laut.de-Kritik
So ketzert man gern.
Review von Manuel BergerAuch wenn das ästhetisch mindestens gewöhnungsbedürftige Cover-Artwork wirkt, als wollten Rotting Christ potentielle neue Hörer von vornherein vergraulen – musikalisch ist auf die Griechen einfach Verlass. Nach "Rituals" liefern sie mit "The Heretics" gleich das nächste Meisterwerk.
Wie schon seit Jahren bleiben sie sich – entgegen des Artworks, des Bandnamens und nun auch des Albumtitels – treu, statt plumper Ketzerei und Christenschändung eine lyrisch anspruchsvolle Mythenwelt aufzubauen, in der es weniger darum geht, religiöse Gefühle zu verletzen, als vielmehr philosophische Gedanken zu kon- bzw. auch dekonstruieren. Die zentrale Botschaft: "My own mind is my own church" ("Heaven And Hell And Fire").
Rotting Christ bedienen sich dafür sakraler Elemente, etwa gregorianischer Chöre in "The Time Has Come" und "Fire God And Fear", entsprechenden Vokabulars ("Dies Irae", "Hallowed Be Thy Name", die meisten anderen Songtitel) und zitieren sich, während sie so herumbibeln, auch noch quer durch die Literatur – von Dostojewski bis Edgar Allan Poe. Letzterem huldigen sie mit "The Raven", wo Gastvokalist Stratis Steele das berühmte Gedicht rezitiert und zusammen mit der Musik melodisches Behemoth-Feeling entfacht. Im Extreme Metal verankert ist hier noch noch Sakis Tolis' gewohnt raspelnd akzentschweres Keuchen – die Leads könnten auch von Swallow The Sun stammen.
So zugänglich wie "The Raven" sind aber nicht alle Tracks. "The Heretics" ist insgesamt zwar weniger monoton, aber ähnlich fordernd wie sein Vorgänger "Rituals". "Heaven And Hell And Fire" hätte mit seinen brutalen Marschrhythmen auch zu diesem gepasst. Bis man sich in den sperrigen, kratzigen Songs zurechtfindet, braucht es einige Durchläufe. In verschiedenen Sprachen knurren sich Rotting Christ durch "The Time Has Come", begleitet von lauernden Gitarrenpatterns, die mehr Rhythmuselement als Riff bilden. Bei "Vetry Zlye" stricken sie mithilfe von Sängerin Irina Zybina ein noch dichteres Stimmgeflecht, garniert mit Tremoli und Blastbeats.
Wobei sich "The Heretics" aber entscheidend von "Rituals" abhebt sind die bereits angesprochenen Melodien und Harmonien. "Heaven And Hell And Fire" und "Fire God And Fear" zieren zwischen dröhnendem Männerchor und Gitarrenbombast ausgefeilte Gitarrensoli. Und oft begleiten Rotting Christ nun Riffs mit – verhältnismäßig – eingängigen Leads. Die Stücke wirken dadurch insgesamt offener, lockerer, die Chöre weniger kommandiert und böse, dafür in getragenen Momenten sehr erhaben.
Der Prediger dieser Messe ist weiterhin klar zu identifizieren: es ist der, der Rotting Christ vor einigen Jahren das Label 'Dark Metal' einbrachte. Aber innerhalb dieses Feldes öffnen die Gebrüder Tolis und ihre Mitstreiter noch immer neue Tore, neigen sich mal mehr zum extremen Background, mal zu Avantgarde, mal zu Melodie Death Metal. So ketzert man gern.
1 Kommentar mit 2 Antworten
juhu nun doch.
Ich fands auf anhieb eingängig aber ich bin da auch keine Referenz, ich find auch vieles von Meshuggah eingängig.
Habs schon ein paar mal gehört und es lässt sich prima einfach so durchballern. Interpretationen von Texten und überhaupt erstmal das Verstehen derjenigen ist ja immer so ne Sache da eben nicht immer sofort Übersetzungen zu haben sind aber mit der Zeit kommt da alles und es macht halt Spass.
Wie immer schaffen sies halt, eine schöne Stimmung auf den Alben zu halten. Und das dann auch noch mit ordentlicher Soundquali. Find ich wichtig, ein Faktor der mich im klassischen BM immer ein wenig abschreckt. Rotting Christ machens prima.
das ist eingängig as fuck. choralsounds, georgel, frauengesänge, cheesy melodies. das ist das musikalische äquivalent zu prinzessin lillifeekuchen, garniert mit rosa donuts...
sag ich doch
ich denk bei 2 Powerchords und "nicht clean gesang" hörts halt für den Durchschnitts-Hans-Martin schon auf "eingängig" zu sein.