laut.de-Kritik
Grandioser Restart mit Anna von Hausswolff.
Review von Ulf Kubanke"And it's lost in a thought ever seen, never caught". Außergewöhnlich groovy fegt "Some New Things" den Gehörgang aus. Mantrisches Repetieren und Andeutungen von Blues kennt man längst im Swans-Kosmos. Die Tanzbarkeit hingegen ist neu. Es ist nicht die einzige Überraschung, die das 15. Studioalbum "Leaving Meaning" bereit hält.
Seit den Aufnahmen zur letzten Platte "The Glowing Man" passierte einiges. Erst sah Michael Gira sich Vergewaltigungsvorwürfen seitens der Musikerin Larkin Grimm ausgesetzt, die sich mittlerweile als substanzlos entpuppten. Danach machte er ein gutes Jahr Pause vom Schwanengesang und löste die Band kurzerhand auf. Wie Phönix aus der Asche erfolgt auf "Leaving Meaning" nun die Auferstehung in Neubesetzung mit vielen namhaften Gästen.
Laut Gira besteht "Swans nun aus einer rotierenden Besetzung von Musikern, die sowohl nach ihrem musikalischen als auch nach ihrem persönlichen Charakter ausgewählt wurden. Die Auswahl richtet sich nach der Stimmung, in der ich die Songs sehen möchte. In Zusammenarbeit mit mir tragen die Musiker durch ihre Persönlichkeit, ihr Können und ihren Geschmack wesentlich zur Gestaltung des Materials bei. Es sind alles Menschen, deren Arbeit ich bewundere und deren Gesellschaft ich persönlich genieße."
Viele Köche verderben den Brei? Gira führt eindrucksvoll den Gegenbeweis. Zwar nutzt er ein vielköpfiges Team. Teil der neuen Swans ist u.a. Edelperkussionist Larry Mullins, der auch schon in Giras Zweitband Angels Of Light mitwirkte. Auch die altgedienten Schwäne der letzten drei Glanztaten "The Seer"/"To Be Kind"/"Glowing Man" befinden sich als Gäste noch immer an Bord.
Daneben jedoch sprach der Kalifornier noch über ein Dutzend Einladungen aus, darunter etwa Baby Dee (u.a. Antony And The Johnsons). Als größter Coup erscheint zweifellos die Kollaboration mit den Schwestern Maria und Anna von Hausswolff. Den insgesamt über 30 Beteiligten gelingt einmal mehr ein grandioses Werk, das sich lässig auf Augenhöhe mit den genannten Vorgängeralben sowie den Meilensteinen "Children Of God" und "Burning World" bewegt.
Ein Dutzend Lieder gibt es auf über 90 Minuten. Nach Giras brillanten Versionen von "Love Will Tear Us Apart" (Joy Division) und "Can't Find My Way Home" (Steve Winwood) erschallen hier nunmehr zwei weitere Fremdkomposition in Form von "The Nub" und dem Titellied. Genau genommen sind es nur halbe Cover, da die Komponisten The Necks, eine australische Avantgarde-Jazz-Formation, beide Tracks zwar schrieben, aber hier erstmals gemeinsam mit Gira (plus Baby Dee bei "The Nub") polierten und aufnahmen. Schon allein die zwölf Minuten "Nub" verdienen jeden verfügbaren Kniefall. Je zu ein Drittel surreales Stilleben, Albtraum und Ritualmusik. "Leaving Meaning" setzt dagegen auf eine eher schwelgende Note mit verführerischen Pianoläufen des alten Schwans Paul Wallfisch.
Giras Brillanz zeigt sich einmal mehr in der seltenen Fähigkeit, jedes einzelne Stück als Solitär erstrahlen zu lassen, obgleich sämtliche Edelsteine chronologisch genossen einen größeren, bannenden Emotionszusammenhang ergeben. Ein Beispiel: Für sich genommen macht "The Hanging Man" sicherlich besonders all jene froh, die sich den früheren Nick Cave zurückwünschen. Eingebettet zwischen den eher entspannten vorherigen zwei Songs und dem finsteren Beerdigungsfolk "Amnesia" (mit beiden Hausswölffinnen) ergibt sich jedoch ein anderes, erweitertes Gefühl.
