laut.de-Kritik
Surreale Sounds treffen auf pulsierenden Indie-R'n'B-Electro.
Review von Kerstin KratochwillMit messerscharfem Beat und eiskalten Sound beginnt "Madness", das sechste Album von Poliça, dem Projekt rund um Sängerin Channy Leaneagh, Bassist und Produzent Ryan Olson und die beiden Drummer – ja gleich zwei Schlagzeuger – Ben Ivascu und Drew Christopherson. Dieser Konstellation ist auch der unverwechselbare Klang der Band aus Minneapolis geschuldet, der durch den parallelen Einsatz beider Drums entsteht.
Über den Songs, die Indiepop- und R'n'B-Elemente miteinander verschmelzen und so sowohl Rap-Mogul Jay-Z als auch Indie-Darling Bon Iver schwärmen lassen, schwebt die ätherische und doch markante Stimme von Leaneagh. Zuweilen erinnert der Art-Pop-Charakter samt theatralischen Effekten an Austra, die elektronisch gehaltenen Tracks lassen an The XX oder FKA Twigs denken, und die melancholischen Songs klingen wie ein Echo auf die fragilen Strukturen von Daughter.
Poliça kreieren eine Atmosphäre zwischen tänzelnden Sounds und verhaltenen Melodien wie kaum eine andere Band. Zuweilen pulsieren die Melodien unheimlich wie im Opener "Alive", mal werden wie im titelgebenden Track "Madness" geradezu epische wie minimalistische Soundscapes entworfen, um dann einen wiederum sanft und soulig wie bei "Blood" zu umschmeicheln. Ein Album, das sich einerseits in steter Spannung befindet und zum Zerreißen gespannt wirkt, Songs aber auch wiederum auflöst und wie in den Gemälden von Dali die Zeit quasi zerfließen lässt.
Mit "Madness" fangen Poliça nicht nur den Wahnsinn unserer Zeit ein, der sich in all seiner Zersplitterung kaum fassen lässt, sondern auch den Irrsinn unserer Identitäten in einer Welt, die zu viele Anforderungen an den Einzelnen stellt. Frontfrau Leaneagh erklärt schließlich in einem rätselhaften wie enträtselndem Statement, die philosophischen Lyrics und das surreale Artwork zum Album würden folgende Idee repräsentieren: "I am here for you all and I am never truly myself here. I am her for you all and I am never truly her".
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