laut.de-Kritik

Die Maske fällt.

Review von

Moriah Rose Pereira versteckt sich nicht mehr hinter ihrer digitalen Poppy-Persona, nicht mehr hinter doppelt und dreifach gelayerten Schichten an musikalischem Kontrast und auch nicht mehr hinter der dezenten, charmanten Ironie, die den gesamten Novelty Act zusammenhält. Nachdem "I Disagree" schon die Tür weit öffnete, ist "Flux" Poppys finaler Ausbruch aus ihrer alten Internet-Persona und den damit einhergehenden diskreditierenden Anhängseln. Ihr vierter Langspieler ist ein schnörkelloses, ernstes Rock-Album, ohne Glitches in der musikalischen Matrix, ohne Kawaii-Pop Zuckerguss und weitestgehend auch ohne Ausbrüche in die extremeren Gefilde, die in jüngerer Vergangenheit immer prominenter in ihrer Musik Verwendung fanden.

Auf "On The Level" schleicht sich im letzten Drittel ein Ohrmuschel-torpendierendes Thrash-Riff, "As Strange As It Seems" schlägt in seiner Verwaschenheit fast schon shogazige Töne an und die Screams, die sich hintergründig durch das ganze Album ziehen, sind ein mehr als willkommenes Lebenszeichen. Davon abgesehen bietet "Flux" 'nur' handwerklich gut gemachten, straight gespielten (Pop-)Rock, dessen Reiz nicht von der Hand zu weisen, aber eben nach wenigen Songs auserzählt ist.

Das soll allerdings nicht heißen, dass das Album nicht hörenswert, geschweige denn frei von Highlights wäre. Der Opener "Flux" ist ein ambitioniertes Stück Alt-Rock, das sich über seine fünfminütige Laufzeit konsequent zu einem regelrechten Ohrwurm-Monster entwickelt. Darüber hinaus stellt das Album wieder einmal an vielen Stellen eindrucksvoll unter Beweis, was für eine begabte Songwriterin Pereira ist. Die Pop-Melodien von "So Mean" oder "Lessen The Damage" sind unwiderstehlich, und ein Grunge-Rager wie "Her" würde sich mit seinen dreckigen Riffs und eskalierender Aggression auch auf einem Alice In Chains-Album wie zuhause fühlen.

Das klingt kompetent, erwachsen und gut, aber stellenweise eben fast schon zu sehr darauf getrimmt, einer breiteren Masse zu gefallen. Inmitten all des Grunge- und Alt-Rock-Fetischimus geht Poppys quirliges Charisma und damit auch der Spaß an der Sache ein wenig verloren. In gewisser Weise kulminieren hier all die besten Elemente ihrer bisherigen Karriere zu einem auf dem Papier großartigen, in der Praxis aber fast schon zu makellosen Gesamtprodukt.

Was Poppys Musik in der Vergangenheit so spannend machte, war die Konsequenz und Radikalität mit der sie nur schwer miteinander vereinbare Texturen und Genres zu einem absolut unikaten Potpourri an Sounds vermischte, auch wenn das ein oder andere Experiment dabei in die Hose ging. Mit ihrer früher im Jahr veröffentlichten "EAT"-EP gelang ihr das erneut in Bestform. "Flux" schießt sich nun auf ein enger abgestecktes Feld an Klängen ein, das Poppy zwar ebenso gekonnt beschreitet, das ihr aber eben in der Folge auch weniger Spielraum bietet artistisches Neuland zu beschreiten.

Für eine gerade einmal dreißig Minuten lange LP, fühlt sich "Flux" auch zu lang an. Die etablierten Sounds und Ideen rechtfertigen zwar grundsätzlich eine solche Laufzeit, ihre konservative Exekution führt aber letzten Endes dazu, dass die Uhr während Songs wie "Bloom" oder "As Strange As It Seems" gefühlt nur halb so schnell tickt. Besonders hinten raus klingt das Album schlichtweg langweilig, was in der bodenlos-kreativen Diskographie der Amerikanerin ein absolutes Novum ist.

Jedem Genre, das Pereira sich zu eigen machte, drückte sie währenddessen ihren unvermeintlichen ikonischen Stempel auf. Egal ob man die uncanny Pop-Banger ihrer ersten Alben anführt, oder den wahnwitzigen Industrial-Wahnsinn ihrer letzten LP, niemand klang wie Poppy. Mit "Flux" klingt Poppy nun erstmals phasenweise wie alle anderen. "You gotta flux and flow with it": Die Chancen stehen glücklicherweise gut, dass das nicht allzu lange so bleiben wird.

Trackliste

  1. 1. Flux
  2. 2. Lessen The Damage
  3. 3. So Mean
  4. 4. On The Level
  5. 5. Hysteria
  6. 6. Her
  7. 7. Bloom
  8. 8. As Strange As It Seems
  9. 9. Never Find My Place

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