14. Juni 2017

"Nickelbacks Antwort war so gut!"

Interview geführt von

Mit ihrem Debütalbum sprengten Royal Blood 2014 die Rockwelt: Dieser fette Sound, diese Hitdichte soll von gerade einmal zwei Typen stammen? Ja, bloß einen Bass spielenden Sänger und einen Drummer benötigen die Briten, um zum nächsten heißen Scheiß zu mutieren und Dave Grohl zum Superfan zu machen. Das zweite Album "How Did We Get So Dark?" soll nun daran anknüpfen.

Wer mit den Foo Fighters durch die Lande zieht, darf getrost von sich behaupten, es geschafft zu haben. Entsprechend residieren Royal Blood für die Interview-Sessions zum neuen Album "How Did We Get So Dark?" im 5-Sterne-Tempel, und die zum Zeitpunkt noch streng geheime Platte kriegen Pressemenschen vorerst nur via Listening-Session direkt im Hotel zu hören. Das Einzige, was nicht so recht in die VIP-Situation passen möchte, ist Royal Blood-Sänger/Bassist Mike Kerr. Zwar etwas geschlaucht von laufenden Promo-Marathon, aber mit breitem Grinsen im Gesicht lässt er sich auf die Couch fallen und wartet auf unsere Fragen.

Ich habe eure Musik gestern einer Freundin vorgespielt, die euch noch nicht kannte, und schon nach ein paar Takten "Out Of The Black" kam der Satz: "Das ist perfekt zum Trainieren!" Bist du damit zufrieden?

Klar, Mann! Ich glaube, die Leute genießen unsere Musik auf ganz verschiedene Weisen – du findest darin, was immer du finden willst. Aber ich versichere dir, dass wir das ziemlich oft Sätze hören à la: "Ohne das Royal Blood-Album hätt' ich das Fitnessstudio heute nicht gepackt." (lacht) Das ist super!

Was ist denn für dich selbst das höchste Ziel, das du mit deiner Musik erreichen bzw. auslösen willst?

Hm, ich glaube, live gehört zu werden. Und dass genug Leute vor Ort sind, wenn wir spielen. Abgesehen davon habe ich dazu nicht wirklich eine Meinung. Macht damit was ihr wollt, aber bitte macht es laut!

Das neue Album beschäftigt sich eingehend mit Beziehungen. Hast du dafür ausschließlich aus deinen persönlichen Erfahrungen geschöpft oder eher versucht, alles in einen größeren Kontext einzuordnen?

Lass es mich so sagen: Alles kommt aus meiner eigenen Erfahrung, aber nicht alles kommt aus meiner Perspektive. Die Perspektive der anderen Seite kommt ebenfalls zum Zug. Manches davon ist so zynisch, dass ich es schon fast wieder lustig fand. Da gibts einen Song namens "I Only Lie When I Love You": Der ursprüngliche Text brachte mich echt zum Lachen – einerseits ist er total unreif, andererseits ist das alles so tragisch, haha. Auf dem Album gehts um diese Schwierigkeiten, die Unsicherheiten, die Eifersüchteleien, quasi alles, was schief gehen kann in Beziehungen. Dazu muss ich einfach meine eigenen Erlebnisse bemühen und kann nicht so mir nichts dir nichts für andere sprechen.

Im Promo-Text ist die Rede davon, dass dich das gebrochene Herz mehr oder weniger vor einer Schreibblockade gerettet hat.

In gewisser Weise, ja. Ich weiß nicht warum, aber ich will irgendwie keine Songs über Dinge schreiben, die ich mir ausgedacht habe. Es ist überhaupt nichts Falsches daran, sowas zu tun, aber ich bin schlicht nicht besonders gut darin. (lacht)

Überlegst du dir schon eine Strategie für den Fall, dass du bald mal wieder in einer Beziehung landest?

Nee, ich würde doch nicht meine Karriere mein Liebesleben diktieren lassen! Ich hoffe einfach, wenn es Zeit für das nächste Album ist, habe ich mich so weit entwickelt, dass ich Songs über andere Dinge schreiben kann. Ich glaube, nach zwei Platten ist es jetzt erstmal genug mit dem Thema – viel mehr habe ich wahrscheinlich gar nicht zu sagen. Aber wer weiß ...

Hast du versucht, Text und Musik aufeinander anzupassen oder ging das getrennte Wege?

Das ging getrennt vonstatten. Da muss ich schon wieder "I Only Lie When I Love You" als Beispiel nehmen: Die Musik ist so groovy, so energetisch, macht einen Heidenspaß – es ist wahrscheinlich einer der spaßigsten Songs, die wir bisher geschrieben haben. Aber textlich ist er so "brutal". Das zusammen ist einerseits witzig, andererseits auch interessant.

Das ist der Cowbell-Song oder?

