laut.de-Kritik
Wenn die Frauenpower zu sehr Männersache ist.
Review von Florian DükerDer Außendarstellung nach zu urteilen sind The Aces ein tolles Beispiel für Musikerinnen in einem von Männern dominierten Geschäft. Ein paar Freundinnen, die sich mit jugendlichem Charme und guter Musik gemeinsam eine Fanbase aufgebaut und einen Platz in dieser Männerdomäne erkämpft haben. Man würde den sympathischen Mitgliedern Cristal Ramirez (Gesang und Rhythmusgitarre), ihrer Schwester Alisa Ramirez (Drums), McKenna Petty (Bass) und Katie Henderson (Gitarre und Background-Vocals) gerne gratulieren, dass sich die jungen Frauen auch ohne männliche Unterstützung in der Musikindustrie durchsetzen.
Schaut man aber genauer auf die Liste der Beteiligten am zweiten The Aces-Album "Under My Influence", liest man folgende Namen: Christian Medice, Jesse Shatkin, Keith Varon, Matias Mora, Mike Green, Zach Skelton - ausschließlich Männer. Halt! Neben "New Emotion" und "Kelly" steht "produced by Valley Girl" im CD-Booklet. Das muss doch endlich eine Produzentin sein, oder? Weit gefehlt, hinter diesem Duo verbergen sich abermals zwei männliche Produzenten namens Nate Campany und Kyle Shearer.
Jeder einzelne Song auf "Under The Influence" wurde also von einem Mann produziert. Für den Master des Albums war ein Mann zuständig, für den Mix ebenfalls. In der Liste der zahlreichen Songwriter findet sich nur eine weitere Frau. Auch um das Management der Band kümmern sich zwei Typen. Irgendwie trügt der Schein der Frauenpower also ein wenig, den die Aces hier verkaufen.
Das ist aber nicht per se eine Kritik an der Band und soll auch nicht ihre Beteiligung an der Platte aberkennen. Eine Band kann sich ja frei Schnauze Unterstützung aussuchen - ganz egal, ob männlich, weiblich, divers oder Alien. Man wird leider den Eindruck nicht los, dass sich hier ein grundlegendes Problem der Musikindustrie offenbart: Alle Rufe nach Gleichberechtigung dringen kaum bis hinter die Kulissen, gerade diese Machtpositionen bleiben männlich und weiß. So leidenschaftlich die The Aces im Interview von Emanzipation und Authentizität sprechen, so schade ist es, dass "Under The Influence" genau dies ein wenig vermissen lässt.
Die Texte sollen die persönliche Gefühlswelt der Band und ihrer Fans wiederspiegeln. Immerhin wird im Gegensatz zum Debütalbum auf "Under My Influence" teilweise deutlich, dass sich Sängerin Cristal in Bezug auf die Liebe eigentlich gar nicht für die Männer-, sondern für die Damenwelt interessiert ("Kelly", "Can You Do", "Thought Of You"). Aus "babe", das sie auf dem Vorgänger aufgrund gesellschaftlicher Konventionen noch vornehmlich verwendete, wird jetzt also "girl": Ein Schritt Richtung Selbstentfaltung und mit Sicherheit auch die Ausdrucksweise, mit der sich die Sängerin wohler fühlt. Trotzdem klingt das Endprodukt - vor allem wegen der Produktion - plastisch, glatt, etwas seelenlos. Die Ecken und Kanten werden dringend vermisst.
Technisch gibt es über die 14 Songs hinweg wenig zu meckern. Das Quartett versteht sein Handwerk, das beweisen auch die Konzertvideos der Band. Leider zeigen die aber auch, dass The Aces Songs in petto haben, die gar nicht so glatt gebügelt klingen, wie das Material auf "Under My Influence". Nur haben die es nicht auf die beiden bisher veröffentlichten Platten geschafft.
Soundmäßig macht "Under My Influence" zeitgemäßen Pop, Experimente wagt die Band keine. "New Emotion" klingt funky, "My Phone Is Trying To Kill Me" rockig, "I Can Break Your Heart Too" zuckersüß. "Thought Of You" besticht durch Cristals gesangliche Leistung und einen ungewöhnlichen Takt. Angenehm klingen sie ausnahmslos, richtig hervorstechen will nichts.
Die musikalischen Vergleiche mit The 1975, Haim, Dua Lipa und Ariana Grande kann man nachvollziehen. Lyrisch beschäftigt sich das Quartett mit Millennial-Themen ("My Phone Is Trying To Kill Me"), mit der prüden und langweiligen Heimatstadt Utah, in der es für Alisa und Cristal als queere Frauen kaum Ausgehmöglichkeiten gab, aber auch mit der Einsamkeit der pulsierenden Großstadt ("Lost Angeles") und natürlich mit der Liebe, die thematisch auf den restlichen Songs dominiert.
The Aces ist zu wünschen, dass sie sich in Zukunft noch mehr selbst entfalten, ihre viel zu glatten und mutlosen Produzenten in den Wind schießen und lieber ein Experiment oder eine unerwartete Kollaboration wagen. Letztlich ist es für den Konsumenten, der einfach nur Musik hören möchte, gar nicht so wichtig, wer jetzt die Songs produziert. The Aces sind am Ende ja diejenigen, die die Instrumente spielen und die Lieder singen. Beim nächsten Mal aber trotzdem gerne mehr Seele und weniger Produktionen von der Stange!