Das kann zwischendurch durchaus auch anstrengend geraten. Wenn sich etwa der "Sunfucker" als betont archaischer Schamanen-Chant samt hexenhaft überschnappender Hausswolff-Vocals zum fordernden Klangmonster hochschaukelt, entdeckt man den ultimativen Gegenpol zum runden "Some New Things". Der Kontrast funktioniert jedoch nur auf der CD-Edition, da die Vinyl-Ausgabe gekürzt und anders gemischt wurde.
Wer Gira besonders als in sich ruhenden Zeremonienmeister schätzt, wird an "Cathedrals Of Heaven" und dem beschaulichen "It's Coming It's Real" seine finstere Freude haben. Gegensätzlich zum "Sunfucker" wandelt Hausswolff sich auf letzterem stimmlich von Furie zu Fee.
"What Is This?" hört man erneut die mitunter enge Verwandtschaft zu Cave und seinen Bad Seeds an. Der feierliche Impetus irritiert zunächst durch weihnachtskompatible Stimmung. Danach spielt Gira mit "My Phantom Limb" den letzten Kontrast aus, dessen rein stimmlich transportierte Schroffheit einen angemessen bebenden Schlusspunkt setzt. Was für ein intensives Album!
6 Kommentare mit 13 Antworten
Der Anwalt gibt 5? Blindkauf!
Aber wirklich gehört wird es erst wenn die Stimmung passt.
Von daher ungehört 5/5
Zum Glück hat der Anwalt in seiner langen laut-Karriere noch nie 5 Sterne für absoluten Schund gegeben...
(Soll jetzt kein hate sein, unser Ulfi macht das meistens schon sehr gut, ist nur gerne auch mal etwas unberechenbar)
"unser Ulfi macht das meistens schon sehr gut"
Er "produziert" wenigstens etwas, was eine relvante Anzahl an Menschen be(ver)urteilen können.
hehe, ich gebe gern zu, das mir die swans auf der fanboy-ebene ähnlich gut gefallen, wie etwa manuel seine opeth-sammlung.
dennoch glaube ich nicht, hier zu rosa zu sehen. die qualitätsdichte des gesamten katalogs ist so dermaßen hoch, die wiedererkennbarkeit so einzigartig und die fähigkeit, aus eigentlich konventionellen genre-zutaten völlig unkonventionelle songs zu machen so ausgeprägt.
von den aktuellen us-alternative-ikonen macht aus meiner sicht nur noch david eugene edwards eine ähnlich herausragende figur in dieser kontinuität.
Das bisher Gehörte haut mich leider nicht vom Hocker, trotz hochkarätigem Hausswolff Feature. Mal sehen. Aber wenn's nach mir ginge sollte er eh Swans einstampfen und die Angels of Light zurückholen.
Das "How I Loved You" Album ist für mich das Beste was Gira je gemacht hat...!
das ist wirklich ein guter hinweis auf eine seine schönsten platten. aber gerade die ruhigen sachen gehen doch hier auch sehr in die aol-richtung. das könnte dir gefallen. zumal swans ja auch mittlerweile kaum noch von aol trennbar sind. machen hier ja auch einmal mehr viele davon mit. sieht aus, als sei es mittlerweile eine riesenband plus gäste statt zweier getrennter projekte.
Fürchterlich...überschätzt...
Band oder Album?
Das ist natürlich nichts für jeden Geschmack. No problem. Aber 'überschätzt' ist meiner Meinung nach nicht gerechtfertigt.
Das soll kein "Man muss sie halt live sehen"-Argument sein. Aber *wer* sie live gesehen hat und mitbekommen hat, wie der Typ seiner Band ein 45 minütiges Crescendo (als Teil eines 3 Stunden Sets) dirgiert, kann die unmöglich für überschätzt halten. Geschmackssache? Absolut. Überschätzt? Niemals...