Oh ja, das ist der Cowbell-Song, genau. So wird er fortan wohl genannt werden. (lacht)

"Wir hätten auch Saxophon gespielt, wenn es gepasst hätte"

Habt ihr im Songwriting eigentlich was verändert im Vergleich zum ersten Album? Ihr spielt schließlich wesentlich größere Shows inzwischen – wolltet ihr dementsprechend etwas anpassen?

Nee, wir wollten einfach noch ein bisschen besser werden beim Schreiben. Das erste Album besteht ja quasi aus den ersten zehn Songs, die wir überhaupt je gebastelt haben. Ich wollte tatsächlich einfach jeden einzelnen Songwriting-Aspekt verbessern: interessante Lyrics, raffiniertere Arrangements – all das. Was wirklich nach vorne ging war vor allem die Zusammenarbeit zwischen Ben und mir. Wir sind zusammen durch die Welt getourt und haben dabei irgendwie gelernt, ganz anders zusammenzuspielen. Die Dynamik hat sich verändert. Die Songs haben sich verändert. Am Ende der Tour haben wir die Albumsongs teilweise total anders gespielt als auf der Platte. Es gibt jede Menge ausgebaute Passagen, der Rhythmus ist anders. Live sind die Stücke viel langsamer. Es galt fast schon: "Wie langsam können wirs machen?". Ich finde, es braucht Selbstvertrauen, das erfolgreich durchzuziehen – sexy zu sein, verführerisch zu sein, kontrolliert zu sein. Mindestens so viel, wie es braucht, echten Turbo-Rock zu spielen.

Also habt ihr jetzt versucht, Songs zu schreiben, die ihr live so spielen könnt wie auf Platte?

Naja, ich denke immer an die Live-Show. Das macht uns als Band aus. Entsprechend hatte ich natürlich im Hinterkopf, dass wir die neuen Songs irgendwann live aufführen werden müssen. Aber genauso will ich mich auch im Studio nicht zurückhalten müssen. Wenn ich der Meinung gewesen wäre, das Album kann nur mit Saxophon geil werden, dann hätten wir Saxophon draufgepackt. Wenn wir Extra-Mitglieder gebraucht hätten, wären sie jetzt Teil der Band, wenn es eine Verbesserung dargestellt hätte. Ich glaube aber tatsächlich, dass wir auf diesem Album eher angefangen haben, Dinge wegzunehmen und alles ein wenig zu reduzieren – um genau dadurch an einen neuen Punkt zu kommen, obwohl an sich nicht viel passiert.

Was ihr an ein paar Stellen hinzugefügt habt, ist Keyboard.

Das stimmt, ein paar Keyboard-Songs gibt es. Das war eigentlich gar nicht geplant, aber im Studio stand ein cooles Keyboard und plötzlich fand ich mich in einer Situation wieder, in der ich bloß noch meinte: "Ach scheiß drauf, ich nehme das jetzt mit rein."

Da du eh schon kurz mögliche Extra-Mitglieder erwähnt hast: Vermisst du solche auf der Bühne manchmal?

Nein, nicht wirklich. Der beste Part daran, in Royal Blood zu spielen, ist, dass es nur Ben und mich gibt. Es ist eine ziemlich tighte Beziehung. Jeder andere in der Band stünde wohl nur im Weg herum. Es macht einfach Spaß – besonders, wenn du noch backstage bist, die Leute auf dich warten und dann gehst du raus und es klingt als als wären wir zu viert, sind aber nur zu zweit. Und zwar wir zwei, die sich sich besoffen anglotzen und denken: "What the fuck?"

Wenn man sich die Promo und zugehörige Geheimhaltung etc. so anguckt, wirkt es schon so, als wärt ihr eine der großen Durchbruchshoffnungen des Labels. Sie hüten euch ja ganz gut. Hat sich das auch im Albumprozess bemerkbar gemacht oder konntet ihr ungestört euer Ding durchziehen?

Nee, sie haben sich nicht wirklich eingemischt. Beim ersten Album war es ja eine recht private Angelegenheit zwischen Ben und mir. Dieselbe Einstellung wurde diesmal quasi adaptiert. Wir konnten wirklich einfach machen. Wir haben ein super Team dort. Phil Christie, der Warner-Boss, war ursprünglich unser A&R-Mann und Publisher. Er ist super umgänglich und versteht, was wir sind. Wir können mehr oder weniger machen, was wir wollen. Das ist echt super.

Ihr habt erneut mit Produzent Tom Dalgety gearbeitet ...

Ja, am neuen Album waren zwei Produzenten beteiligt. Jolyon Thomas war bei einigen Sessions in Brüssel dabei und Tom Dalgety, mit dem wir auch die erste Scheibe gemacht haben, in London. War eine gute Entscheidung, das so zu machen.

