laut.de-Kritik

Lange klang deutscher Indierock nicht mehr so zeitgemäß.

Review von

Ein Händchen für den richtigen Opener hatte Phillip Boa ja schon immer. "Have You Ever Been Afraid" zieht den Hörer mit fröhlicher Gitarren-Stimmung, eingängiger Strophe und flottem Übergang in den Refrain sofort mitten ins Geschehen. Im Vergleich zu den vorigen Alben fällt sofort der unbeschwertere Grundton auf, der sich beginnend beim ersten Song durch das ganze Album zieht: düstere Riffs und schwermütige Midtempo-Tracks sucht man hier vergebens.

Statt dessen dominieren treibende Gitarrenbeats und klar strukturierte Songs. Mit seinen zwei punkigen Akkorden bildet "Decadence And Isolation" eher eine Ausnahme: während der Titeltrack seine fast hypnotisierende Wirkung mit der ständigen Wiederholung des Einfachen erzielt, beeindrucken die meisten anderen Stücke mit einem melodischen und harmonischen Einfallsreichtum, den man von Boa so auch noch nicht gewohnt ist.

Abgesehen von den synkopierten Rhythmen würde man etwa die ersten Takte von "Burn All The Flags" mit ihrer klaren Melodieführung, dem hellen Gesang von Pia Lund und den simplen Akkorden eher einem beliebigen Gitarrenpopper zuordnen als dem deutschen Indierock-Held. Doch dann kommt der alte Haudegen mit seinem halb gesprochenen Gesang, der plötzlich so abgeklärt und gelassen klingt wie eine Mischung aus Ian Dury und Lou Reed.

Dem Boa übrigens in "Making Noise Since 85" ausdrücklich seine Referenz erweist. Wie der Titel andeutet, erzählt er in dem Song mit einem Augenzwinkern von seinem musikalischen Werdegang. Und wenn dies auch einer der schwächsten Tracks der Platte ist, so zeigt er doch auch, dass Boa beim Texten dazu gelernt hat und seiner Neigung zur Plattitüdenbildung nicht mehr ganz so hemmungslos folgt.

Der Mann hat im Laufe seiner insgesamt zweifellos beeindruckenden Karriere ja bereits das eine oder andere Tief erlebt. Mal lief ihm die Sängerin davon, mal taugten die Songs irgendwie nicht viel, mal die Produktion. Doch dieses Mal scheint alles zu stimmen. Schon lange nicht mehr klang Boa so zeitgemäß, beinahe so, als habe er noch nie etwas anderes gemacht als anspruchsvollen Retro-Rock. Wenn das die Handschrift der neuen Produzenten Sven Meyer (Kettcar, Tomte) und Gordon Raphael (The Strokes) ist, dann bitte mehr davon ...

Trackliste

  1. 1. Have You Ever Been Afraid
  2. 2. Decadence And Isolation
  3. 3. Making Noise Since 85
  4. 4. Burn All The Flags
  5. 5. The People I Saw Were No Angels
  6. 6. The Songs Of Life 1234
  7. 7. Two White Moths & A Black Cat
  8. 8. 21 Years Of Insomnia
  9. 9. And When The Magic Fades
  10. 10. God's Train
  11. 11. Intrigue & Romance

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