laut.de-Kritik
Nicht mal gute Musik zum Kiffen.
Review von Yannik GölzErstens: Lasst euch nicht in die Illusion hereinreiten, das hier wäre das Comeback-Album von Snoop. Geht auf seine Spotify-Seite: Der Kerl macht seit zwanzig Jahren jedes Jahr Comeback. Im Ernst, scrollt einmal durch und beäugt selbst diese Obskuritäten von einem NFT-Sampler bis hin zu einem Album mit MAGA-Kappe auf dem Cover. Aber um jemanden wirklich aufzuregen, müsste das ja jemand mitgekriegt haben. Und Snoop kehrt mit so einer Regelmäßigkeit ohne jede Konsequenz zurück, man könnte ihn fast für Team Rocket halten.
Jetzt ist aber der Marketing-Coup geglückt: Snoop Dogg & Dr. Dre! Das muss jetzt aber richtig Westcoast werden! Onkel Stefan ist bereit, sich wieder wie fünfzehn zu fühlen, mit Thug Life Poster an der Wand und das mit Basilikum gestreckte Weed vom Volkspark im Grinder. Hier aber zweitens: Lasst euch nicht in die Illusion hineinreiten, wir würden hier Parliament sampelnde Dre-90er-Goodness bekommen. Dre arbeitet inzwischen mit einem ganzen Sweatshop an soliden, aber sehr Industrie-lastigen Berufsmusiker*innen zusammen, die vermutlich auch große Teile dieses Neonglitzernden Revamp-Albums verantworten. Herausgekommen ist eine nostagliebesoffene Dienstleistung so glatt, dass man sich in ihr spiegeln könnte.
Es fängt schon mit diesen schrägen zwei Intros an: Man vermutet fast, die zwei haben gesehen, wie gut nostalgische Samples gerade ziehen. Also spricht das erste Intro am Anfang ebenfalls zu uns, wir würden gleich die Power der Street Knowledge witnessen. Das zweite Intro kurz darauf schließt mit einer gewollt frivolen Frauenstimme, die zum illustren Hörspiel-Genre der PornHub-Werbung gehören könnte, die uns einlädt, es "Missionary" zu tun. Ihr wisst schon, diese richtig freaky Sex-Position, die unsere junggebliebenen beiden alten Herren kichernd mit Kondom auf das Cover verpackt haben. Spätestens hier sollten alle Alarmglocken läuten: Ist dieses Album der beiden alten Herren ihre vertonte Puff-Fahrt? Gott bewahre.
"Missionary" klebt eine gewisse Dieter Bohlen-haftigkeit an. Es klingt alles nach Las Vegas, nach alten Hasen im Showgeschäft, nach Industrie-Partys und einer Menge Koks. Entsprechend klingt die ganze Chose dann auch die ganze Zeit zwar sehr kompetent und solide zusammengestellt, aber dann doch wieder total geschmacklos. Am schlimmsten sind die Features. Wo zur Hölle haben sie Country Rock-Aufsteiger Jelly Roll aufgetan? Mit ihm erzählen sie eine halbherzige "haha checkst du es geht um eine Frau aber die Frau ist eigentlich Gras"-Geschichte, die genau nirgendwo hingeht, weil die beiden Performer nicht eine Sekunde den Plan hatten, das irgendwie gemeinsam zu entwickeln. Sie waren nämlich nach eigener Aussage nie im selben Raum. Dafür wird aber Tom Petty in einem Plastikbeat mit Country-Einschlag verwurstet, weil LA und Nashville immerhin ihren gemeinsamen Nenner in seelenloser Musikindustrie und viel Koks finden.
