Porträt

laut.de-Biographie

Screaming Lord Sutch

Mehr als Hohn und Spott hatten die meisten nicht für ihn übrig, dennoch gehört Screaming Lord Sutch zu den schillerndsten Erscheinungen der frühen britischen Rock'n'Roll-Szene. Ob als Untoter, Radiobetreiber oder politischer Aktivist mit teils abstrusen Forderungen – Sutch blieb Zeit seines Lebens ein Unikat.

1940 als David Edward Sutch geboren, wächst er in ärmlichen Verhältnissen im Londoner Stadtviertel Harrow auf. Sein Vater ist im Krieg gestorben, seine Mutter verdingt sich als Putzfrau. Von Bill Haley inspiriert schmeißt er mit 16 die Schule und versucht sich als Berufsmusiker. Stimmlich hat er kein Talent, doch mit ausgefallenen Kostümen und damals noch verpönten langen Haaren sorgt er in der Londoner Clubszene für Aufsehen.

Er legt sich den Künstlernamen Screaming Lord Sutch, Third Earl of Harrow zu. Legendär ist seine Kostümierung bei einem Auftritt 1959 in der Two-i's-Coffee-Bar: eine Leopardenfelljacke (von seiner Tante) und ein Wikingerhelm mit Hörnern. Zu seinen Requisiten gehören Äxte, Messer, Totenschädel und ein Sarg, in dem er sich auf die Bühne tragen lässt. Grand Guignol-Elemente, die später Alice Cooper zu großem Erfolg verhelfen.

Im Laufe der 60er Jahre treten seiner Begleitband mit dem bezeichnenden Titel The Raving Savages ("die tobenden Wilden") mehrere später bekannte Musiker bei, unter ihnen Nicky Hopkins und Ritchie Blackmore. Doch macht der Fantasie-Lord weniger mit Musik (sein bekanntestes Stück trägt den Titel "Jack The Ripper") als seines Aufstands gegen das Establishment wegen von sich reden.

1963 hebt er die National Teenage Party aus der Taufe und tritt in Shakespeares Heimatstadt Stratford-upon-Avon zur Parlaments-Wahl an. Für einen Sitz reicht es nicht, doch erhält er immerhin 208 Stimmen. Einen Punkt auf seinem Wahlprogramm setzt er umgehend um: Er gründet einen Radiosender, um seiner Musik Gehör zu verschaffen, denn die einzigen zugelassenen Kanäle, die der BBC, senden zu diesem Zeitpunkt kein Rock'n'Roll.

Im Mai 1964 geht Radio Sutch von einem verlassenen Turm der Luftabwehr an der Nordseeküste auf Sendung. Erst versucht die britische Version der GEMA, es zur Aufgabe zu zwingen, dann die Marine. Ohne Erfolg. Bald blüht das Geschäft der so genannten Piraten-Radiosender. Als die britische Regierung 1967 das Treiben unter Strafe stellt, ist Sutch schon längst ausgestiegen – sein Engagement hat gerade einmal ein paar Monate gehalten.

1970 erscheint nach einer Vielzahl an Bootlegs und Platten auf Kleinstlabels Sutchs erstes internationales Werk beim Major Atlantic. Zwar sind Hochkaräter wie John Bonham, Jeff Beck und Jimmy Page (der die Platte auch produziert) mit an Bord, ein großer Erfolg wird sie allerdings nicht. Sutch' ehemaliger Erzfeind BBC kürt es 1998 gar zum schlechtesten Album aller Zeiten.

In den folgenden 29 Jahren ist Sutch vor allem als Livekünstler und weiterhin als Politiker tätig. 1983 gründet er die Official Monster Raving Loony Party (OMRLP – was in etwa "offizielle Partei der rasenden verrückten Monster" bedeutet). Er selbst bleibt bei über 40 Wahlen erfolglos, auf lokaler Ebene stellt die Partei zeitweise aber sogar einen Bürgermeister. Parteisitz ist standesgemäß ein Pub.

Am 16. Juni 1999 nimmt sich Sutch das Leben, indem er sich aufhängt. Seine Lebensgefährtin gibt an, er habe schon seit Jahren an Depressionen gelitten, außerdem habe ihm der Tod seiner Mutter ein Jahr zuvor schwer zu schaffen gemacht.

Die größte Ehre erweist ihm der Sprecher des Premierministers Tony Blairs: "Wir werden ihn vermissen. Er hat viele Jahre lang einen einzigartigen Beitrag zur britischen Politik geleistet. Wahlen werden ohne ihn nicht mehr so sein wie früher", schreibt er in seinem Nachruf.

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