1 Kommentar mit 2 Antworten
Dass durch die vereinzelte Auftreten von Menschen mit unterrepräsentierten äußerlichen Merkmalen (Geschlecht, Hautfarbe, etc.) die Aufmerksamkeit auf die Symptome bestehender und vergangener Ungleichbehandlung gelenkt wird, ist leider natürlich: Dass männlicher Künstler in der Musikproduktion als Normalität gelten, ist Teil des Problems, das sich später in der Unterepräsentierung von Frauen in der Branche äußert. Und so lange etwas normal ist, hinterfragt man es nicht, erst bei den „Unnormalen“ (Frauen als Bandmitglieder) kommt man dann auf die Idee, mal die Liste der Mitwirkenden nach Geschlecht zu scannen, und zu der Erkenntnis zu gelangen, dass die Ungleichverteilung nach wie vor deutlich weiter ausgeprägt ist, als die heile-Welt-Medien einem das manchmal verkaufen wollen.
Ich finde es den Künstlern gegenüber unfair, dass diese Erkenntnis so einen breiten Teil des Album-Reviews einnimmt. Die können ja nichts dafür, dass sie weiblich sind. Sollte man nicht eher Alben-Reviews über Alben von männlichen Künstlern (bei denen hinter den Kulissen i. d. R. auch nicht in erster Linie Frauen walten) mit drei langen Absätzen über dieses Thema beginnen?
Kann deine Kritik gut nachvollziehen, hab mir darum auch Gedanken gemacht. Muss aber dazu sagen, dass mich die Liste der Beteiligten immer interessiert - unabhängig vom Künstler und Genre. Ich wollte das Thema ansprechen, weil die Band so leidenschaftlich von Authentizität und der Selbstverwirklichung durch die Musik spricht. Deswegen hat mich der Blick auf die Credits schon etwas überrascht. Mein Eindruck war, dass sich das letztlich auch auf die Qualität des Albums ausgewirkt hat. Vielleicht wäre es sonst spannender geworden. Das ist zwar Spekulation, aber dass es mit diesen Produzenten kalkuliert und uninteressant klingt, ist nun mal mein Eindruck. Das hat dann leider auch drei Absätze der Review eingenommen.
Zum letzten Punkt: Klar, man könnte generell mal hinterfragen, warum es so wenig weibliche Produzentinnen und Songwriterinnen gibt, auch bei Alben von männlichen Künstlern und Bands.
Das is natürlich ein valider Punkt, der absolut in die Rezension gehört: Wenn die Produktion der Musik schadet, oder der Anteil anderer Personen an der Musik größer ist als das Image der Band verspricht (Stichwort Authentizität), betrifft das die Musik und die Künslter und damit das Album.
Mich stört eben, dass Frauen ziemlich häufig in die Rolle gedrängt werden, besonders auf Gleichberechtigung achten zu müssen und in der Hinsicht besonders progressiv zu sein. Das ist zum einen unfair.
Zum anderen ist es noch nicht einmal gut, wenn jeder in der Hinsicht versucht, progressiv zu sein, weil das Thema sehr komplex ist und nicht jeder das Wissen dazu hat, und ein wirksames progressives Korrektiv oft genau den Gefühlen, die man dazu hat, zuwider läuft:
Eine emotional naheliegende Konsequenz wäre es z. B., bei der Produktion eines Musikalbums nur weibliche Produzenten und Toningenieure einzustellen. Das würde allerdings nicht nur nichts an der Grundproblematik ändern, dass es wenige Frauen in dem Bereich gibt, schlimmer noch, wenn viele das machen würden, würde es dazu führen, dass die Leistung von Frauen sozial entwertet würde, weil man Weiblichkeit hier als qualifizierenden Maßstab einführen würde. Das würde zum einen dafür sorgen, dass die Gesellschaft hinterfragen würde, ob die Frauen wegen oder trotz ihrer Qualifikation eingestellt wurden, zum anderen würde es den Frauen selber das Gefühl nehmen, für ihre Fähigkeiten eingestellt zu werden (Stichwort Imposter Syndrome). Es würde das Vorurteil bestärken, Frauen seien weniger kompetent, und damit das Kernproblem des Sexismus. Abgesehen davon, dass es sexistisch gegen Männer wäre.
Das ist im Grunde das gleiche Phänomen wie beim Artikel: Bei einer ausschließlich weiblichen Band auf das Thema Sexismus aufmerksam zu werden, ist ebenfalls emotional gesehen vollkommen logisch und mitunter unausweislich. Das dann im Artikel so zu schreiben führt allerdings wie gesagt dazu, dass auf Frauen, anders als auf Männer, die Erwartung aufgebaut wird, in Gleichberechtigungsfragen alles richtig zu machen, und das ist eben unfair.
Ich finde, die beste Möglichkeit, auf die Problematik aufmerksam zu machen, ist nicht in Alben-Reviews, weder in welchen von Männern, noch von Frauen. Denn die Künstler können nie etwas für dieses Problem (es sei denn, sie stellen bewusst nur Menschen eines Geschlechts ein, aber das passiert glaube ich fast nie), es ist ein gesellschaftliches.
Das beste wäre ein separater Artikel dazu, am besten mit Brücken zum soziologischen Bereich, der Entstehung von Vorurteilen etc.