Jhene Aiko kommt vorbei, säuselt etwas von der großartigen Nacht, klingt aber ein bisschen so, als würde sie einfach hoffen, dass Snoop und Dre an der Bar aufhören, sie anzuflirten. 50 Cent und Eminem dürfen auf einem Song namens "Gunz N Smoke" gastieren, auf dem jeder Performer sich individuell in der warmen Erinnerung sonnen darf, dass sie vielleicht irgendwann in der Vergangenheit mal geil gerappt haben. Ach ja, Sting ist auch hier. Bei diesem Aufgebot an aufgedunsenen Has-Beens würde es mich nicht wundern, wenn jeden Moment Ja Rule,Kiss oder Salt Bae auftauchen würden. Aber es könnte ja noch eine Deluxe kommen, wer weiß.
Aufmerksamen Lesern wird auffallen, dass wir jetzt vier Absätze über das Album reden, ohne Protagonisten Snoop Dogg auch nur einmal zu erwähnen. Das liegt daran, dass er konstant klingt, als wäre er als Feature auf einen ihm nichtssagenden Song dazugekauft worden. Es gibt nicht eine Aussage oder einen Part, in dem man auch nur annähernd das Gefühl bekommt, er hätte da gerade irgendetwas zu erzählen. Er hat Sex, er ist reich, er raucht Weed. Er ist eine Legende. Das ist alles korrekt, aber irgendwann ist auch mal gut mit dem Goodwill, den man dafür bekommen kann, vor inzwischen dreißig Jahren mal ein gutes Album gemacht zu haben.
Was mehr als alles Andere durchschlägt: Snoop Dogg ist nostalgisch für Snoop Dogg. Die ganze Zeit tauchen diese kleinen Nuggets und Selbstzitate auf, von denen man am Anfang noch denkt, dass sie dazu da sind, den Hörer*innen vorzutäuschen, da würde gerade etwas auf dem Kaliber der alten Heldentaten passieren. Aber je vehementer er sich in diesen Anspielungen suhlt, desto mehr fühlt es sich an, als ringe er selbst damit, nicht zu vergessen, was er einmal war.
"Missionary" hat nämlich nichts davon zu bieten. Nichts an diesem Album ist gefährlich, nichts interessant. Es ist nicht einmal besonders gute Musik zum kiffen. Die gewollt opulente Produktion, die generischen R'n'B-Hooks und die professionelle Glätte lassen ihn eher wie eine Zweitbesetzung von dem Rick Ross der 2010er klingen, der diesen Luxury-Rap immerhin mit ein bisschen Grit ausfüllt. Und Sex-Appeal? Man danke Gott, dass die beiden Rap-Opas nicht ehrlich versucht haben, auf diesem Album so etwas wie Sex-Appeal auszustrahlen. Am Ende klingt dieses Album wie ein dummer, glitzernder Anzug aus den Neunzigern, jetzt wieder getragen von zwei Mannen frisch in der Midlifecrisis, die sich mantrahaft vorsagen, dass sie nicht nur extrem viel gerissen haben, sondern ohne Frage immer noch ganz die Alten sind, als wäre auch nur kein Tag vergangen. Seid ihr aber nicht, die Tage sind in der Tat vergangen und der Anzug sitzt nicht mehr.
3 Kommentare mit einer Antwort
Jopp, richtig mid, Snoop auf Albumlänge ist eh schwierig, ein Feature-Part ist schon genug. Aber selbst die Beats sind schwach.
Besser das Ice Cube-Album checken, da gibt's weitaus mehr Westcoast.
Hab's zweimal zu 2/3 gehört, danach brauchte ich was anderes. Finde es nicht verkehrt. Gorgeous ist nice. Wem das nicht gefällt, der wird vermutlich gar nichts mit deren Vibes anfangen können. Ich vermute mal dass das ein Grower ist, so wie die Gärtner in DE.
Zum kiffen hör ich gerade nen entspannten Mix von Etherwood, von daher lasse ich mir dieses Machwerk gerne entgehen.
Achja, und frohes Fest und den ganzen Quatsch.
Etherwood ♥ was ein krasser Artist/Musiker, so underrated!