laut.de-Kritik

Ein gefälliger Genre-Mix als Thriller-Soundtrack.

Review von

Sebastian Fitzek hat ein ausgeprägtes Händchen für Marketing. Während sein literarischer Ruf als ausbaufähig gilt, bescheren ihm seine Psychothriller auch dank kluger Inszenierungen enorme Erfolge. Mit "Playlist" verfolgt er nun einen multimedialen Ansatz. Im Roman muss der Ermittler einen Fall anhand einer Songliste lösen. Der dazugehörige Sampler liefert die passende Begleitmusik. Um die Aufmerksamkeit seines Publikums über Wochen zu strecken, ließ er in den sozialen Netzwerken mithilfe kleiner Rätsel die vertretenen Künstler erraten.

Musikalische Feinschmecker sollten sich allerdings keinen Illusionen hingeben. Die Konzentration auf den größtmöglichen Werbeeffekt bedeutet eben auch, dass "Playlist" auf ein Millionenpublikum abzielt, das sich nur mit Künstlern wie Silbermond oder Lotte ködern lässt. Letztgenannte kämpft sich in ihrem Song ins Innere einer verschlossenen Person vor. Das mag inhaltlich bedrohlich klingen, doch stilistisch ist ihr positiver Pop völlig vom Thema entkoppelt. Unbemerkt hätte die Sängerin "Mauern" auch auf Mark Forsters "Musketiere" platzieren können.

Ein ohrenfälliges Manko von Fitzeks Sampler besteht im wilden Genre-Mix, mit dem Sony Music möglichst viele Zielgruppen ansprechen möchte. Majan und Kool Savas bedienen die Deutschrap-Fraktion. "Erlkönig" bleibt offen für Interpretationen, wirkt aber dennoch über weite Strecken wie eine Neuauflage von "Das Urteil" ohne die Energie und konkreten Adressaten: "Ich hab' Türen für dich geöffnet, noch bevor du daran dachtest, was zu reißen." Dem gegenüber stehen die deplatzierten elektronischen Nummern von Alle Farben sowie VIZE, R4GE und Emie.

Mit einem anständigen Thriller-Soundtrack hat dieser unzusammenhängende Mischmasch natürlich wenig gemeinsam. Da sollten auch mal die Funken fliegen dürfen, statt lediglich das Feuerzeug hervorzuholen, um Johannes Oerding "unter der Welt, wo kein Licht hinfällt", den Weg zu weisen. Auch ein Tim Bendzko lässt mit seiner üblichen Kopf-hoch-Attitüde nur mäßig Spannung aufkommen. Rea Garvey besingt in heimeliger Atmosphäre die "wild Irish Rose". Und Joris haucht mit letzter Kraft das andächtige "Leb Wohl", um seine Hörerschaft in Beerdigungsstimmung zu versetzen.

Doch "Playlist" gräbt sich immer tiefer durch die gefälligen Genres, bis es die schummrigen Abgründe der Romantic Comedy erreicht. Tom Walkers "Silver Lining" klingt wie der Song zum retardierenden Moment, bevor der letzte Akt das unvermeidliche Happy End einläutet. Mit seinem Pop-Stück "Under" setzt Justin Jesso schließlich den Deckel auf den musikalischen Til-Schweiger-Film. Der Held hat seine Midlife-Crisis überwunden und erkennt im tränenreichen Finale den unschätzbaren Wert von Familie und Freundschaft. Zumindest lockt das rührselige Lied diese Assoziationen hervor.

Glücklicherweise gibt es noch Namika, die in "Ein Monolog" als Rache-Engel herabsteigt. Stilvoll und mitunter mysteriös rechnet sie mit früheren Peinigern ab: "Das zweite Gesicht, das sich meistens versteckt. Aber wenn es sich zeigt, dann krieg' ich Angst vor mir selbst." Streicher und andere fragile Elemente treffen auf eindrückliche Bässe, während sich die Sängerin ihrem neronischen Wahn hingibt: "Nur ein Anruf, der genügt, Kanister Kerosin. Schnips ein Streichholz drauf und Rom brennt wie nie." Trotz der einen oder anderen abgedroschenen Zeile, gelingt ihr der mit Abstand beste Song.

So hat sich Namika als einzige Sängerin dieses scheinbar wahllos zusammengewürfelten Line-ups ernsthaft mit dem Thriller-Thema auseinandergesetzt. Eventuell scheiterten ihre Mitstreiter aber auch an der vagen Aufgabenstellung Sebastian Fitzeks: "Ich wollte nicht, dass ein Soundtrack zum Buch geschrieben wird, sondern dass alle Stars sagen können: 'OK, das ist wirklich mein Track.'" Unter diesen Umständen verwundert die fehlende Kohärenz ebenso wenig wie die begrenzte Qualität. "Playlist" taugt somit lediglich als smartes Vorbild in Fragen der Vermarktung.

Trackliste

  1. 1. Junkie (Majan)
  2. 2. Ein Monolog (Namika)
  3. 3. Mauern (Lotte)
  4. 4. Erlkönig (Kool Savas)
  5. 5. Under (Justin Jesso)
  6. 6. Rose (Rea Garvey)
  7. 7. Silver Lining (Tom Walker)
  8. 8. Leb Wohl (Joris)
  9. 9. Alone In A Crowded Room (Charlotte Jane)
  10. 10. Milliarden (Silbermond)
  11. 11. 85 Minutes Of Your Love (Alle Farben)
  12. 12. Unter Der Welt (Johannes Oerding)
  13. 13. I Need You (Beth Ditto)
  14. 14. Offene Augen (Tim Bendzko)
  15. 15. Para Paradise (VIZE, R4GE & Emie)

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