laut.de-Kritik
Ein musikalisches Wimmelbild wird 50.
Review von Jürgen LugerthAm 1. Juni 2017 ist es 50 Jahre her, dass The Beatles – John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr – mit "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" einen Meilenstein der Musikgeschichte veröffentlichten. Um den 50. Jahrestag dieses Klassikers angemessen zu würdigen, veröffentlichen die Beatles bzw. diverse Nachlassverwalter nun eine Reihe von hochkarätigen Jubiläums-Editionen. Zwei Köpfe der legendären Band weilen ja leider längst nicht mehr unter uns. Abnehmer für die Netto-Einnahmen der verschiedenen Jubiläumsausgaben finden sich neben Paul McCartney und Ringo Starr aber sicher genügend.
Grundsätzlich dürfte so etwa jeder zweite Erdbewohner dieses musikalische Chamäleon oder wenigstens seine von prominenten Gesichtern wimmelnde Plattenhülle kennen. Und etliche der dreizehn auf dem Album enthaltenen Paradestückchen werden wohl bis auf den heutigen und alle kommenden Tage nahezu minütlich rund um den Globus in den Äther gejagt. Gemeinsames weltweites Kulturgut, so ist das wohl.
Was aber macht gerade diese Edition nun besonders? Wahrscheinlich die Tatsache, dass dieses ursprünglich in Mono aufgenommene Werk zum ersten Mal in ein wirklich vernünftiges, transparentes, luftig leichtes und schön aus der Mitte der Klangquelle kommendes Stereo, das sich vor den Boxen engelhaft schwebend im gesamten Raum ausbreitet, transferiert wurde. Die weltbekannten Aufnahmen klingen geradezu modern, zeitgemäß und lassen das alte, seltsam anmutende Ping Pong-Stereo früherer Ausgaben endgültig vergessen. Zudem hört man endlich mal mehr von Ringos Schlagzeug und vor allem auch Pauls Bass. Der kommt manchmal fast schon zu deutlich raus.
Es ist für einen Soundtechnik-Laien kaum möglich, hier alle Änderungen und Feinheiten der neuen Edition fachgerecht zu beschreiben und zu erklären. Also belassen wir es vorderhand bei der Feststellung, dass das nur 38 Minuten lange Kernwerk der Editionen durch die neue Bearbeitung durchaus gewonnen hat und man getrost seine alten CDs und Scheiben in Rente schicken kann. Verantwortlich für diese Leistung ist an erster Stelle Giles Martin, der Sohn des legendären Produzenten und Tontechnikers George Martin, der gemeinhin als der fünfte Beatle bezeichnet wird. Nach eigenen Aussagen hat er seinem genialen Dad schon seit seinem fünfzehnten Lebensjahr auf die Finger geschaut und später ernsthaft mit ihm zusammengearbeitet. So ist das notwendige Rüstzeug also vom Vater auf den Sohn übertragen worden.
Vielleicht noch einmal ein kurzer Blick auf die Stücke der legendären Schallplatte. Der eröffnende Dreier "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band", "With A Little Help From My Friends" und "Lucy In The Sky With Diamonds" ist bei erster Betrachtung eigentlich gar nicht so spektakulär. Es sind schöne, nicht zu sehr aufgetakelte Beatles-Songs. "Sgt. Pepper's" ist ein gut gelaunter, witziger Opener, der ein paar rockige Riffs, etwas Blaskapelle und ein von Band eingespieltes geräuschvolles Publikum vorzuweisen hat. Das von Ringo eingesungene "With A Litte Help" wird erst zur richtigen Sensation, als es dem stimmgewaltigen, von der Last des Daseins gequälten Joe Cocker in die Hände fällt, der daraus nicht nur auf dem Woodstock Festival eine Orgie des geröchelten und geröhrten Herzschmerzes macht. Und "Lucy" lebt nicht allein von seiner Leichtigkeit und seinem versponnenen Text, sondern vor allem von den Spekulationen darüber, ob hier über LSD und seine Wirkungen gesungen wird. Die Beatles verneinen das in der Folge stets.
"Getting Better" mit seiner coolen Gitarre und seinem Stakkato-Rhythmus beglückt den Rock-Fan, ab "Fixing A Hole" mit seinen Spinett-Klängen, der schwebenden Gitarre und dem psychedelisch angehauchten Text aber beginnt das Album richtig abzudrehen. Harfenklänge leiten das schmachtende, rührselige Ausreißer-Drama "She's Leaving Home" ein, bevor der musikalische Kirmes-Rummel "Being For The Benefit Of Mister Kite" mit Walzer-Rhythmus, Dampforgel und vielfältigen Frühjahrsmesse-Hintergrundgeräuschen alle Sinne vernebelt.
Gnadenlos geht es mit der Hare Krishna-Meditation "Within You Without You" weiter, mit singenden Sitar- und Violinensaiten und transzendenten Betrachtungen über den Fluss des Lebens. Ja, der gute George, der war schon damals der Weisheit des Fernen Ostens verfallen. Nächster scharfer Schnitt. Die alberne, sentimentale Altersballade "When I'm Sixty Four" hat sicher schon 1967 polarisiert. Aber irgendwann musste wohl die im Studio herumliegende Klarinette auch mal eingesetzt werden.