Tom baute sich ja etwa zur gleichen Zeit wie ihr seine Reputation auf, inzwischen arbeitet er mit Opeth und Co.. Hilft das, dass ihr sozusagen am gleichen Punkt eurer Karrieren steht, dass sie gewissermaßen parallel verlaufen?

Ja, auf jeden Fall! Ich hab echt viel Erfahrung gesammelt mit ihn. Vor Jahren als ich angefangen habe zu singen, hatte er schon mit ein paar Bands gearbeitet und ich bin öfter zu ihm gekommen, um ein paar Songs aufzunehmen. Das lief eine ganze Weile, so hat sich ein recht inniges Verhältnis geformt. Die Arbeit am Debüt war auch einfach spaßig – es ging darum, gemeinsam in einem Raum zu sein und eine gute Zeit zu haben. Und er ist super-talentiert.

"Mama hat mich angerufen"

Ihr spielt inzwischen die BRIT Awards, kennt aber neben der großen Pop-Welt auch die schwitzigen, kleinen Rockclubs. Wie nimmst du denn diese beiden "Welten" wahr? Sind sie wirklich so verschieden?

Mir ist das an sich wurst. Ich möchte einfach rausgehen, gut spielen und möglichst Eindruck bei den Leuten hinterlassen. Ein großes Venue kann genauso leicht sehr klein wirken wie ein kleines unfassbar groß wirken kann. Es kommt einfach auf die Atmosphäre der Show an. Aber ich sag dir: In dieser Pop/BRIT-Welt zu spielen ist schon weird. Es war, als würde man zu einer Illusion spielen, zu diesem "Blob". Das kann sich etwas isoliert anfühlen. Dann wiederum haben wir in ähnlich großen Locations mit den Foo Fighters gespielt, wo wir uns sehr verbunden mit der Menge gefühlt haben – obwohl einige Leute meilenweit weg stehen. Es kommt echt drauf an ...

Ändert sich deine eigene Einstellung dem Venue entsprechend? Im Endeffekt hast du ja alleine eine Bühne zu füllen, während Ben an sein Kit gebunden ist.

Du passt dich einfach mehr oder weniger der Umgebung an. Es gibt Dinge, die würdest du in einer Clubshow einfach nicht bringen, im Stadion dagegen schon – und umgekehrt.

Zum Beispiel?

Naja, bei einer Clubshow hast du die Leute direkt vor der Nase und kannst auch mal ins Publikum springen oder Bier durch die Gegend schmeißen. In den größeren Hallen landet das Bier dann einfach im Nirgendwo, haha. Aber das passiert alles eher unterbewusst.

Du hast mal gesagt, dass du niemals wieder die Chance haben wirst, so schnell so viel zu wachsen wie in den letzten Jahren – angestoßen durch den Erfolg eures Debüts. Welche Ziele setzt du dir stattdessen? Wo willst du hin?

Erfolg zu haben war niemals ein Ziel, es ist einfach passiert. Wir haben einfach unser Ding durchgezogen und befanden uns plötzlich auf diesem Achterbahnritt. Es war fucking krank. Jetzt ist es aber ähnlich: Es gibt nicht wirklich "Ziele" im kommerziellen Sinne oder auf die Karriere bezogen. Wir wollen einfach nur die beste Band sein, die wir sein können. Wir wollen so gut live spielen wie wir können, die besten Platten machen, die in uns stecken.

Habt ihr vor, etwas zu verändern, um das zu erreichen? Oder denkst du, der beste Weg, euer bestes Selbst zu sein, ist genau so zu bleiben, wie ihr jetzt seid?

Ja, ich glaube tatsächlich letzteres. Wir haben uns definitiv schon weiterentwickelt und verändert und das wird auch weiterhin so sein. Insofern sollten wir wahrscheinlich genau diesen Weg beibehalten.

Ich hab noch eine letzte Frage für dich: Wie fühlt es sich an, von Nickelback auf Twitter ausgeknockt zu werden?

Hahaha, weißt du was? Fair fucking play! Ihre Antwort war so, so gut. Wir waren so betrunken, als wir diesen Tweet abgesetzt haben. Sie wussten das einfach. Sie wussten es ... Tatsächlich hab' ich am Morgen danach einen Anruf von meiner Mama bekommen: "Was – hast – du – getan? Das Internet spielt verrückt!" – "Wovon sprichst du?" – "Guck auf deinen Twitter-Account." – "Oh no ... was haben wir getan?" Das war so blöde. Aber hey, gut gespielt, Leute. Wie sich das anfühlt? Fucking great ... (lacht)

Wo ist der Tweet denn entstanden?

In einer Bar mit einem Tablett Tequila-Shots...

Hast du Nickelback seitdem mal getroffen?

Nein, wir sind ihnen noch nie begegnet. Werden wir aber sicher mal. Ich freu mich drauf!

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