laut.de-Kritik
Fahrstuhlmusik for the jilted generation.
Review von Alexander CordasIm Juni 2004 machte eine Meldung die Runde, die wahrlich für Aufregung sorgte. "Nur jedes zehnte Baby darf an die Brust", titelte Die Welt. Da darf sich das kleine Menschlein auf dem Cover glücklich schätzen, dass die Kolumbianerin den Durchschnitt etwas hebt. So richtig ran darf der Säugling natürlich nicht, sondern muss sich der Illusion hingeben. Das Bild des südamerikanischen Fegers, der alleine mit einem perfekt angesetzten Hüftschwung Hyperventilationen en masse auslöst, war anscheinend lediglich eine lieb gewonnene Fata Morgana. Schön anzuhören, schön anzuschauen, aber eben nicht viel mehr als eine trügerische Luftspiegelung.
Anastacia sagte dereinst einmal über ihre Sangeskünste: "Als ich mir meine alte Songs anhörte, bekam ich den Eindruck, dass ich es manchmal etwas übertrieben hatte mit der Power". Shakira geht den entgegengesetzten Weg. Die vielen Lobgesänge auf ihre zweifellos gute Stimme haben sie etwas fehlgeleitet, sodass sie bei vielen Songs ein Übermaß an Phrasierung in die Waagschale wirft. Das zerpflückt die ohnehin nicht sonderlich überzeugenden Kompositionen zusätzlich. Hits wie "Objection" fehlen komplett. Dafür hält uninspirierter Dancebeat-Müll Einzug ins Shakiraversum. "Las De la Intuición" könnte mit deutschem Text ohne Probleme in der Schlagerparade auf den vorderen Rängen landen. Aber eben nur dort. Für die Festigung ihres Status' als heißester Südamerika-Export seit Pele reicht lauer Durchschnitt leider nicht aus.
Shakira bemüht sich. Die alte Leier von "das Gegenteil von gut ist gut gemeint" gilt aber auch für sie. Seelenlose Halbballaden-Dutzendware à la "Dia De Enero" und "En Tus Pupilas" tendieren arg in Richtung Muzak - Fahrstuhlmusik for the jilted generation. Ab und an blitzt es jedoch auf, das Temperament. In "La Tortura" bereiten schöner Wechselgesang und heftig pumpende Rhythmen den Boden für weitere Großtaten, denen sich Frau Mebarak Ripoll jedoch beharrlich verweigert. Nur einmal noch gelingt ihr ein passabler Track: "Lo Imprescindible" tritt mit raumausfüllenden Beats und subtilerem Gesangsstil an die Stelle ordinärer Betonungswut und billigen Poprocks.
"Escondite Ingles" verbeugt sich dilettantisch vor den B-52's; glänzt jedoch trotz Off Beat hauptsächlich mit einem nervenaufreibenden Finale Furioso. Finalmente con el Maus: aus die Maus. Das war es dann mit einigermaßen erträglichen Ideen. "Ob Latin oder nicht, ich liebe den Rock'n'Roll, und der ist international!" Eben. Und da "Fijacion Oral" die nationale Shakira-Ausgabe war, hoffen wir weiter auf den Herbst, wenn mit "Oral Fixation" die internationale Version in den Läden steht.
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