Auch "Lovely Rita" ist so ein Spezialfall. Ein Lied über eine Strafzettel verteilende Politesse ist sicher nicht der stärkste Ausdruck von Hippietum und erwachender Protesthaltung. Aber vielleicht wohnte in McCartney schon immer auch ein kleiner Spießer. "Good Morning" beeindruckt natürlich vor allem durch seine vielfältigen Soundkollagen, Hundegebell, wiehernde Pferde, Löwengebrüll, Gackern und Feuerwehrtrompeten, alles dabei. Nebenbei wohl auch eine Inspiration für die großen Blue Öyster Cult, die später ein ähnliches Tohuwabohu im Stück "Joan Crawford" auf der LP "Fire Of Unknown Origin" anrichteten.
Als es sich dann ausgegackert hat, gibt es etwas länger als eine Minute regelrechten Heavy Metal auf die Ohren. Die Reprise von "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" rockt wie die Hölle und ist nach Auffassung vieler Anhänger härterer Klänge deutlich zu kurz. Jimi Hendrix und auch die eine oder andere Metal-Band kkorrigierten das in späteren Jahren. Der absolute Hammer der Platte aber kommt zum Schluss. "A Day In The Life", zusammengesetzt aus mehreren Song-Ideen, ist romantisch, sentimental, psychedelisch, rätselhaft, bedrohlich und höchst furchterregend in einem und noch viel mehr. Ein musikalischer Tagtraum und ein Alpdruck bis zum finalen Schlussakkord, der wie das Geräusch eines zufallenden Sargdeckels klingt. Die geisterhaften, wirren Gesprächs- oder Reimfetzen, die man nach einem kurzen Durchatmen noch hört, klingen je nach Stimmungslage albern oder verstörend wie ein Gruß aus dem Jenseits.
Zurück in die Gegenwart. Zusätzlich zu dieser Achterbahnfahrt, die im Jahre ihrer Entstehung für alle denkbaren Reaktionen zwischen höchster Beunruhigung und grenzenloser Begeisterung gesorgt hat, finden sich auf den verschiedenen Jubiläums-Ausgaben endlos viele Bonus-Tracks, auf einer bis zu drei weiteren CDs, dazu wahlweise auch noch DVDs und massenhaft Geschriebenes rund um die Entstehung dieses Pop-Meisterwerks. Beim hier besprochenen Doppelalbum handelt es sich im Wesentlichen um weitere Takes aus den Aufnahmesessions zu "Sgt. Pepper's". Man hört die Beatles bei der Arbeit, beim Diskutieren, beim Ausprobieren und so fort. Ob man das alles wirklich braucht, sei dahingestellt. Wer die Beatles sozusagen wissenschaftlich durchleuchten will, findet endloses Bonus-Material vor.
Es reicht aber auch völlig, diese von verrückten Ideen und vielfältigsten Klangfarben geradezu wimmelnde Platte in ihrem neuen, prächtigen Klangbild zu genießen. Es lohnt sich!
11 Kommentare mit 8 Antworten
Die Ausgabe ist wirklich gelungen. Das Album kommt quicklebendig aus den Boxen. Absolut dynamisch. Die 2009er-Ausgabe werde ich wohl einmotten.
Ist der Unterschied zur 2009er Ausagbe - die neuauflagen wurden damals ja auch in alle superlative gehüllt und machen echt was her - so viel besser? Hab das Boxset von damals rumstehen, aber für Sgt. Pepper's doch noch mal in die tasche zu greifen ist schon reizvoll...
In meinen Ohren lohnt der Kauf auf jeden Fall.
Ich hab auch das Stereo-Boxset und wirklich glücklich war ich damit nie. (Ich bin froh, dass ich das einigermaßen günstig gebraucht ergattern konnte.)
Vor allem im Auto finde ich die Abmischung furchtbar nervig. Der Gesang kommt ausschließlich von links, wirkt also als Fahrer übertrieben in den Vordergrund gehoben.
haben will !
"Zudem hört man endlich mal mehr von Ringos Schlagzeug und vor allem auch Pauls Bass. Der kommt manchmal fast schon zu deutlich raus." Ein Schelm, wer böses dabei denkt.
netter Versuch, aber Oasis sind klar besser
ohne die Beatles hätte es Oasis gar nicht gegeben ... !!
Ohne Elvis hätte es die Beatles nicht gegeben....
Ohne Gospel hätte es Elvis nicht gegeben...
Ohne Sklaven hätte es Gospel nicht gegeben...
Ohne Sklaven gäbe es die USA wie wir es kennen nicht...
Ohne die USA wäre mehr Öl für alle da...
Ohne Öl lässt sich Fleisch schlecht anbraten....
Ohne Fleisch hätte sich unser Hirn niemals so entwickelt....
Ohne Hirn schreibt man auf Laut nur Blödsinn...
Cro hätte es auch ohne diese Mumien, die heute niemand mehr hört gegeben.
Diese Mumien machen tot in einem Monat mehr Kohle als Cro in seiner ganzen Karriere würde wohl kaum funktionieren würde die keiner mehr hören.
Höre es gerade und bin positiv überrascht. Klingt wirklich transparent und angenehm. Wenn schon Remasters, dann bitte so.