neue Jahr mit Herzensangelegenheiten aus der Tin-Pan-Alley-Ära am Klavier ein. Das war zugleich einer der wenigen passiven Momente des Jünglings: Er sah zu und sang mit. An "Kisses On The Bottom" ging er genauso heran.
Zudem half neben dem London Symphony Orchestra Diana Krall samt Band aus.
Einige der Songs wie "It's Only A Paper Moon", "Ac-Cent-Tchu-Ate The Positive", "Always" und "Bye Bye Blackbird" sind Bestandteile des 'Great American Songbook'. Darin sind die wichtigsten Broadway-, Hollywood- und Musical-Nummern vereint, die später zum Vademekum des Jazz wurden. Andere Lieder wie "More I Cannot Wish You" sind nicht weniger bekannt, gehörten aber nicht zur Kinderstube McCartneys.
Die Abwechslung zwischen offensichtlicher und überraschender Liedauswahl begleitet "Kisses On The Bottom" ebenso wie McCartneys stimmliche Handwerkskunst - sie pendelt zwischen souveräner Handhabung ("Ac-Cent-Tchu-Ate The Positive", "I'm Gonna Sit Right Down And Write Myself A Letter") und Fistelstimme ("It's Only A Paper Moon", "The Glory Of Love"). Luftiger und dünner ist es dort geworden.
Mit zwei Eigenkompositionen schließt McCartney seine Biographie mit den amerikanischen Leitbildern kurz. "My Valentine" ist ein süchtig machendes Gebilde, ein Kartenhaus, das in gebeutelten Moll-Momenten wankelmütig wird, aber in den Dur-Zwischenschüben erhaben stehen bleibt. Auch Eric Clapton, der an der Gitarre etwas zu viele gefühlsduselige Klischees bedient, lässt das nicht zusammenstürzen. "Only Our Hearts" besitzt diese Gabe schon weniger. Auf McCartney getrimmt, bläst der Gast Stevie Wonder in die Mundharmonika - ein neues "Ebony And Ivory" bleibt aber aus.
Es waren ja nicht nur die ausgewählten Lehrmeister des Rockabilly, Gene Vincent, Chuck Berry und Carl Perkins, die das Raubeinige jener Hamburger Tage prägten. Die harmonische Etikette der Beatles verantworteten zum Teil Tonkünstler wie Ray Henderson und Harold Arlen. Das schönste fremdgemachte Fundstück auf "Kisses On The Bottom" bleibt "Home (When Shadows Fall)" von Peter Van Steeden, Geoffrey und Harry Clarkson. Hier kann die Spurensuche beginnen, wer McCartneys Songwriting-Kurs nachvollziehen will. Er selbst denkt schon an die Zukunft. Dort wird der Scouser mit Musik zu einem Computerspiel aufwarten.
5 Kommentare
Küsse auf den Hintern?
Gott, das Cover ist ja mal echt schlecht!!
Da hat wohl der Label-Praktikant das erste Mal PhotoShop ausprobieren dürfen..
Oh mein Gott! Ist das schlecht!
Gut, in 25 Jahren werde ich 70, dann krame ich das Album wieder aus.
Lang lebe John!
Nun ja, Dean Martin ist er nicht...
Gerne würde ich Paul "SUliway" singen hören, das würde besser passen. Aber das Feeling kommt rüber und darum geht es ja auch...Paul ist halt ein Rocker....Die CD ist entspannend...wie er sagt...das Homecoming feeling und Relaxing. Das passt zu einem Novemberabend...Alles wird gut...
Ich meine natürlich "Sway"....