laut.de-Kritik

Proper-Sheppard liebäugelt wieder mit härteren Klängen.

Review von

Innere Zerrissenheit gehört zu den Hauptmotiven in Sophia-Songs. Warum soll nicht auch der Hörer ab und an von einer solchen Zerrissenheit heimgesucht werden? Mit "Technology Won't Save Us" legt Robin Proper-Sheppard ein seltsam zwiespältiges Album vor. Einiges ist anders und zugleich doch wieder nicht.

Was hat sich im Klangspektrum des Wahl-Londoners getan? Zum einen gibt es das Instrumentalstück "Technology Won't Save Us" als Opener. Ein weiterer Song, in dem die Musik für sich steht, ist "Twilight At The Hotel Moscow". Ersteres wirkt in seiner netten und melodischen Art etwas kitschig, bis schließlich eine konstruiert wirkende und schlicht an Schärfe vermissende Sound-Apokalyptik einbricht. So drastisch, wie das Cover es andeutet, wird es leider nicht. Das Stück bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück.

"Twilight ..." dagegen ist wirklich gelungen. Zu Beginn spielen seltsam fragile Bläser zum Weltuntergang auf, darunter eine gespenstische Geräuschkulisse. Dann die Sophia-typische Akustikgitarre, man merkt schon alleine am Anschlag der Saiten, wer sie spielt. Das markerweichende Greinen einer Geige scheint das Ende dann vollends zu proklamieren. Eine gespannte Unruhe liegt in der Luft. Sicher das beste Stück des Albums.

Ansonsten greift Proper-Sheppard auf bewährte Mittel zurück. Viele Songs klingen so, als hätten sie auch auf "Infinite Circle" oder "People Are Like Seasons" ihren Platz gefunden. Den einzigen Unterschied macht eigentlich die Orchestrierung. Zwar behauptet der Sänger und Songschreiber, Sophia hätten einen guten Schritt nach vorn gemacht - das allerdings darf bezweifelt werden.

Die neuen Wege und Möglichkeiten, die die Instrumentals eröffnen, gehen die meisten Songs nicht mit. Es ist so, als würde Tine Wittler behaupten, sie hätte ein Zimmer im Asia-Style erneuert und in Wirklichkeit lediglich die Raufasertapete weiß überstrichen und zwei japanische Schriftzeichen draufgepinselt. Sogar die alten Bohrlöcher sind noch schemenhaft zu erkennen. Darüber tröstet auch der synthetische Beat von "P.1/P.2" nicht hinweg.

"Theme For The May Queen No.3" schließt das Album ziemlich rockig ab. Dass Proper-Sheppard wieder
mit härteren Klängen liebäugelt, hatte sich ebenfalls schon beim letzten Album angedeutet. Ich möchte dem Mann, dessen Lieder mir schon manche lange Nacht erträglich gemacht haben, nicht zu Nahe treten. Trotzdem beschleicht mich das Gefühl, ich hätte abgesehen von den Instrumentals schon alle Songs dieses Albums in meinem Regal stehen. Sie finden sich in abgewandelter Form auf den Vorgängeralben und gehören jeweils nicht zu den stärksten. Die Intensität eines "If Only" ist wohl einzigartig, so soll es auch bleiben.

Dennoch bergen die Lieder alle etwas, liegen im Vergleich zu vielen anderen Songschreibern immer noch über dem Durchschnitt. Vielleicht entsteht diese Irritation, weil die Melodien, die Proper-Sheppard singt, einem ganz bestimmten Stil folgen und zusammen mit dem Gitarrenanschlag und den ähnlichen Zupfpatterns eine Grenze der Erneuerungsmöglichkeit aufzuweisen scheinen. Warum aber dann versuchen, mit oberflächlichen Veränderungen eine Erneuerung herbeizureden?

Das Album ist hörbar, keine Frage. Auch gehen die Songs im Prinzip über weite Strecken in Ordnung, aber leider greift "Technology..." nicht die Möglichkeiten auf, die es hier für eine Weiterentwicklung gegeben hätte. Ein Satz aus dem Werbefernsehen drückt es perfekt aus: "Ich dachte, da wäre mehr drin." Sophia-Fans werden es dennoch kaufen und sie sollten es auch, denn dann gibt es bestimmt bald ein neues Album, das diesen halbherzigen Prozess zu Ende führt und die Musik von Sophia auf eine neue, noch unbekannte Ebene hebt.

Trackliste

  1. 1. Technology Won't Save Us
  2. 2. Pace
  3. 3. Where Are You Now
  4. 4. Big City Rot
  5. 5. Twilight At The Hotel Moscow
  6. 6. Birds
  7. 7. Lost (She Believed In Angels)
  8. 8. Weightless
  9. 9. P.1/P.2 (Cherry Trees And Debt Collectors)
  10. 10. Theme For The May Queen No. 3

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2 Kommentare

  • Vor 18 Jahren

    Hmmm... ich bin ehrlich gesagt etwas enttäuscht von dem neuen Sophia-Album. Bei "People are like seasons" hat sich ja schon gezeigt, dass Sophia sich verändert, auf dem neuen verlässt die Band immer mehr ihre Wurzeln. Diese urtypischen, wunderschön traurigen, simplen, ins Ohr gehende Songs gibts kaum noch, dafür geht die CD immer mehr in Richtung Pop und Wannabe-Metal, wie zum Beispiel zum Ende des (sonst eigentlich guten!) Openers und Titelsongs.

    Trotzdem bereue ich den Kauf nicht, denn die paar guten Lieder, allem vor ran das geniale, vor allem auch genial gesungene "Big City Rot", sind mir das Geld schon wert.

  • Vor 17 Jahren

    also ich bin wirklich angetan. Allein der Opener ist für mich aber so was von groß. Das eher an Industrial erinnernde Ende ist doch nun wirklich keine Wannabe-Metal sondern der logische Schluß der Geschichte, wenn auch ein furchtbar trauriger. Zugegebenermaßen kannte ich die Band vorher nicht, aber was ich hier gehört habe, hat mich schon beeindruckt!