Porträt

laut.de-Biographie

Righeira

Im November 2022 stirbt Carmelo La Bionda und unter den zahlreichen Beileidsbekundungen klingen Johnson Righeiras Abschiedsworte besonders anrührend: "Was für schreckliche Nachrichten. Eine Säule meines Lebens bricht auseinander. Carmelo ist gegangen und nichts wird jemals wieder so sein wie es war. Ich weiß nicht, wohin das Leben mich gebracht hätte, hätte ich ihn und Michelangelo nicht getroffen.". Gefeiert als Italo Disco-Pioniere hinter zahlreichen Hits, sollte besonders die Bekanntschaft der beiden Mailänder Carmelo und Michelangelo La Bionda mit dem Duo Righeira im Jahr 1982 wegweisende Folgen haben.

Righeira - Righeira Aktuelles Album
Righeira Righeira
Das verlorene Italo-Disco-Album - trotz "Vamos A La Playa".

Gemeinsam schufen die Produzenten mit dem Duo, bestehend aus Johnson und Michael Righeira, die Hits "Vamos A La Playa" und "No Tengo Dinero", die zu den größten Hits des Italo-Disco-Genres zählen. Ein überaus ungeplantes Missverständnis. Denn die Gebrüder La Bionda sehen in den beiden Turiner Musikern in erster Linie gute Rampensäue, die sie in ihr gerade in Arbeit befindliches TV-Konzept integrieren wollen. Doch Righeira haben andere Pläne.

Die im wahren Leben unter den Namen Stefano Rota und Stefano Righi firmierenden Italiener fühlen sich der Berufsbezeichnung Musiker zwar nicht zugehörig. An Klangerzeugung besteht allerdings extrem großes Interesse. DAF und Kraftwerk sind die Helden der beiden Stefanos. Popmusik als Konzept fasziniert sie, ihr Background aus Kunstinteresse und Grafikdesign bringt sie um 1980 zusammen. Punk-Fan Righi aka Johnson Righeria nimmt da bereits eigene Stücke zuhause auf, 1981 erscheint seine Single "Bianca Surf" unter dem Namen Johnson Righeira. Er trifft auf Rota, der sich fortan Michael nennt. Ende des Jahres arbeiten sie an einem neuen Song mit dem spanischen Refrain "Vamos A La Playa". Die Sommer-Beschäftigung Nummer eins wollen sie mit einer apokalyptischen Note würzen: Die Idee einer Nuklearkatastrophe ist geboren.

Da die dazugehörige Melodie nichts als Lebensfreude vermittelt, bleiben Zeilen wie "Vamos a la playa, la bomba estalló Las radiaciónes tuestan y matizan de azul" ("Die Bombe explodierte, die Strahlung färbt alles blau") den meisten Nichtmuttersprachlern verborgen. Die auf Youtube auffindbare Originalversion des Duos legt zwar schon den klassischen Gesangsrefrain offen, ist aber vergleichsweise düster gehalten und an Kraftwerk orientiert.

Enter La Bionda. Carmelo erinnert sich an die Sessions später: "Irgendjemand stellte uns Righeira als Sänger vor, aber wir fanden eigentlich, sie wären das ideale Paar für die TV-Show, die wir gerade planten wegen ihres Aussehens und ihrer Attitüde. Aber sie wollten um jeden Preis mit uns Platten machen, also haben wir uns zusammen hingesetzt. Zum Glück haben wir nicht an unserem Plan festgehalten, denn unsere Aufnahmen mit ihnen wurden zu Welthits."

"Vamos A La Playa" ist ein Instant-Hit, die Nummer chartet 1983 in halb Europa, darunter Italien, Spanien, Deutschland, Schweiz und Belgien. Für die jungen Popstars kommt der Zeitpunkt äußerst ungünstig, denn sie wurden gerade zum Miltärdienst eingezogen. Hier und da ergattern sie Ausgangsgenehmigungen, um zumindest ihr Debütalbum "Righeira" aufzunehmen und den ein oder anderen wichtigen TV-Auftritt zu absolvieren, darunter auch in der deutschen Vollplaybackshow "Thommys Pop-Show". Für Videodrehs blieb jedoch keine Zeit, weshalb Rota und Righi ihre Storyboards an den Regisseur schicken, der daraus einen Rotoskopie-Clip bastelte und so einen postmodernen Futurismus schuf.

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Ladytron "In Italien kennt man Italo Disco nicht"
Daniel Hunt im Nerd-Talk über Righeiras "Vamos A La Playa" und Italo Disco im Fußballstadion.

Beeindruckt vom großen Erfolg entscheiden Righeira, eine weitere Nummer auf spanisch aufzunehmen: "No Tengo Dinero", auch im Sounddesign sehr an den Auftakthit angelehnt, chartet ebenso. Kommerzielle Absichten sind ihrem Debütalbum allerdings keine vorzuwerfen. Righeira toben sich aus, was in einer experimentellen Platte kulminiert. Mit "Jazz Musik" ist sogar ein deutscher Text darunter: Verantwortlich für Musik und Text ist Hermann Weindorf, der Bruder ihres Münchner Produzenten Berthold Weindorf, wo die Platte gemischt wird.

Es folgen die Singles "Hey Mama" (1984), L'Estate Sta Finendo (1985) und "Oasi in città" (1986), das zweite Album lässt jedoch bis 1986 auf sich warten: "Bambini Forever" ist die letzte Zusammenarbeit mit La Bionda. Wie schon am Debütalbum hilft auch der deutsche Session-Drummer Curt Cress bei manch einem Track aus. Righeira sind jedoch mittlerweile ein komplett italienisches Pop-Phänomen, der Erfolg im Ausland ist vorbei. 1986 treten sie beim renommierten San Remo Music Festival auf. Nach der Veröffentlichung ihres dritten Studioalbums "Uno, Zero, Centomila" geben sie 1992 ihre Trennung bekannt. Für ein weiteres Album namens "Mondovisione" kommen die Stefanos 2007 erneut zusammen, was außerhalb ihrer Heimat jedoch nicht registriert wird.

Ihren Platz in der Musikgeschichte haben Johnson und Michael Righeira längst sicher. Dank zweier überaus eingängiger Popsingles, die das Genre Italo-Disco auch textlich revolutionierten: Erstmals ging es nicht mehr um zarte Romanzen oder ähnliche erotische Fantasien, sondern um die Gefahren von radioaktiver Strahlung oder schlicht um akuten Geldmangel ("No Tengo Dinero"). Längst ist die Nummer auch in Fußballstadien angekommen. Beim belgischen Verein Royale Union Saint-Gilloise, den Johnson neben seinem Herzensverein Juventus Turin supportet, wird der Righeira-Kultsong bei jedem Heimspiel von der Tribüne geschmettert. Ob es daran liegt, dass Johnson immer mal wieder persönlich im Fanblock vorbei schaut, ist nicht bekannt.

Interviews

Alben

Surftipps

  • Facebook

    Johnson postet.

    https://www.facebook.com/johnsonrigheira
  • Righeira und Fußball

    Johnson im Fanblock bei Union Saint-Gilloise.

    https://www.youtube.com/watch?v=bUuzeRAT0Gw