"Erst sah Michael Gira sich Vergewaltigungsvorwürfen seitens der Musikerin Larkin Grimm ausgesetzt, die sich mittlerweile als substanzlos entpuppten."
Gibt es dafür eine Quelle?
mittlerweile schwer zu recherchieren. zunächst hatte jennifer gira von einem beweis zugunsten michaels gesprochen. kurz darauf zog grimm alle vorwürfe unkommentiert zurück und löschte alles derartige auf ihren accounts, auch nachdem dort wohl leute aus ihrem umfeld verlautbarten, sie hätte dasselbe spiel mit derlei vorwürfen schon mehrfach im bekanntenkreis abgezogen.
das war alles vor ca 2 jahren. mittlerweile kann man wohl nichts mehr recherchieren, da sich niemand mehr dazu äußert. zu ermittlungen ist es nie gekommen. dem anschein nach wohl eher ein fall trauriger, psychischer probleme.
Finde ich ehrlich gesagt ein bisschen wenig, um von "substanzlos" zu sprechen, gerade durch das anfängliche Verhalten von Gira (Erstmal volles Brett draufhauen und dann zurückziehen) finde ich das alles nicht so ganz klar. Es gibt ja zwischen "Es war so" und "Es war nicht so" auch noch jede Menge Grauzone. Aktiv entkräftet wurde es in meinen Augen jedenfalls nie, und das sage ich als eigentlich großer Fan der Band.
als jurist und humanist bin ich nicht der ansicht, dass bloße behauptung bereits ein substantiierter vortrag sei. wir leben ja nun nicht in einer inquisitorischen ordnung, die "bei behauptung so lange schuldig bis unschuld erwiesen ist" festschreibt, sondern das gegenteil.
da sich ergo nicht das geringste erhärtet hat, ermittlungen nicht einmal aufgenommen wurden und die anschuldigende person selbst abstand nahm, kann ergo jegliches erörtern, ob der öffentlich beschuldigte nicht doch dreck am stecken habe, höchstens teil typischer marktplatzspekulationen sein, aber sicherlich nicht teil eines offiziell veröffentlichten artikels, einer zitierfähigen quelle. so ein gestochere ins blaue hinein ohne jede rechtliche oder tatsächliuche erhärtung, wäre aus meiner journalistischen sicht weder ethisch noch seriös.
Man sollte bedenken, daß Vergewaltigungsvorwürfe in neun von zehn Fällen mindestens einen wahren Aspekt haben. Allerdings häufen sich die erfundenen Fälle bei Künstlern natürlich umso mehr. Wie schon bei Woody Allen handelt es sich hier mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um eine psychisch kranke Frau.
Scheinbar hat Larkin Grimm auch einen ehemaligen Bandkollegen bezichtigt, übergriffig gewesen zu sein. Ein Mitmusikerin schlug sich auf die Seite des Beschuldigten. Ist schon etwas her, dass dieser Artikel veröffentlicht wurde, und hat auch nichts mit Gira zu tun, aber dennoch:
https://www.spin.com/2016/03/larkin-grimm-…
Nach den stark am Noise orientierten letzten Alben freue ich mich richtig über das neue Album, das wieder atmosphärischer geworden ist. Bin ja großer Fan von 'White Light from the Mouth of Infinity'. Die Hauswölfinnen können Jarboe zwar nicht ersetzen, aber sie machen ihre Sache sehr gut und sind wohl die beste Wahl, die man sich aktuell wünschen kann.
Für SWANS Einsteiger kann ich das Album 'Various Failures' empfehlen. Wunderbare Compilation.
"It's Coming, It's Real" fand ich eher lau. Aber ich bin grad auch nicht so sehr in Swans-Stimmung. Ich freu mich jedenfalls, dass es nach "The Glowing Man" überhaupt weiter geht. Wundertütenmäßige ?/5