laut.de-Kritik

Es friert in Miami.

Review von

Kaum geht einer ein wenig anders als MC Mainstream und Producer Populär zu Werke, bejubelt irgendjemand die Ankunft des nächsten Genre-Messias. Es nervt. "Der neue Schrittmacher des Hip Hop", so lese ich über SpaceGhostPurrp. Dass Hip Hop Starthilfe nötig hätte, glaubt in Zeiten, in denen die wunderbare Vielfalt blüht, aber auch nur der hartnäckigste Scheuklappenträger.

Gehts auch eine Nummer kleiner? SpaceGhostPurrp und sein Raider Klan werden den Hip Hop so wenig retten müssen, wie die Odd Future Wolf Gang oder Rap-Popper Cro. Hip Hop kommt ganz gut zurecht - gerade weil er gegenwärtig wieder einer Vielzahl unterschiedlichster Strömungen Obdach gewährt und damit für die verschiedensten Geschmäcker Passendes parat hält.

Der "Mysterious Phonk", der aus Miami über den großen Teich weht, fügt ihm eine neue Facette hinzu und richtet sich dabei eindeutig an Freunde der finsteren Nischen. Dafür muss SpaceGhostPurrp noch nicht einmal auf bereits allzu strapazierte Versatzstücke zurück greifen. Sein düsterer, wabernder, unheimlicher Sound legt sich, ganz Florida-untypisch, wie Nebelschwaden um die Knöchel.

Über den Sumpf irrlichtern versprengtes Elektro-Gefiepe, Fetzen aus Computerspiel- oder Pornofilm-Soundspuren, Percussion-Elemente oder einzelne Klaviernoten. Geräusche, die im ersten Moment wir ganz normales Stimmengewirr anmuten, enthüllen in Endlosschleifen gespenstisch fratzenhafte Züge. "It's a cold world", ohne jeden Sinn für Sandstrand-Gaudi.

Wie die einlullende Stimme eines Hypnotiseurs legt sich SpaceGhostPurrps monotoner Rap über die geisterhafte Szenerie. Zwischen Versen und Hookline macht er kaum einen Unterschied, erhebt so gut wie nie die Stimme, "I stay low key". Die lakonische Darbietung zieht langsam, aber stetig hinab, wiegt in trügerischer Sicherheit, bis man sich in einen schwer wieder aufzubrechenden Trance-Zustand geschaukelt hat.

"Don't get your head bust, nigga." Gebetsmühlenartige Wiederholungen verstärken den bestrickenden Charakter noch, illustrieren ewige Abwärtsspiralen, das vergebliche Strampeln im Hamsterrad einer Gesellschaft, die ihre Seele längst auf dem Altar des Konsums geopfert hat. Zweieinhalb Minuten, sieben Minuten ... die Länge der Tracks verliert an Bedeutung wie Zeit und Raum.

Für Paranoia jeder Spielart schüttet SpaceGhostPurrp unterdessen fruchtbaren Nährboden auf. Stetig wächst das Gefühl einer latenten Bedrohung, einer Gefahr, die jederzeit blitzschnell zuschlagen kann, kalt wie ein reglos auf Beute lauernder Alligator. "My patience is real short", warnt er. Wenn der Geduldsfaden irgendwann reißt, möchte man sich besser nicht in unmittelbarer Nähe aufhalten.

Irgendwo unterwegs muss SpaceGhostPurrp einem doch eins über den Schädel gezogen haben. Im Dämmerzustand registriert man so beiläufig wie benommen, wie er einen an den Haaren in seine Höhle schleift, um einem mit Beschwörungsformeln gleichenden Zeilen die Klamotten vom Leib zu schwätzen. "Grind On Me".

Gänzlich unbeeindrucht spricht SpaceGhostPurrp sein "Raider Prayer", hatte zuvor noch handfeste Ratschläge parat, wie man sich zum "Osiris Of Tha East", zu "Tha Black God" aufschwingt: "Maintain, stay true to yourself, love yourself, believe in yourself, have faith, think positive, be strong - and you will be your own god."

"Den Underground-Sound des US-Hip Hop neu zu definieren", wie das Begleitschreiben zu seinem Album frohlockt, hat er unter Garantie nicht im Sinn. "We just don't care." Das glaube ich hingegen sofort, genau wie die realistische Selbsteinschätzung: "My style is similar to the magical smoke." Höllisch eintönig. Aber auch höllisch wirkungsvoll.

Trackliste

  1. 1. Mystikal Maze
  2. 2. Bringing Tha Phonk
  3. 3. Osiris Of Tha East
  4. 4. Suck My Dick 2012
  5. 5. Get Yah Head Bust
  6. 6. Been Fweago
  7. 7. Grind On Me
  8. 8. Tha Black God
  9. 9. No Evidence
  10. 10. Paranoid
  11. 11. Danger
  12. 12. Elevate
  13. 13. Don't Give A Damn
  14. 14. Raider Prayer

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