laut.de-Kritik
Hitziges Meisterwerk zwischen After Show-Party und Restalkohol.
Review von Michael SchuhGroße Ereignisse werfen ihre Pillen, pardon, Schatten voraus. Acid-Head und Exzess-Spezialist Bobby Gillespie konnte für "Evil Heat" Robert Plant und Kate Moss als Gaststars verpflichten. Wenn dadurch mehr Menschen auf die neue Scheibe aufmerksam werden, soll mir das nur Recht sein. Wie schon "XTRMNTR" ist auch "Evil Heat" wieder eine beeindruckende Groove-Orgie irgendwo zwischen After Show Party, Amphetamin-Hölle und Restalkohol. Nur mit zwei Löffeln mehr Ekstase.
Noch immer können sich die einstigen Indierock/Dance-Fusionisten nicht zwischen beiden Polen entscheiden. Zum Glück. Für die Elektronik zwischen den screaming guitar riffs sorgten die Warp-Buben von 2 Lone Swordsmen. Auf der "Autobahn 66" werden folgerichtig Kraftwerk und die chillig vernebelten Klanglandschaften von Neu! herauf beschworen, mit denen sich Gillespies Gesang auf wundersame Weise verquickt.
Der alte Lee Hazlewood/Nancy Sinatra-Schwofer "Some Velvet Morning" mutiert bei Bobby und Miss Moss zu einem schlüpfrig-hypnotischen Clubtrack. Demgegenüber stehen gitarrenbratzende Ungetüme wie "Rise", das bis zum 11. September noch "Bomb The Pentagon" heißen sollte. Obwohl der Titel nun weit harmloser daher kommt, können die Lyrics kaum als regierungsfreundlich eingestuft werden. Der eher straighte Rocker "City" ist im wahrsten Sinne eine "PS-Hymne".
"Miss Lucifer" mag die offensichtliche Single sein, zu den besten Tracks gehört er lange nicht. Per Presslufthammer durch die Schädeldecke hämmert der aufgemotzte Turbo-Stones-Kracher "Skull X", dessen "X" selbstredend für "exploding" steht. Der Opener "Deep Hit Of Morning Sun" basiert offensichtlich auf Velvet Undergrounds Akkorden von "Venus In Furs", was die Komposition um so schöner macht.
Old Buddy Jim Reid von den Jesus & Mary Chain röchelt im stampfenden Dance-Chaos "Detroit" wie der Meister, was ihm auch gut gelingt. Zwar nicht singen, aber immerhin die Mundharmonika quälen darf Robert Plant im irren Verzerrer-Blues "Lord Is My Shotgun". Den Ausklang besorgen dann wieder die Schwertmänner, die dem vernebelten Höllenritt den Stecker ziehen und mit "A Scanner Darkly", dem Titel der Blade Runner-Vorlage von Philip K. Dick, tatsächlich ein verspultes Soundtrack-Stück zusammen frickelten. Insgesamt ist "Evil Heat" durchaus ein hitziges Meisterwerk, dem man endlich das Massenpublikum wünscht, das es verdient.
Noch keine Kommentare